Ukraine-Krieg / „Können sie einfach nicht verkaufen“: Bauern bleiben auf Sonnenblumenernte sitzen

Der 52-jährige Oleksandr Ryjabinin steht in einer Lagerhalle inmitten seiner Sonnenblumenkerne
Tonnenweise rieseln sie von der Ladefläche des Lkws: noch mehr Sonnenblumenkerne, die sich in der Lagerhalle von Oleksandr Ryjabinin häufen und dort ihr nussiges Aroma verbreiten.
Es ist Erntezeit in der Ukraine und Landwirt Ryjabinin hat bereits die Hälfte seiner diesjährigen Ausbeute von den Feldern geholt. Doch mit den wiederholten russischen Angriffen auf die Häfen des Landes und der Blockade der Schwarzmeerrouten wird der Export ihrer Ernte für die ukrainischen Bauern zu einem immer gewaltigeren Problem.
„Momentan haben wir noch kein einziges Kilo Sonnenblumenkerne verkauft“, sagt der 52-jährige Ryjabinin. Dabei sind Sonnenblumenkerne und das aus ihnen gewonnene Öl eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Im Wirtschaftsjahr 2020/2021 stand die Ukraine nach Zahlen des US-Landwirtschaftsministeriums mit 31 Prozent für fast ein Drittel der gesamten weltweiten Sonnenblumenölproduktion. Doch der russische Angriffskrieg hat den Export massiv gestört.
„Die Leute haben Angst, Öl zu transportieren“, sagt Ryjabinin, der einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Feldern in den Regionen Dnipropetrowsk und Cherson im Südosten des Landes leitet. „Keiner will das riskieren“, sagt er und berichtet, wie sehr auf den Transportschiffen die Furcht um sich greife, auf dem Weg zu den ukrainischen Häfen von russischen Geschossen getroffen zu werden.
Wir warten darauf, dass die Preise hochgehen, dass sich ein Getreidekorridor öffnetukrainischer Landwirt
Gleichzeitig gebe es angesichts der heiklen Lage Landwirte, die ihre Ernte deutlich unter Wert auf den Markt brächten. Deshalb sei es für ihn sinnlos, jetzt zu verkaufen, sagt er. „Wir warten darauf, dass die Preise hochgehen, dass sich ein Getreidekorridor öffnet.“
Die Sonnenblumenfelder reichen an manchen Orten in der Ukraine so weit das Auge reicht. Im Sommer erinnert die Masse an goldgelben Blüten vor blauem Himmel an die Farben der Landesflagge. Geerntet wird allerdings erst, wenn die leuchtenden Blütenblätter bereits abgefallen sind und der Pflanzenkopf schwärzlich verschrumpelt ist. Unter der heißen Sonne ziehen dann umgerüstete Mähdrescher ihre Bahnen, bevor schließlich die Kerne aus den vertrockneten Blütenkörben herausgeschüttelt und dann auf Lkws verladen werden.
Etwa zehn Tage wird die Sonnenblumenernte nach Ryjabinins Einschätzung noch dauern. Lagern kann er die Kerne bis zu einem Jahr; dann fangen sie an, säuerlich zu werden. Im Moment allerdings ist die Lagerhalle auch schon mit Weizen gefüllt, verkauft werden kann derzeit lediglich der Raps.
Granatsplitter und Einschläge von Streubomben
Die Seitenwände der Scheune sind von winzigen Granatsplittern durchbohrt. Eine Betonwand draußen ist übersät mit Einschlägen von einer Streubombe. Hier wurde, so berichtet es Ryjabinin, ein Arbeiter getötet, als er versuchte, in Deckung zu gehen und dabei von einem Splitter ins Herz getroffen wurde. Er sei 26 Jahre alt gewesen und gerade Vater geworden.
Vor dem Krieg habe er noch in neues Gerät investiert, sagt Ryjabinin, so wie andere Landwirte auch. Doch dann besetzten die Russen die Region Cherson. 40 Prozent des 10.000 Hektar großen Betriebs konnten deshalb zeitweise nicht bewirtschaftet werden.
Nachdem die Ukraine wieder die Kontrolle über das Gebiet erlangt hatte, ging es im vergangenen Winter vor allem darum, das Land wieder nutzbar zu machen und nicht explodierte Kampfmittel zu beseitigen.
Da sich die russischen Truppen nun auf der anderen Flussseite des Dnipro befinden, ist die Lage mittlerweile ruhiger und die gesamte Fläche des Betriebs wieder nutzbar. „Jetzt haben wir wieder etwas Produktion“, sagt Ryjabinin – und ist dennoch frustriert. „Wir können sie einfach nicht verkaufen“, fügt er hinzu. (AFP)
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