GroßbritannienJohnsons Regierung verteilt Milliardengeschenke zur Ablenkung von Corona-Partys

Großbritannien / Johnsons Regierung verteilt Milliardengeschenke zur Ablenkung von Corona-Partys
Das Foto aus dem Bericht zeigt Johnson am 19. Juni 2020 in der Downing Street sehr uneingeschränkt in Zeiten der Corona-Einschränkungen Foto: dpa/Sue Gray Report/Cabinet Office

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Einen „Katalog der Kriminalität“ nennt die Opposition den Untersuchungsbericht zum „Partygate“-Skandal. Johnson lehnt einen Rücktritt ab – und Finanzminister Sunak entlastet Konsumenten mit Milliardengeschenken.

Mit einem massiven Hilfspaket für geplagte Energiekonsumenten hat Boris Johnsons konservative Regierung am Donnerstag versucht, die britische Öffentlichkeit von den verheerenden Lockdown-Partys in der Downing Street abzulenken. Für die Zustände am Regierungssitz übernehme er „die volle Verantwortung“, hatte der Premierminister am Mittwoch dem Unterhaus mitgeteilt, Rücktrittsforderungen jedoch zurückgewiesen. Drei Abgeordnete der Regierungsfraktion entzogen dem Chef das Vertrauen. „Er hat wissentlich das Parlament getäuscht“, gab John Baron zur Begründung an.

Angesichts teilweise verdoppelter Kosten für Strom und Heizung kündigte Finanzminister Rishi Sunak jedem Haushalt auf der Insel eine einmalige Energiezulage von umgerechnet 470 Euro an. Finanzschwache und Pensionisten erhalten zusätzliche Erleichterungen. Finanzieren will Sunak das insgesamt rund 17,6 Milliarden Euro teure Paket durch zusätzliche Schulden sowie eine Sondersteuer auf die zuletzt gigantischen Milliardengewinne von Energie-Unternehmen wie BP und Shell. Diese Maßnahme hat die Labour-Opposition seit Monaten gefordert, Sunak wies den Plan noch zu Wochenbeginn als inflationstreibend zurück. Die britische Teuerungsrate lag zuletzt bei neun Prozent. „Die Konservativen brauchten eine neue Schlagzeile“, höhnte Labours Finanzsprecherin Rachel Reeves.

Büros voller Partymüll

Tatsächlich hatten die Londoner Zeitungen zuvor schlimme Details der systematischen Rechtsbrüche in der Downing Street aufgeblättert, wie sie der Bericht von Spitzenbeamtin Sue Gray aufblätterte: Alkohol-Gelage bis tief in die Nacht, mit Partymüll übersäte Büros, offener Hohn für Sicherheitsbeamte und Putzpersonal. Die Vorwürfe, geschürt von Johnsons einstigem Chefberater Dominic Cummings, beschäftigen die Briten seit sechs Monaten und haben zu einem massiven Ansehensverlust des Brexit-Populisten geführt. Noch in den letzten Tagen vor der Veröffentlichung von Grays 60-seitigem Bericht unternahm Johnson offenbar den Versuch, die Staatssekretärin im Kabinettsbüro zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Das ist ein Katalog von Kriminalität

Oppositionsführer Keir Starmer

Gray spricht von einem „Versagen von Führungsqualität und Urteilsvermögen“ in der Downing Street, wo die Stabsstelle des Premierministers und das Kabinettsbüro zur Koordinierung der Regierungsarbeit beheimatet sind. Viele der insgesamt 16 untersuchten Events hätten nicht stattfinden dürfen. Die Staatssekretärin weist zudem darauf hin, dass sich jüngere Mitarbeiterinnen in Sicherheit wiegten, weil das Führungspersonal, angefangen beim Premier selbst, an den Partys teilnahm. Für die von Rechtsverstößen gekennzeichnete Atmosphäre müssten sowohl Politiker und Spitzenbeamte die Verantwortung übernehmen.

Einer separaten Untersuchung der Kriminalpolizei zufolge haben 83 Menschen gegen Corona-Vorschriften und damit gegen geltendes Recht verstoßen. Zu all jenen, die Geldstrafen, im Normalfall 50 Pfund, bezahlen mussten, zählte außer Johnson selbst auch dessen Frau Carrie sowie der Finanzminister Rishi Sunak. Beide hatten im Juni 2020 an einer Geburtstagsparty für den Premier teilgenommen.

Putzpersonal verhöhnt

Johnson gab sich in einer kurzen Stellungnahme im Unterhaus „demütig“ und betonte, er habe an mehreren der Events nur für einige Minuten teilgenommen, um scheidenden Mitarbeitern zu danken und Erfolg zu wünschen. „Was danach geschah, entzog sich meiner Kenntnis. Ich war überrascht und enttäuscht, zum Teil entsetzt über das Benehmen.“ Ausdrücklich entschuldigte sich der Premierminister bei Putzleuten und Sicherheitsbeamten, deren Arbeit einige der Feiernden behindert oder sogar offen verhöhnt hatten. Zu Hilfe kam dem Partypremier Grays Zugeständnis, dass sich seit ihrem Zwischenbericht Ende Januar manches in der Downing Street verändert hat. Johnson tauschte den Spitzenbeamten in Nummer zehn sowie seinen Büroleiter aus, zudem gibt es jetzt klarere Richtlinien und Beschwerdeinstanzen.

Oppositionsführer Keir Starmer sprach von einem „Katalog von Kriminalität“, für den Johnson verantwortlich sei. Der Premier handle nicht „verantwortungslos, ehrlich und im Interesse des Landes“, wie es die Briten vom Bewohner der Downing Street erwarten. „Sie können nicht Gesetzesmacher und Gesetzesbrecher sein. Es ist Zeit, die Taschen zu packen.“ Diese und ähnliche Rücktrittsforderungen anderer Oppositionsparteien wies Johnson knapp zurück.

Grays Zwischenbericht war Ende Januar durch die Nachricht in den Schatten geraten, dass damals nach wochenlanger Weigerung plötzlich auch die Kriminalpolizei Ermittlungen aufgenommen hatte. Scotland Yard kam dem Premierminister auch diesmal zu Hilfe: Die Behörde beendete vergangene Woche ihre Untersuchung, ohne der ersten Geldstrafe gegen Johnson weitere Verwarnungen folgen zu lassen. Hingegen mussten Dutzende jüngerer Mitarbeiterinnen in niedrigen Positionen Strafen hinnehmen, teils für mehrere Partys.

Kritiker niedergeschrien

Zusätzlich wirkt sich der politische Zeitplan zu Johnsons Gunsten aus: Am Donnerstag verschwinden die Abgeordneten in die Pfingstferien, die diesmal mit den Feiern zum 70. Thronjubiläum der Queen zusammenfallen. Eine innerparteiliche Attacke auf den Regierungschef wird dadurch extrem unwahrscheinlich, dem Vertrauensentzug des Hinterbänkler-Trios zum Trotz. Die Stimmung in der Parlamentsfraktion verdeutlichte am besten die Wortmeldung des Johnson-Kritikers Tobias Ellwood: Der Chef des Verteidigungsausschusses wurde aus den eigenen Reihen niedergeschrien, als er am Mittwoch seine Kollegen zur Rebellion aufforderte.

Unterdessen gerät Scotland Yard immer mehr ins Zwielicht. Der frühere Polizeidirektor Brian Paddick, mittlerweile liberaldemokratischer Lord im Oberhaus, will seinen Ex-Arbeitgeber mit einer Klage dazu zwingen, das Vorgehen und die Schlussfolgerungen aus dem Ermittlungsverfahren detailliert offenzulegen. Bisher verweigert sich die größte Polizeibehörde des Landes jeglicher Transparenz, zu der auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan mahnt.

Sandra
30. Mai 2022 - 15.45

"Mit einem massiven Hilfspaket für geplagte Energiekonsumenten " Ja, Adelige die geheizte Ställe mit oder ohne dazugehörige Zweit- oder Dritt-Mansion im Corwall besitzen, bekommen £400 extra. Noblesse oblige.