EU-KommissionKampf gegen Desinformation: Onlinedienste legen erste Berichte vor

EU-Kommission / Kampf gegen Desinformation: Onlinedienste legen erste Berichte vor
Die EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova warnt vor russischen Desinformationskampagnen im Zuge der Europawahlen im kommenden Jahr Foto: AFF/Jade Gao

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Diese Woche haben die größten Online-Anbieter ihre ersten Berichte zu ihrem Vorgehen gegen Desinformation im Rahmen eines von der EU-Kommission eingeführten Verhaltenskodex vorgelegt. EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova warnte in diesem Zusammenhang vor russischen Desinformationskampagnen – vor allem vor den Europawahlen im kommenden Jahr.

Die Verbreitung von Falschinformationen ist nicht neu und nicht nur auf Online-Plattformen beschränkt. Dennoch werden die sogenannten sozialen Medien von allen möglichen Leuten bis hin zu verdeckt operierenden staatlichen Stellen dazu genutzt, ihre oft nicht mit Fakten und der Realität in Übereinstimmung zu bringende Sicht den Nutzer dieser Onlinedienste mitzuteilen. Das nahm vor allem während der Corona-Pandemie derartige Ausmaße an, dass die EU-Kommission bereits bestehende Leitlinien verstärkte und in einem Verhaltenskodex vorlegte.

Dieser Kodex zähle mittlerweile 44 Unterzeichner, so EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova, unter ihnen die Größen der Tech-Branche wie Google, TikTok, YouTube, Facebook und LinkedIn. Zurückgezogen hat sich jedoch X (vormals Twitter), was insofern von Bedeutung ist, da diese Plattform den „größten Anteil an Beiträgen von Desinformationen“ aufweist, wie die EU-Kommissarin weiter erklärte.

Zwar hatten Jourova und ihre Dienste die jeweils an die 200 Seiten umfassenden Berichte noch nicht eingehend durchforstet, doch wusste sie bereits von ersten Erkenntnissen zu berichten. So habe YouTube von Januar bis April dieses Jahres mehr als 400 Kanäle geschlossen, die an „koordinierte Beeinflussungsoperationen“ beteiligt und mit der Internet Research Agency (IRA) verbunden waren. IRA ist ein vom jüngst bei einem „Flugzeugunfall“ ums Leben gekommenen Jewgeni Prigoschin gegründetes Unternehmen, das am 1. Juli aufgelöst wurde.

Wir müssen davon ausgehen, dass der Kreml und andere vor den Wahlen aktiv werden

EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova

Google wiederum habe von fast 300 Internet-Sites, die mit staatlich geförderten Propaganda-Seiten verbunden waren, Werbung entfernt, zählte Jourova weiter auf. Die Faktenchecker von TikTok wiederum hätten 211 von 832 überprüften Videos im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entfernt.

Dominantes Thema sei, so Jourova, das russische Narrativ über den Krieg, laut dem Russland ein Recht habe, einzumarschieren, die Ukrainer Faschisten seien und kein Recht auf ein eigenes Land hätten. Desinformationskampagnen würden aber auch gegen Migranten und Flüchtlinge aus der Ukraine, den „Green Deal“, „Minderheiten aller Art“ sowie Schwule und Lesben geführt, denen etwa vorgeworfen werde, sie würden Kinder kidnappen.

Transparenz für KI-Produkte

In ihren Berichten würden die Onlinedienste zudem angeben, wie leicht desinformierende Inhalte zu finden sind, wie viel Aufmerksamkeit diese erhalten sowie von wem sie stammen. Diese Indikatoren seien in einem Pilotprojekt in drei Ländern erprobt worden. Dabei habe sich unter anderem herausgestellt, dass Akteure, die Desinformation verbreiten, mehr Follower haben als jene, die keine Falschmeldungen weitergeben. Zudem seien Erstere nicht so lange auf der jeweiligen Plattform aktiv als Letztere, so die EU-Kommissarin weiter.

Jourova warnte, dass die Gefahr der Desinformation vor allem in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine sowie den im kommenden Jahr stattfindenden Europawahlen besonders groß sei. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Kreml und andere vor den Wahlen aktiv werden.“ Der russische Staat führe einen Krieg der Ideen, „um unseren Informationsraum mit Halbwahrheiten und Lügen zu verunreinigen und den falschen Eindruck zu erwecken, eine Demokratie sei nicht besser als eine Autokratie“, so die Tschechin. Die Europawahlen seien daher ein wichtiger Test sowohl für den Verhaltenskodex als auch für die Onlinedienste in ihren Fähigkeiten, Falschinformationen zu erkennen.

Künftig will Vera Jourova ebenfalls die technischen Möglichkeiten und Machbarkeit prüfen lassen, von Künstlicher Intelligenz (KI) hergestellte Produkte kennzeichnen zu lassen. Die Leute sollten wissen, ob das, was sie lesen oder sehen, von Menschen oder von Maschinen hergestellt wurde, sagte die EU-Kommissarin, die mittels einer Kennzeichnung mehr Transparenz herstellen möchte. Dabei warnte sie vor einer Kombination von KI mit Desinformation. „Das ist ein Albtraum“, meinte die EU-Kommissarin.