Junge Künstler im Gespräch: Der Musiker Pol Belardi

Junge Künstler im Gespräch: Der Musiker Pol Belardi

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ob als Bassist oder Vibrafonist: Der 29-jährige Pol Belardi ist seit Jahren eine feste Größe der luxemburgischen Jazzszene.

Ob als Bassist oder Vibrafonist: Der 29-jährige Pol Belardi ist seit Jahren eine feste Größe der luxemburgischen Jazzszene.

Während viele Musiker mit einem Instrument assoziiert werden, das sie beherrschen, zeichnet sich Pol Belardi durch seine Vielseitigkeit aus, die er auch als seinen höchsten Trumpf ansieht. So konnte man ihn z.B. beim Blues Express vor Kurzem zunächst am Schlagzeug seiner Combo aus der Differdinger Musikschule sehen, eine halbe Stunde später dirigierte er die Big Band der Schule. Jazzfreunden im Land ist sein Name seit Längerem schon ein Begriff, sei es als Bassist, Vibrafonist, Pianist oder Schlagzeuger. Der Begriff „Tausendsassa“ wurde für Multitalente wie ihn geschaffen.

Neben seinen Beiträgen in den Bands anderer Musikerkollegen hat er selbstverständlich auch seine eigenen Projekte, Pol Belardi’s Urban Voyage und Pol Belardi’s Force. Letztere Gruppe begann als 4S, aber da niemand das Wortspiel verstand, nannte sie sich in Force um und seit dem letzten Album „Creation/Evolution“ auch mit seinem Namenszusatz.
Warum? „Jazz-Musiker sind an vielen Projekten beteiligt, aber es ist schwierig, sich hervorzutun, wenn man sich hinter einem Projektnamen versteckt. Da ich bei den beiden Projekten auch selbst zu 100 Prozent die Musik komponiere, war es ein logischer Schritt, meinen Namen hinzuzufügen.“

Während Force nur aus Saxofon, Klavier, Bass und Schlagzeug besteht, ist Urban Voyage ein größeres Projekt mit vier Bläsern, einer sechsköpfigen Rhythmussektion, Vibrafon, Perkussion, Synthesizer und einer Sängerin. Erfolge – nationale und internationale – hat er auch schon vorzuweisen. Pol Belardi’s Force z.B. gewann 2017 den Preis als beste Band bei der „Sibiu Jazz Competition“. 2014 erhielt der Multiinstrumentalist den Preis der Luxemburger Stiftung zur Förderung junger Künstler.

Frühe Bestimmung

Dass Musik sein Leben bestimmen würde, war für Pol Belardi schon sehr früh klar. Seine Zukunft sei definitiv durch sein Elternhaus vorgezeichnet gewesen. Seine Eltern waren Amateurmusiker, im Haus gab es ein Klavier und Perkussionsinstrumente. „Ich war von Anfang an davon begeistert, die Sachen selber auszuprobieren, und als Kind ist es immer interessant, auf eine Trommel zu hauen.“ Es gäbe sogar ein Foto, auf dem er im Alter von zwei Jahren die Tasten einer Orgel bedient, sagt er.

Im Alter von sieben begann der aus Tetingen stammende Belardi mit dem Musikunterricht im Escher Konservatorium. Seine erste Wahl fiel auf die Perkussionsinstrumente, danach lernte er noch Klavier, Kontrabass, Harmonie und E-Bass. Im hauptstädtischen Konservatorium nahm er später Jazzkurse in Klavier und Bassgitarre. Nach dem Abitur folgten Jazzstudien in Brüssel und Amsterdam. Zurück in Luxemburg ging er den Weg vieler Musiker hierzulande, den eines Musiklehrers.

„Den Weg des unabhängigen Musikers gehen in Luxemburg die wenigsten. Es ist wohl möglich und Respekt gebührt denen, die es tun. Es gab jedoch für mich zwei Gründe, es nicht zu tun. Man ist dann wohl genötigt, jedes Engagement anzunehmen, das sich anbietet, auch solche, die man eigentlich nicht mag.“ Zudem wolle er, falls er mal Vater werde, seinen Kindern zumindest das geben, was er als Kind bekam. „Und dazu braucht es eine gewisse finanzielle Stabilität.“

Unterrichten und aktiv Musik machen – diese Kombination funktioniere sehr gut, da er viele Stücke am Klavier in seinem Unterrichtszimmer komponiert, während er auf den nächsten Schüler wartet. Seine Tätigkeit an der Differdinger Musikschule ermöglicht es ihm ebenfalls, in seiner „Freizeit“ die Musik zu machen, die er mag. Während viele seinen Namen mit Jazz assoziieren, wie z.B. wegen seiner Bands Pol Belardi’s Force und Pol Belardi’s Urban Voyage, will er sich selber auf keinen Musikstil festlegen.

Breiter Musikgeschmack

Als in seiner Schulzeit seine Kameraden Backstreet Boys oder Spice Girls hörten, war er ein Fan der britischen Spacerockband Ozric Tentacles. Bis heute ist eine seiner Lieblingsbands Motorpsycho aus Norwegen, deren Musik er als intelligenten Rock mit Jazzelementen beschreibt. „Mich faszinierten stets Bands, deren Stücke auf dem Album z.B. vier Minuten dauern, live aber durch Improvisationen eine Viertelstunde. Hauptsächlich war ich vom Bass-Sound der Band beeindruckt und ich glaube, ich habe dadurch angefangen, E-Bass zu spielen.“ Sein Musikgeschmack sei in seiner Kindheit und Jugend vor allem durch den seines älteren Bruders beeinflusst worden, mit Gruppen wie Queen, Marillion, Guns’n’Roses und Nirvana. Auch heute höre er die verschiedensten Musikrichtungen: von Klassik über Hip-Hop und Elektro bis hin zum Jazz.

Zu Letzterem kam er durch Zufall, als er im Konservatorium einen Freund beim Jazzklavier-Unterricht antraf. „Er war gerade bei einer klassischen 2-5-1-Übung. Ich war sofort begeistert von den Klangfarben und wollte das auch lernen. In den folgenden Sommerferien nahm ich an einem ersten Jazzseminar teil und spielte wenig später meine ersten Stücke, Jazzklassiker wie ‚Cantaloupe Island‘, ‚So what‘ und ‚Watermelon Man‘.“ Auch wenn er heute hauptsächlich im Jazz zu Hause ist, macht er gelegentlich Ausflüge in andere Gefilde. „Vor zwei Tagen (das Interview fand am Montag statt) spielte ich z.B. mit der luxemburgischen Celtic-Folk-Band Dreamcatcher.“ Wenn sein größter Trumpf seine Vielseitigkeit ist, so sei es auch vielleicht sein größter Schwachpunkt, dass er in so vielen Bereichen tätig ist.

„Ich hatte immer den Drang, viele Eisen im Feuer zu haben, aber ich habe viele Ideen.“ Auch die Lust zum Komponieren habe ihn noch näher zur Jazzmusik herangeführt. „Ich hätte klassische Perkussion studieren können, aber ich habe mich stets als einen zu unvollkommenen Interpreten empfunden, um zu 100 Prozent geschriebene Musik perfekt umzusetzen, was man als klassischer Interpret aber können muss.“

Was das Komponieren betrifft, sagte einer seiner Musikerkollege: „Wa mer en neit Stéck vum Pol kréien, da kann alles geschéien.“ Belardi muss über diese Aussage lachen, da sie auf eine frühere „Schwäche“ von ihm anspielt. Er habe sonst immer jedes Detail für jeden Musiker notiert, aber heute wisse er, das sei unnötig, wenn man mit Künstlern zusammenarbeite, denen man vertraut. „Ich schreibe immer weniger auf, so lasse ich den anderen mehr Freiräume. Ich sage zu ihnen: ‚Kommt, wir probieren einfach‘. So kann jeder sich selber entfalten.“

Und was macht jemand, dessen ganzes Leben sich um Musik dreht, als Ausgleich? „Im Moment ist das für mich alte Autos fahren. Ich besitze einen Triumph GT6 aus dem Jahr 1973, für mich eines der schönsten Autos, die je gebaut wurden.“ Wer Pol Belardi live erleben möchte, kann das am 12. August beim „Gaume Jazz Festival“ im belgischen Rossignol tun.