Unter den über 6.000 Feuerwachen in Frankreich nehmen zwei Feuerwehrkorps eine Sonderstellung ein: die „Brigade de sapeurs-pompiers“ de Paris sowie das Marinefeuerwehrbataillon von Marseille sind militärische Einheiten. Die am 18. November 1811 von Napoleon gegründete Pariser Feuerwehr ist eine Pioniereinheit des französischen Heeres, die dem Polizeipräfekten von Paris und damit dem Innenministerium unterstellt ist. Nach Tokio und New York ist die Brigade in Paris die drittgrößte Feuerwehr der Welt.
Sunarak Kimari alias Sunny arbeitet seit August 2021 in einer der 78 Pariser Kasernen, genauer am Standort „Château Landon“ im 10. Arrondissement am „Canal Saint-Martin“. Die Arbeit in Paris ist ein echter Knochenjob. Schichten können 24 bis 72 Stunden lang sein. Es wird jeweils für 24 Stunden zwischen Rettungsdienst und Brandbekämpfung alterniert. Zwischen den Einsätzen stehen tägliche Übungen an der Tagesordnung sowie vier Stunden Sport: morgens Ausdauer- und nachmittags Krafttraining. Außerdem ist jedem Feuerwehrmitglied ein Posten im Innendienst zugeteilt, um so zur Autonomie der Wache beizutragen.
Tageblatt: Im Luxemburger Feuerwehr- und Rettungswesen sind Sie kein Unbekannter. Wie kamen Sie eigentlich zur Feuerwehr?
Sunarak Kimari: Ich bin, seit ich sechs Jahre alt bin, Mitglied der Pfadfinder. Mit 15 Jahren absolvierte ich dort einen Erste-Hilfe-Kursus. Danach schloss ich mich in meiner Schule, dem hauptstädtischen Athénée, dem Erste-Hilfe-Team an. Der Gründer und damalige Chef des „Éischt Hëllef Team Kolléisch“ sowie einige Mitglieder waren ehrenamtlich bei der „Protection civile“ und bei der Feuerwehr aktiv. Ihre Erzählungen aus dem Alltag begeisterten mich und so führte mich der Weg als Freiwilliger ins Einsatzzentrum in Bettemburg, wo ich am 27. November 2014 meinen ersten Dienst am Rettungswagen begann.
Als Freiwilliger in der Feuerwehr Rollingergrund hatte ich zudem die Möglichkeit, an Wochenenden die hauptberuflichen Feuerwehrleute an der route d’Arlon zu unterstützen. 2015 schloss ich mich jener Gruppe an, die die letzte Ausbildungssession zum Berufsfeuerwehrmann im alten Regime begann. Wohlverstanden, immer noch als Freiwilliger, denn ich setzte mein Studium fort. An den Wochenenden und in den Schulferien meldete ich mich so oft wie möglich für die 12-Stunden-Schichten in der Hauptstadt, wo ich bald auch Dienst am Rettungswagen tat. Die im Vergleich zu Bettemburg recht hohen Einsatzzahlen ermöglichten mir, meine bisher erworbene Erfahrung im Rettungsdienst erheblich zu erweitern.
Sie zitierten soeben die schulische Laufbahn. Wie ging es nach dem Athenée weiter?
Von 2017 bis 2020 absolvierte ich erfolgreich ein Bachelorstudium in Politik und internationalen Beziehungen in London. Während dieses Studiums konnte ich viel über die militärische Welt lernen, die mich schon immer fasziniert hat. Trotz meines Interesses an dieser Branche hat sich jedoch mein Wunsch, Feuerwehrmann zu sein, als stärker erwiesen. Solange ich noch jung und gesund bin, werde ich daher dem Lösch- und Rettungswesen treu bleiben.

Wie kamen Sie denn zur Pariser Feuerwehr?
Das hat mehrere Gründe. Meine Familie stammt aus Kambodscha und wanderte nach Frankreich aus. Dort wurde ich 1998 geboren. Ich hatte also per se die französische Staatsangehörigkeit und somit erfüllte ich die erste Bedingung zur Aufnahme in die Pariser Brigade. Mein Studium in Luxemburg und London, meine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit im Einsatzzentrum Bettemburg und der Berufsfeuerwehr Luxemburg, formten den Weg zur Brigade in Paris. Das Sahnehäubchen obendrauf war natürlich das militärische Regime. Außerdem suchte ich eine neue Herausforderung als Feuerwehrmann.
Was geschah, nachdem Sie Ihre Kandidatur geschickt hatten?
Es dauerte fast acht Monate lang, bis ich mich durch den Verwaltungsdschungel gekämpft hatte. In der Zwischenzeit bereitete ich mich auf die Sporttests vor. Ich baute ein intensives Training auf. Nachdem meine Kandidatur angenommen wurde musste ich zu den dreitägigen Militärtests – wie jeder angehender Soldat in der französischen Armee. Diesen bestand ich mit Bravour, dann ging es weiter mit den spezifischen und sportlichen Prüfungen für die Aufnahme in die Feuerwehr. Am Ende stand ein Einstellungsgespräch an. Normalerweise werden dafür 10 bis 15 Minuten veranschlagt. Bei mir dauerte es 45 Minuten. Niemand konnte meine Beweggründe nachvollziehen.
Sie haben sich selbst für die Kaserne „Château Landon“ entschieden. Hat das einen besonderen Grund?
Diese Kaserne befindet sich mitten im 10. Arrondissement, einem Viertel, das von Armut und sozialem Elend geprägt ist, mehr als jedes andere Viertel in Paris. Als Feuerwehrmann und jetzt als Soldat habe ich eine Philosophie: Meine Aktionen sollen schnell und effizient zu einem positiven Ergebnis führen. In der Politik ist das schwer umsetzbar, in der Feuerwehr innerhalb von Minuten.
In Paris muss man lernen, als Kamikaze zu fahren. […] Aber im Ernst, so wild ist es nun auch wieder nicht. Aufgrund der Bevölkerungsdichte befindet sich alle drei bis vier Kilometer eine Feuerwehrkaserne.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit in der Pariser Feuerwehr von jener bei der Berufsfeuerwehr in Luxemburg?
Zum ersten sind die „Dimensionen“ völlig anders. In unserem Einsatzgebiet von knapp 4 km2 wohnen fast 200.000 Leute, dazu kommt die Gare du Nord, wo zusätzlich 500.000 Leute am Tag transitieren. Ergo ist die Einsatzzahl wesentlich höher. Andererseits durch die Art von Einsätzen. Ein Beispiel: in Luxemburg habe ich noch nie den Begriff Treppenhausbrand gehört. In Paris ist das Alltag. Die Menschen, die in Appartements oder HLM leben, stellen vieles im Treppenhaus ab: Kinderwagen, Fahrräder, Kleidung, Schuhe, Schränke, Mülltüten. In den vielen Altbauten sind die Treppen aus Holz. Die Kombination Feuer, Holz und Kram endet oftmals dramatisch; die Löscharbeiten eines Treppenhausbrandes bringen uns körperlich immer wieder an die Grenzen. Ein anderes Beispiel sind Garagenbrände, Brände von Lagerhallen und Fabriken. Diese gehören zahlenmäßig ebenfalls fast zum Alltag. In Luxemburg kommt das, Gott sei Dank, nur selten vor.

Funktionieren die Einheiten des Notarztes und der Rettungswagen auf die gleiche Weise wie in Luxemburg oder Deutschland?
Nein, das sind seit jeher zwei unterschiedliche Organisationen. Das erklärt auch die unterschiedlichen Notrufnummern 18 (Feuerwehr) und 15 (SAMU). Die Feuerwehr in Frankreich hat zwei Aufgaben: Brandbekämpfung und Personenrettung. Letztere beschränkt sich in engsten Sinne auf die Rettung und Bergung sowie den Transport ins nächstgelegene Krankenhaus. Die medizinische Schiene des Rettungsdienstes obliegt vollständig dem SAMU, also Notärzten und Intensivpflegern, die einer Klinik angeschlossen sind.
Wie gehen Sie eigentlich mit dem Stress auf den Einsatzfahrten um? Ein Vorankommen im Eildienst im Pariser Verkehr ist ja wohl kaum Zuckerschlecken.
(lacht) In Paris muss man lernen, als Kamikaze zu fahren, also Zickzackkurs, Hupe und durch. Aber im Ernst, so wild ist es nun auch wieder nicht. Aufgrund der Bevölkerungsdichte befindet sich alle drei bis vier Kilometer eine Feuerwehrkaserne. Sogar im dichtesten Verkehr erreichen wir alle Orte unseres Bezirkes innerhalb von zehn Minuten nach dem Ausrücken.
Wie geht die Pariser Feuerwehr bei Großschadensereignissen, etwa einem Großbrand vor?
Als Erstes fährt immer die zuständige Kaserne mit zwei Löschfahrzeugen und einer Drehleiter an den Einsatzort, wir bezeichnen dies als „départ normal“. Benötigt man Verstärkung, dann kann der „chef de garde incendie“ zum Beispiel einen sogenannten „renfort habitation“ nachfordern. Innerhalb von etwa zehn Minuten sind dann 200 Männer und Frauen mit weiteren Tanklösch- und Gerätewagen, Drehleitern, Rettungswagen sowie der SAMU vor Ort. Bei Bedarf können weitere Einsatzkräfte und Mittel angefordert werden.
Wie steht es um die materielle Ausstattung der Feuerwehr in Paris im Vergleich zu jener in Luxemburg?
Im Vergleich zu Luxemburg sind die Einsatzfahrzeuge wesentlich kleiner und wendiger, ein wichtiger Aspekt in engen Straßen. Die Ausstattung an sich beschränkt sich auf robuste „Basics“, mit wenig computergesteuerten Geräte. Die „analoge“ Version des Lösch- und Bergungswesens, bewährt sich vor allem durch Einfachheit, Effizienz, Zuverlässigkeit und Schnelligkeit im Alltag. Einige Fahrzeuge sind echte Mehrzweckfahrzeuge, eine Geräteseite für den Rettungsdienst inklusive Transportmöglichkeiten mit Trage und Stuhl, die andere Seite etwa für Löscharbeiten.

Ihre Freizeit verbringen Sie gerne beim Einsatzzentrum des CIS Luxembourg. Führt das eigentlich nie zu Neid, sei es in Paris oder in Luxemburg?
Nein, absolut nicht. Es ist sogar das Gegenteil: ein Erfahrungsaustausch, von dem beide Kasernen einen Nutzen haben. Nur in Paris sind die Kollegen und Vorgesetzten manchmal erstaunt: Für sie ist meine doppelte Staatsangehörigkeit, das Studium in London und die Sprachenvielfalt ungewohnt. Oft werde ich in Paris gefragt: Gibt es eigentlich etwas, was du nicht kannst?
Welche Zukunftspläne haben Sie?
Ich habe mich für 5 Jahre bei der Pariser Feuerwehr als Soldat verpflichtet. Ich habe hart gekämpft, um dorthin zu kommen. Für mich ist es eine Ehre, einer solchen Eliteeinheit anzugehören, und dort möchte ich bleiben. Später, wenn ich vielleicht eine Familie gründe oder den hohen medizinischen Anforderungen der Pariser Brigade nicht mehr gerecht werde, stehen mir aufgrund meiner Ausbildung und Erfahrung weitere Laufbahnen in Frankreich oder Luxemburg offen. Daran denke ich heute noch nicht, ich bin noch jung.
De Maart








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