Kopf des Tages: Gideon Levy – Enfant terrible und Israels umstrittenster Journalist

Kopf des Tages: Gideon Levy – Enfant terrible und Israels umstrittenster Journalist

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Er ist einer der charismatischsten, respektiertesten, aber auch verhasstesten Journalisten Israels: Gideon Levy (66). Seine Fans lieben den bissigen, leicht zynischen Stil seiner Kolumnen. Kritiker werfen ihm vor, ein linkes Sprachrohr der Hamas zu sein.

Die starke Polarisierung ist der beste Beweis dafür, dass Levy sich während seiner Karriere treu geblieben ist. Während er in Israel immer weiter ausgegrenzt wird, findet seine Stimme rund um den Globus Gehör. Das Erfolgsrezept: seine englischen Texte, die online geteilt werden.

Levy schreibt seit 1982 für Israels älteste Zeitung Haaretz und ist Mitglied ihres Herausgeberkreises. Er wurde in Tel Aviv geboren, lebt in Israel und hat einen M.A. in Politikwissenschaften der Tel Aviv University. Levy diente ab 1974 im israelischen Militär als Reporter für einen Armeesender. Er arbeitete gleichzeitig von 1978 bis 1982 an der Seite von Schimon Peres, damals noch Leader der israelischen Arbeiterpartei. Levy war vier Jahre lang stellvertretender Chefredakteur von Haaretz und wurde durch seine wöchentliche Kolumne „Twilight Zone“ bekannt. In dieser beschreibt er Israels militärische Besatzung des Westjordanlands und von Gaza. Levy hat mehrere Journalistenpreise gewonnen (Emil-Grünzweig-Menschenrechtspreis der Vereinigung für Bürgerrechte in Israel, Preis der Vereinigung der Journalisten Israels, Euro-Med-Journalistenpreis der Anna-Lindh-Stiftung, Peace Through Media Award der Next Century Foundation, Olof-Palme-Preis der Olof-Palme-Stiftung für seinen „Kampf gegen Besatzung und Gewalt“).

Levy erlangte 2014 wegen seiner Kommentare gegen den Gaza-Krieg Weltberühmtheit. Seine kritischen Berichte führten dazu, dass innerhalb kürzester Zeit 1.000 ältere, treue Leser ihr Abonnement kündigten. Obschon Haaretz ähnliche Erfahrungen in vergangenen Kriegen gemacht hatte, war es neu, dass sich die Wut gegen einen einzelnen Journalisten richtete. Das Argument: Levy bewege sich „außerhalb des zionistischen Konsenses und schade der Öffentlichkeit“. Was jedoch ermutigend war: Die Zahl der Neu-Abonnenten für die hebräische Digital-Ausgabe überstieg die Zahl jener Leser, die ihr Print-Abo gekündigt hatten. Haaretz ist die einzige Zeitung in Israel mit einem Bezahlsystem für ihren Online-Auftritt.

Levys Berichterstattung hatte auch schwerwiegende persönliche Folgen für ihn: Er musste Personenschutz beantragen, weil er während mehrerer Monate bedroht wurde. Dies reichte laut eigenen Angaben von Morddrohungen bis hin zu physischen Angriffen. Levy hatte in dieser Zeit Bodyguards, um sich auf Israels Straßen bewegen zu können.  Was ihn besonders hart getroffen hat: die boykottierenden Haaretz-Leser haben jeglichen Dialog mit ihm abgelehnt. Dies ging so weit, dass er bei einem Leser-Treffen so lange angeschrien wurde, bis die Veranstaltung abgesagt werden musste. Levy ist geschieden, hat zwei Kinder und lebt mit einer schwedischen Journalistin zusammen. Seine beiden Söhne teilen seine Ansichten nicht und lesen keinen seiner Texte. (Dhiraj Sabharwal)

eli lutz
9. Januar 2021 - 0.23

Was daran richtig sein soll sich dem HINschauen zu verweigern kann ich nicht nachvollziehen. Es kann sich jede(r) fü's HIN- oder WEG-schauen entscheiden. Was der Entwicklung zu mehr Wahrhaftigkeit - Ehrlichkeit - sprich "Demokratie für Alle" am meisten dient, das zumindest dürfte klar sein. "Hut ab" - "Chapeau" Gideon Levy !

ekkehard
21. Oktober 2019 - 19.08

Die Söhne haben richtig entschieden