Journée de l’Alambic: Brennereien an der Mosel öffnen ihre Türen

Journée de l’Alambic: Brennereien an der Mosel öffnen ihre Türen

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Von Herbert Becker

Zur traditionellen „Journée de l’Alambic“ unter dem Slogan „D’Miseler Land brennt“ hatten die Brennereien eingeladen, Gelegenheit also, einmal hautnah an der Brennblase, auch „Alambic“ genannt, zu stehen, um der wundersamen Verwandlung der Früchte der Gärten in Hochprozentiges beizuwohnen.

Am gestrigen Sonntag standen einmal nicht Wein und Crémant im Fokus des Interesses. Orte der Begierde waren gleich fünf Destillerien zwischen Grevenmacher und Schwebsingen, die ihre Pforten für die passionierten Liebhaber edler Brände geöffnet hatten. Der eigentlich erwartete Besucherstrom blieb jedoch vielerorts aufgrund des schlechten Wetters aus.

Obstbrände wie früher

Wir sind zu Gast im Hause des Ehrenpräsidenten der Genossenschaftskellerei, Henri Streng, in Grevenmacher. Sohn Pol und Tochter Martine führen den Betrieb in der bereits vierten Generation und haben ihre Passion der Brennerei verschrieben. Wie eine „Timeline“ präsentiert sich ihr Portfolio: klare Obstbrände, wie sie schon Urgroßvater und Großvater gebrannt haben aus Kirsch, Framboise, Mirabelle oder Neelschesbir.

Dazu, auf Basis der Trauben aus dem eigenen Weingut, Marc de Pinot noir oder Gewürztraminer. Erweitert haben die Geschwister ihr Angebot durch verschiedene Liköre sowie Spezialitäten wie Marc de Vin de paille oder den edlen Severa (aus dem Lateinischen: streng), ein vollmundiger, den Gaumen umschmeichelnden Weinbrand. Neueste Errungenschaften im Hause Streng sind die Gins.

Gin trinken ist hipp, gerade bei der jüngeren Generation. Neben dem Klassiker gibt es ihn parfümiert mit Cranberry, Lemongras, Ingwer oder Orange. Gebrannt wird in einer mobilen Brennblase, die nicht mehr so häufig in Brennereien anzutreffen ist. Was macht eine gute „Drëpp“ aus, möchten wir ferner wissen.

Balance wischen Alkohol und Frucht

„Ein guter Brand,“ so Pol Streng, „muss geschmeidig am Gaumen sein, darf nicht brennen im Abgang, der Name darf also nicht Programm sein. Dazu muss die Frucht erkennbar sein, eine ausgewogene Balance zwischen Alkohol und Frucht muss man gewährleisten.“

Neben der Degustation ihrer Erzeugnisse offerierten die Strengs ihren Gästen traditionelle Luxemburger Spezialitäten wie „Kniddele mat Äppelkompott“, „Raclette mat Gromperen“ oder „Schleeke mat Kraiderbotter“.

Robert Max (Max-Lahr & Fils) im beschaulichen Moseldorf Ahn, bekannt für seine Weine und Crémants, produziert ebenfalls edle Brände, die zum Teil im Holzfass reifen. Passend zu den wärmenden Vorzügen der Hochprozentigen offerierte der Hausherr ein ebenso wärmendes Suppenbüffet und demonstrierte seinen Gästen detailliert den Brennvorgang in der Brennblase.

Klassisch und innovativ

Bereits in sechster Generation, genauer gesagt seit 1862, betreibt die Destillerie Diedenacker in Niederdonven die Passion des Schnapsbrennens. Bei Camille und Mariette Duhr-Merges findet der Liebhaber ein wahres Füllhorn an geistreichen Getränken.

Rund 400 Obstbäume nennen sie ihr Eigen, hieraus gebrannt werden alle bekannten Klassiker, aber auch Außergewöhnliches wie Hielenter (Holunder), Hondsaarsch (Mispel) oder preisgekrönte Spezialitäten wie Marc vieux en barrique oder Quitten. Unter den 25 Bränden gibt es seit kurzem auch ein Novum: eine Spargel-„Drëpp“, einzigartig im Großherzogtum.

„Béier an eng Drëpp“ gehört der Vergangenheit an

„Hat sich das Schnapstrinken in den letzten Jahren eigentlich verändert?“, möchten wir von Mariette in Erfahrung bringen. „Das denke ich wohl. Speziell in der Gastronomie wird nicht mehr so viel konsumiert wie in vergangenen Zeiten. „Béier an eng Drëpp“, das hat nachgelassen. Man trinkt einen edlen Brand heute bevorzugt zu Hause im Freundeskreis. Davon zeugen auch unsere Absätze in Vinotheken, Feinkostgeschäften oder im Einzelhandel.“

Gut besucht bei Diedenackers ist die einladende Tenne. Die Gäste lassen es sich hier sichtlich wohl ergehen bei „Judd mat Gaardebounen“ oder „Träipen“, für die Jüngeren steht zudem ein Foodtruck bereit und die Kleinsten bestaunen das gerade erst gestern geborene Kälbchen im angrenzen Stallgebäude.

Klar
28. Oktober 2019 - 15.48

"Man trinkt einen edlen Brand heute bevorzugt zu Hause im Freundeskreis." Man kann ja auch schlecht nach einem halben Dutzend Schnäpse noch Auto fahren.