Freitag14. November 2025

Demaart De Maart

Nationaler BildungsberichtKnackpunkt Ungleichheit: Luxemburg verzeichnet „erste vielversprechende Ergebnisse“

Nationaler Bildungsbericht / Knackpunkt Ungleichheit: Luxemburg verzeichnet „erste vielversprechende Ergebnisse“
Prof. Jens Kreisel, Dr. Sonja Ugen, Dr. Thomas Lenz, Dr. Susanne Backes, Minister Claude Meisch Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es ist mittlerweile der vierte nationale Bildungsbericht, den Claude Meisch und sein Team vom Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend gestern vorgestellt haben.

Minister Claude Meisch (DP) hielt seine kurze Rede und ließ Jens Kreisel, dem Rektor der Universität Luxemburg, dann Thomas Lenz und Susanne Backes, die die Leitung, Redaktion und Konzeption des Berichts innehatten, sowie Lucet-Direktorin Sonja Ugen den Vortritt. Der Bildungsbericht wird seit 2015 alle drei Jahre erstellt und basiert auf einem „mehrdimensionalen“ Ansatz: pädagogisch, psychologisch, sprachlich und soziologisch. Dabei wird ein analytischer Blick auf die Herausforderungen geworfen, denen sich das hiesige Bildungssystem gegenübersieht.

Der vom „Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“ (Script) und dem Luxembourg Centre for Educational Testing (Lucet) der Uni Luxemburg gemeinsam herausgegebene Bericht besteht aus Forschungsarbeiten und wissenschaftlichen Artikeln von mehr als 80 Autorinnen und Autoren. Er dient nicht zuletzt dazu, die Umsetzung der Bildungspolitik und die Bewertung der vom Ministerium eingeleiteten Reformen wissenschaftlich zu begleiten.

Einer der beiden Schwerpunkte ist die Vielfalt der Schülerschaft. Der Bericht bestätigt einmal mehr die besondere Situation Luxemburgs: die immer größer werdende Heterogenität seiner Schulpopulation, die mit dem Migrations- und Sprachhintergrund, aber auch mit dem sozioökonomischen Status zusammenhängt. Das Bestreben, das Bildungssystem anzupassen, um es gerechter zu gestalten und allen Kindern und Jugendlichen die bestmöglichen Erfolgschancen zu bieten, leitet seit Jahren die Bildungspolitik und die durchgeführten Reformen.

Herausforderung Mehrsprachigkeit

Unter den zahlreichen Maßnahmen, die eingeleitet wurden, um das Bildungssystem gerechter und integrativer zu gestalten, bestätigt der Bericht 2024 nach den Worten der Autoren einige vielversprechende Ergebnisse von vier wichtigen Initiativen, die das Potenzial hätten, die bestehenden Bildungsungleichheiten schrittweise zu verringern. Um allen Kindern die besten Chancen im Leben und in der Schule zu geben, müsse bereits in der frühen Kindheit gehandelt werden. Das Ministerium führte 2017 ein mehrsprachiges Bildungsprogramm für Kinder im Alter von ein bis vier Jahren in den Kindertagesstätten ein. Damit jeder Schüler seinen Platz im öffentlichen Schulsystem findet, hat das Ministerium in den vergangenen sieben Jahren sechs öffentliche Europäische Schulen eröffnet.

Der Bildungsbericht bestätigt die vorläufigen Ergebnisse einer Analyse, wonach diese Schulen dazu beitragen könnten, die Bildungsungleichheiten abzubauen, die einen nach wie vor bestehenden Knackpunkt des Schulsystems darstellen. Aus der Analyse geht hervor, dass Schüler des europäischen Systems weniger Schulverzögerungen aufweisen als Schüler des nationalen Systems; dass sie weniger den Bildungsweg zu wechseln und dagegen eine geradlinigere Laufbahn einschlagen; und dass sie bei standardisierten Tests bessere Ergebnisse in den mathematischen Kompetenzen erzielen. Die Ergebnisse scheinen zu bestätigen, dass es für die Schülerinnen und Schüler von Vorteil ist, ein Fach in einer Sprache zu lernen, die sie gut beherrschen.

Die Alphabetisierung sei ein Schlüsselmoment, der die Weichen für eine erfolgreiche Schullaufbahn stellt, so die Autoren. Um die Ungleichheiten aufgrund der sprachlichen Vielfalt der Schüler zu verringern, will das Ministerium auch das schulische Angebot in den öffentlichen Grundschulen diversifizieren, indem es den Eltern der Schüler die Wahl lässt, sich für eine Alphabetisierung in deutscher oder französischer Sprache zu entscheiden. So wurde mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 das Pilotprojekt „ALPHA – zesumme wuessen“ in vier Grundschulen des Landes gestartet.

Hilfe für Kinder mit Sehbehinderung

Um Kinder mit Sehbehinderungen bereits in der Grundschule zu erkennen und bestmöglich zu fördern, haben Lucet und das Zentrum für die Entwicklung von Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Sehen (CDV) ein Screening-Verfahren entwickelt, das in standardisierte Tests integriert ist. Denn Sehbehinderungen haben erhebliche Auswirkungen auf das Lernen und die schulischen Leistungen. Bei den standardisierten Tests in Zyklus 2.1 schneiden Kinder mit Sehbehinderungen in allen drei Kompetenzbereichen (frühe Alphabetisierung, Mathematik und Hörverständnis) deutlich schlechter ab. Mit dem eingeführten systematischen Screening hat sich Luxemburg einen bemerkenswerten Hebel geschaffen, um die Risikoschüler frühzeitig zu identifizieren und ihre Erfolgschancen zu verbessern.

Der Nationale Bildungsbericht beleuchtet die Herausforderungen und Chancen, die mit dem Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft verbunden sind. Er zeigt, dass die Auswirkungen der vom Ministerium eingeleiteten Reformen und Maßnahmen zwar noch nicht alle messbar sind, die ersten Ergebnisse jedoch vielversprechend sind und dazu anregen, weiterhin in die Chancengerechtigkeit zu investieren.

Was die Sprachenvielfalt angeht: Mit der Ausweitung des Angebots der öffentlichen Europäischen Schulen soll der hohen Nachfrage nach Anmeldungen Rechnung getragen werden; die allgemeine Einführung des Projekts „ALPHA – zesumme wuessen“, das in seiner Pilotphase aufmerksam verfolgt wurde, könnte auf der Grundlage der wissenschaftlichen Evaluierung ab dem Schuljahr 2026/2027 erfolgen. Um auf die Heterogenität der Schülerschaft zu reagieren, wird das Ministerium auch die Zahl der sozialtherapeutischen Zentren erhöhen, die Grundschülern mit Störungen der sozial-emotionalen Entwicklung eine individuelle und intensive pädagogische Betreuung durch Pädagogen, Therapeuten und Lehrer gewährleisten. Dieses Angebot wird auch auf Schüler der Sekundarstufe ausgeweitet (CST 12+).