UkraineKiewer Geheimdienst will Beweis für russischen Sabotageakt am Damm haben

Ukraine / Kiewer Geheimdienst will Beweis für russischen Sabotageakt am Damm haben
Ukrainische Soldaten helfen bei der Evakuierung von Bewohnern der aus russischer Besatzung befreiten Großstadt Cherson  Foto: AFP/Genya Savilov

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Der ukrainische Geheimdienst SBU hat am Freitag ein offenbar abgehörtes russisches Telefongespräch veröffentlicht, das einen Sabotageakt der russischen Armee am Staudamm von Nora Kachowka beweisen soll.

Zwei mutmaßliche russische Offiziere diskutieren in dem gut 100 Sekunden-Mitschnitt in ruhigem Ton Neuigkeiten aus den besetzten Gebieten in der Südukraine. Der Besorgtere rechnet mit einem neuen Tschernobyl, da sich der Wasserstand des Kachowka-Stausees nach dem Dammbruch schnell absenke und die Reaktoren das AKW Saporoschschja nicht mehr gekühlt werden könnten.

„Das haben die Unseren gemacht, nicht die verfluchten (Ukrainer)“, erklärt der eine. „Das war unsere Diversionsgruppe“, klärt er seinen Gesprächspartner auf, der die Kreml-Propaganda eines ukrainischen Terror-Anschlags anführt. „Sie wollten den Damm etwas erschrecken, aber es lief nicht nach Plan, es gab etwas Größeres, das sie nicht geplant hatten“, erklärt der Offizier seinem Zuhörer und trauert sodann Tausenden von ertrunkenen Tieren eines Safari-Parks nach.

Die Echtheit des SBU-Abhörmitschnitts kann nicht nachgeprüft werden. Die beiden Männer sprechen jedenfalls Russisch ohne ukrainischen Akzent. Kiew hatte von Anfang an Russland für die Explosion des Staudamms, der in der russischen Besatzungszone liegt und bereits vor Monaten vermint worden war, verantwortlich gemacht. Die Sprecherin des ukrainischen Armeekommandos „Süd“, Natalia Humenniuk, sagte am Freitag, die Explosion des Staudamms sei von innen erfolgt und nicht Folge eines äußeren Angriffs gewesen. „Der Damm ist nicht vollständig zerstört“, fügte sie an. Die Russen hätten sich offenbar so sehr über die ukrainische Gegenoffensive erschreckt, dass sie jegliche Verantwortung, auch für die eigenen Stellungen am Ostufer des Dnipro, missachtet hätten, analysierte sie. Auch am Freitag bestätige Kiew den am Vortag in westlichen Medien gemeldeten Beginn der Gegenoffensive nicht.

Weitere Opfer

In der Tat scheint die erste Verteidigungslinie der Besatzungstruppen am Dnipro-Ufer weitgehend überschwemmt. Laut Angaben des Kiewer Verteidigungsministeriums hat sich die russische Armee rund 15 Kilometer vom Ufer entfernt ins Landesinnere zurückgezogen.

Unterschiedliche Angaben kursierten am Freitag über den Verlauf der Flut. Insgesamt hat sich der Stauseepegel um 4,7 Meter gesenkt. Auf der Höhe der rund 80 Kilometer flussabwärts liegenden Großstadt Cherson soll der Wasserpegel des stark angeschwollenen Dnipro laut ukrainischen Angaben bereits wieder fallen. Im Stadtteil „Ostrow“ soll der Pegelstand in den letzten 24 Stunden bis Freitagmittag um 17 Zentimeter gefallen sein. Die zivilen russischen Besatzungsbehörden erklärten gleichzeitig, der Wasserstand könnte noch zehn Tage lang ansteigen.

Laut Angaben des Kiewer Innenministeriums ist die Zahl der Flutopfer auf der Westseite des Dnipro von zwei auf fünf angestiegen. Das unabhängige ukrainische Internetportal „Hromadske“ berichtete dazu von mindestens neun neuen Flutopfern auf der russisch besetzten Ostseite. Die Toten waren von Jewgeni Ryschuk, dem Bürgermeister der 25.000-Einwohner-Stadt Oleschki am späten Donnerstagabend gemeldet worden.

Hinweise auf Gegenoffensive

Damit scheinen bis Donnerstagmittag insgesamt mindestens 22 Todesopfer bestätigt, die meisten davon auf der russisch besetzten Flussseite. Laut „Hromadske“ werden sowohl in Oleschki wie dem etwas weiter flussabwärts gelegenen besetzten Städtchen Hola Tristan jedoch noch Hunderte von Einwohnern vermisst. Die russischen Besatzungsbehörden hätten beide Städte abgeriegelt. Auf beiden Uferseiten sollen insgesamt 71 Ortschaften überschwemmt sein, darunter 14 von der russischen Armee besetzte.

An der Südfront verdichteten sich am Freitag Hinweise auf jene ukrainische Gegenoffensive, die Kiew nicht ankündigen will. Auf Telegram-Kanälen kursieren Kurzvideos einer Panzerkolonne, darunter augenscheinlich deutsche Leopard-2-Panzer, die in der Gegend des Dorfes Mala Tokmatschka auf heftige russische Gegenwehr stoßen. 100 Kilometer südlich, hinter mehreren russischen Verteidigungslinien, befindet sich die besetzte Stadt Melitopol, die als Tor zur Krim gilt. Ukrainische Soldaten berichten, der Vormarsch verlaufe „nicht so schnell“, wie erhofft. Ukrainische Panzer- und Artillerieangriffe wurden auch von Punkten westlich und östlich von Mala Tokmatschka gemeldet. Angeblich sollen bis zu 20.000 ukrainische Soldaten an der Offensive an mehreren Abschnitten der Südfront beteiligt sein.

Die russische Armee beschoss am Freitag das nahe gelegene Spital des Städtchens Hulaj-Pole und tötete zwei Mitarbeiter. Am Freitagnachmittag wurden unweit der Arabatska-Landzunge in unmittelbarer Nähe der Krim mindestens drei ukrainische Raketeneinschlägen gemeldet.

Norwegische Seismologen weisen Explosion an Kachowka-Staudamm nach

Das norwegische seismologische Institut Norsar hat nach eigenen Angaben eine Explosion am ukrainischen Kachowka-Staudamm zum Zeitpunkt seiner Zerstörung festgestellt. „Wir sind sicher, dass es eine Explosion gab“, sagte Norsar-Chef Ben Dando am Freitag. Dies würde die allgemeine Annahme bestätigen, dass der Staudamm durch eine bewusste Aktion zerstört wurde – und nicht aufgrund von Schäden durch vorherige Bombardierungen nachgab. Angaben zum möglichen Auslöser der Explosion machte das Institut nicht.
Nach Angaben des unabhängig arbeitenden Instituts ereignete sich die Explosion am Dienstag um 02.54 Uhr Ortszeit in einem Gebiet, dessen Koordinaten sich mit denen des Staudamms am Fluss Dnipro im Süden der Ukraine decken. Die Stärke der Detonation habe „zwischen 1 und 2“ gelegen. „Das ist keine leichte Explosion“, erklärte Dando. Das Ereignis sei von der Bukowina-Messstation in Rumänien festgestellt worden, die etwa 620 km vom Ort der Explosion entfernt liegt. (AFP)

Phil
13. Juni 2023 - 12.57

Moskauer Geheimdienst will Beweis für ukrainischen Sabotageakt am Damm haben.