LuxemburgKampf gegen die Schmerzen – Engpässe bei medizinischem Cannabis 

Luxemburg / Kampf gegen die Schmerzen – Engpässe bei medizinischem Cannabis 
Luc Steines muss trotz zahlreicher Nebenwirkungen auf chemische Painkiller zurückgreifen, da es momentan Engpässe beim medizinischen Cannabis in Luxemburg gibt Foto: Fabrizio Pizzolante

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Seit 2019 wird Patienten in Luxemburg bei verschiedenen Krankheiten medizinisches Cannabis verschrieben. Die beiden Abgeordneten Sven Clement (Piraten) und Mars Di Bartolomeo (LSAP) stellten Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) mehrere Fragen zum Thema medizinisches Cannabis. So wollten sie unter anderem wissen, warum es immer wieder zu Engpässen beim medizinischem Cannabis komme und wie solche in Zukunft vermieden werden könnten.

2009 verletzte sich Luc Steines bei einem Arbeitsunfall schwer. Die kaum auszuhaltenden Schmerzen sind trotz mehrerer Rückoperationen geblieben. Daraufhin verschrieben die Ärzte dem Patienten Morphium und 
Antiphlogistikum. Die Nebenwirkungen waren Übelkeit, heftige Magenkrämpfe bis hin zu Blut im Stuhlgang. Vor fünf Monaten wurde Steines zum ersten Mal medizinisches Cannabis verschrieben. „Nach zwei Wochen habe ich erste positive Veränderungen gemerkt. Die Schmerzen sowie die Übelkeit ließen ebenfalls merklich nach“, erinnert sich Luc Steines. 

„In Luxemburg werden drei Sorten von medizinischem Cannabis verschrieben. Zum einen gibt es die THC-reichen Blüten, die einen THC-Gehalt von rund 18 Prozent haben und einen Gehalt von 0,1 Prozent CBD. Die zweite Sorte ist mit zehn Prozent THC und zehn Prozent CBD völlig ausgeglichen. Cannabis-Blüten mit einem CBD-Gehalt zwischen zwei und zwölf Prozent sowie einem Rest-THC-Gehalt von maximal 0,29 fallen in die dritte Kategorie. Mir wurden die THC-dominanten Blüten verschrieben. Doch momentan ist diese Sorte nicht mehr verfügbar“, erklärt der Cannabis-Patient, dessen Rezept in den kommenden Tagen ausläuft. Die Verschreibung von medizinischem Hanf verfällt nach spätestens 21 Tagen. Luc Steines ist jedoch nicht der Einzige, der seine Medizin nicht mehr regelmäßig bekommt.

Seit Beginn des Pilotprojektes im Februar 2019 wurden bislang 580 Patienten mit medizinischem Cannabis behandelt. Grund genug für die beiden Abgeordneten Sven Clement und Mars Di Bartolomeo, um zwei parlamentarische Anfragen bei der Gesundheitsministerin Paulette Lenert einzureichen. Sie wollten wissen, bei welchen Blüten es zu Engpässen gekommen sei. Lenert gab zu, dass es schon bei allen drei Sorten Lieferschwierigkeiten gegeben habe. Dies sei vor allem auf eine Konsumsteigerung seit November 2020 zurückzuführen. Wie die Gesundheitsministerin weiter mitteilte, besitze der Luxemburger Staat momentan keine THC-dominanten Blüten mehr. Auch die Blüten mit ausgeglichenem CBD und THC sind nicht zu bekommen. Die Frage von Sven Clement, wann denn die nächste Lieferung von Cannabis-Blüten in Luxemburg ankommen werde, konnte die Gesundheitsministerin nicht beantworten.     

Produktion in Luxemburg gefordert

Um weitere Lieferengpässe zu vermeiden, schlug Mars Di Bartolomeo vor, zukünftig medizinischen Cannabis in Luxemburg anzubauen. Und auch der Staat scheint bereits über diese Möglichkeit nachgedacht zu haben. „Überlegungen zur möglichen lokalen Produktion von medizinischem Cannabis werden derzeit angestellt, eine endgültige Entscheidung wurde jedoch noch nicht getroffen“, antwortete die Gesundheitsministerin. 

Der Patient muss seine verschriebenen Blüten in einer der Krankenhausapotheken abholen. Aus logistischen Gründen erhalten die Patienten zurzeit nur Cannabis-Blüten in Luxemburg. Die Blüten können mit einem Vaporizer geraucht oder in den Tee gemischt werden. Seine medizinische Wirkung entfaltet der Hanf größtenteils durch Cannabidiol – auch als CBD bekannt. CBD gilt als nicht psychoaktives Cannabinoid, das heißt, es löst keine Wirkung auf das zentrale Nervensystem aus und die Wahrnehmung wird nicht verändert. Bei verschiedenen Krankheiten wird auch medizinisches Cannabis mit Tetrahydrocannabinol (THC) verschrieben. THC sorgt für den Rausch, kann aber auch Schmerzen lindern und entzündungshemmend wirken. Patienten, die mit medizinischem Cannabis behandelt werden, müssen ihren Wohnsitz in Luxemburg haben, bei einer hiesigen Krankenkasse versichert sein und die luxemburgische Nationalität besitzen. Sie müssen sich an einen der rund 250 Ärzte wenden, die mittlerweile an der obligatorischen Weiterbildung des Gesundheitsministeriums teilgenommen haben.

Die vollständige Liste mit allen Ärzten darf aus verschiedenen juristischen Gründen nicht auf der Homepage der „Santé“ veröffentlicht werden. Bei schwerkranken Patienten kann medizinisches Cannabis als Appetitanreger oder auch gegen Übelkeit genutzt werden. Bei Krebspatienten kann es indes die Nebenwirkungen der Chemotherapien lindern und hilft auch bei Multipler Sklerose oder chronischen Schmerzen. Medizinisches Cannabis kann hier zwar keine vollständige Genesung herbeiführen, die Schmerzen der Patienten werden aber durch die Nutzung maßgeblich gelindert. Da Marihuana auch negative Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen haben kann, muss der Patient mindestens 25 Jahre alt sein. Drogensüchtigen und Patienten mit Herzproblemen wird medizinisches Cannabis ebenfalls verwehrt. Gleiches gilt für Berufsfahrer. Cannabis-Patienten ist das Autofahren ebenfalls untersagt. Bei einem positiven Drogentest droht ihnen wie allen illegalen Cannabis-Konsumenten der Führerscheinentzug.