FußballJoël Kitenge, ein Stück „patrimoine national“

Fußball / Joël Kitenge, ein Stück „patrimoine national“
Ein Bild aus dem Jahr 2015, der letzten Saison, in der Joël Kitenge (r.) in der BGL Ligue spielte Archivbild: Gerry Schmit

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Joël Kitenge muss man nicht vorstellen. Der 32-jährige Ex-Nationalstürmer, der sich vor drei Jahren dem Itziger Klub anschloss, blickt auf eine ereignisreiche Karriere zurück. Heute hat er gegen Swift Hesperingen im 1/32-Finale der Coupe de Luxembourg für 90 Minuten (oder mehr) ein Rendezvous mit der Vergangenheit.

31 Spiele und zwei Treffer für die FLF-Auswahl, 38 Tore in 150 BGL-Ligue-Begegnungen: Joël Kitenge prägte den Luxemburger Fußball zwischen 2008 und 2015. Eine schwere Knieverletzung beendete seine Laufbahn in der Nationaldivision abrupt. Der Stürmer nahm Abstand vom runden Leder, eröffnete u.a. ein Restaurant im Norden des Landes. „Irgendwann kehrte die Lust am Fußball dann zurück“, erinnert er sich – weshalb er nach einer kurzen Station in Useldingen einen neuen Anlauf bei der US Rümelingen wagte. „Nach einer Saison habe ich gemerkt, dass ich keine Lust mehr hatte, auf einem höheren Niveau zu spielen.“ Andere Dinge genießen jetzt die Priorität in Kitenges Leben: Freundin, Familie, Arbeit und der Hausbau. Fußball in Itzig ist reine Nebenbeschäftigung, aber nach wie vor „mit der nötigen Seriosität“.

Der 32-Jährige hatte als Jugendlicher aber andere Ziele. 2006 wechselte er vom CS Oberkorn nach Villefranche (F). Sechs Monate später unterschrieb er in Emmendingen (D), bevor ihn der Weg zum FC Lienden (3. Liga) in die Niederlande führte. Das Auslandsabenteuer endete mit der späteren Rückkehr in Richtung Escher Galgenberg. „Klar hätte die internationale Karriere länger dauern können. Mein Pech war, dass ich nicht aus einer Struktur kam, die mir das Leben vereinfacht hätte. Ich war auf mich alleine gestellt und vertraute einem schlechten Manager, der alles kaputt gemacht hat. Ja, ich habe Dummheiten gemacht. Aber im Leben muss man Fehler machen dürfen. Das bedeutet nicht, dass ich irgendetwas bereue.“ Was er genau mit der letzten Aussage meint: „Ich habe andere Erfahrungen im Leben gemacht. Wäre ich glücklich gewesen, als Profi ständig unter eine Lupe zu sein? Ich weiß es nicht.“

Dass er dieses Bild vom Profibereich hat, geht auch auf die enge Freundschaft mit Barça-Superstar Miralem Pjanic zurück. Beide wuchsen gemeinsam in Schifflingen auf, kennen sich in- und auswendig. „Er könnte tausend Leute anrufen, wenn er zu Hause ist. Aber stattdessen fragt er mich, ob wir essen gehen können.“ Und genau dort wird es dann kompliziert. „Entweder wir müssen uns verstecken, oder aber es stehen permanent Leute am Tisch, die irgendetwas wollen. Das gehört zwar bei seinem Gehalt irgendwie dazu, aber es ist wirklich anstrengend.“

Das Herz am richtigen Fleck

Sein Alltag spielt sich nicht auf Champions-League-Ebene ab, sondern im Hesperinger Park. Der Gemeindearbeiter hat sich in Howald niedergelassen und ist in der Gegend beliebt und bekannt. Obwohl Swift-Präsident Fernand Laroche mehrmals an den Angreifer herantrat, entschied sich Kitenge 2018 für ein neues Abenteuer in Itzig. „Sie hatten damals bereits die Ambitionen, aufzusteigen. Das war nicht mein Plan. Ich will damit etwas zurückgeben und einem kleinen Klub helfen. Klar geht es um Spaß, aber es erfordert auch Einsatz.“ Dreimal die Woche trainiert der Aufsteiger, der nach acht Spieltagen selbst von seiner Leaderposition in der 1. Division (2. Bezirk) überrascht ist. Der neue Itziger Präsident Bob Scholer hat nur lobende Worte für den Luxemburger übrig. „Jeder Mensch, der irgendwie etwas mit dem Luxemburger Fußball oder Nachtleben zu tun hat, kennt ihn. Er ist ein Stück ’patrimoine national’ und hat das Herz am rechten Fleck.“ 

Das wird deutlich, als er mehr als nur respektvoll vom neuen Swift-Trainer spricht, mit dem er in seiner Zeit beim F91 den einzigen Meistertitel der Karriere feierte. „Ein lustiger Kerl, der manchmal die Familie vergisst, wenn es um Fußball geht.“ Auch zu Ex-Coach Jeff Strasser pflegte er ein gutes Verhältnis. Trotzdem haben sich die damaligen Vereinskollegen aus den Augen verloren. Tom Schnell, Jerry Prempeh oder Jonathan Joubert sind nur drei der damaligen F91-Stützen, gegen die er heute Abend den Weg ins Tor suchen wird. „Viele denken wahrscheinlich, dass ich es nicht mehr draufhabe. Ich bin vielleicht etwas langsamer und in die Breite gegangen, aber ich kann noch immer ein sehr nerviger Gegenspieler sein.“

Heute hat Kitenge nämlich eine neue Rolle übernommen, als Zehner, „da ich zwar gut verteile, aber nicht mehr der Schnellste bin“. Gegen die alten Mannschaftskollegen hat der ehemalige Stürmer auch persönliche Ziele. Die positive Nervosität, wie er sie aus alten Tagen kennt, ist bereits aufgetreten. „Das Ganze wird mich an alte Zeiten erinnern. Wir wollen uns gut verkaufen und ich selbst will mich nicht lächerlich machen.“ 

Das Programm

Coupe de Luxembourg, 1/32-Finale:
Heute um 20.00 Uhr:
Swift Hesperingen (ND) – Itzig (1.)
Am Samstag:
17.00: Pratzerthal/Redingen (2.) – Fola (ND)
17.30: Koerich (2.) – Bissen (EP)
18.00: Gilsdorf (2.) – Etzella (ND)
18.00: CeBra (1.) – Strassen (ND)
19.00: Ehleringen (2.) – Berburg (EP)
19.00: Feulen (1.) – Hostert (ND)
20.00: Diekirch (1.) – Mondorf (ND)
Am Sonntag um 16.00 Uhr:
Echternach (1.) – Mertert/Wasserbillig (EP) (15.00)
Mertzig (1.) – F91 (ND)
Schengen (2.) – Déifferdeng 03 (ND)
FF Norden 02 (1.) – RM Hamm B. (ND)
Jeunesse (ND) – Nörtzingen (2.)
CS Oberkorn (1.) – US Esch (EP)
Schieren (1.) – UT Petingen (ND)
Ulflingen (3.) – RFCUL (ND)
Wilwerwiltz (3.) – Rümelingen (EP)
Kayl/Tetingen (1.) – Weiler (EP)
Münsbach (2.) – Steinsel (EP)
Lorentzweiler (1.) – Mersch (EP)
Mensdorf (1.) – Mamer (EP)
Kehlen (1.) – Niederkorn (ND)
AS Luxemburg-Porto (2.) – Rosport (ND)
Pfaffenthal/Weimerskirch (1.) – Medernach (EP)
Steinfort (1.) – Junglinster (EP)
Erpeldingen (1.) – Schifflingen (EP)
Beggen (1.) – Monnerich (EP)
Fels (3.) – Canach (EP)
Wintger (2.) – Rodange (ND)
Grevenmacher (1.) – UN Käerjeng (EP)
Harlingen/Tarchamps (2.) – Wiltz (ND)
Sanem (1.) – Bettemburg (EP) (18.00)

Itzig, das Ausbildungszentrum von nebenan

Mit Ian Rust, Bob Hoffmann und Anes Gruhonjic wechselten im Sommer drei Nachwuchsspieler des Swift Hesperingen zum Nachbarn Itzig. Im Kader des Erstdivisionärs stehen derzeit vier Kicker, die dem Verein aus der BGL Ligue gehören – und unter Itzig-Trainer Paulo Moura Spielpraxis sammeln sollen. „Unsere Schiene lautet, Jugendspieler aufzubauen, damit sie einen Platz in unserer ersten Mannschaft finden“, erklärte Itzig-Präsident Bob Scholer. Die enge Zusammenarbeit mit dem großen Nachbarn „ist kein Projekt, sondern eher eine Opportunität“. Drei Nachwuchsspieler des F91 und aus Strassen gehören ebenso zum erweiterten Kader. „Das ist unsere Vision: junge Spieler, denen wir ein paar erfahrene Akteure zur Seite stellen. Wir sehen uns als Ausbildungsklub. Mittlerweile ist die Zahl unserer Jugendspieler von 100 auf 220 gestiegen.“

Geteilte Einnahmen

Der erste Gedanken von Itzig-Präsident Bob Scholer sei „Aua“ gewesen, als er von der Auslosung der Pokalspiele gehört habe. „Natürlich darf man immer auf eine Pokalüberraschung hoffen, aber aufgrund ihres Kaders sind sie uns eindeutig überlegen. Sie hatten einen guten Coach. Dass der jetzt nicht mehr da ist, wird der Mannschaft wohl noch einen Schub geben, da sie sich jetzt alle zeigen wollen.“
So ganz unerfahren sind die Itziger in der Coupe de Luxembourg aber nicht. Der damalige Zweitdivisionär hatte Déifferdeng 03 im vergangenen Jahr an den Rand der Verzweiflung gebracht und erst in der Nachspielzeit das entscheidende Gegentor kassiert. „Es wird sicherlich ein sehr schönes Event für unsere Gemeinde werden. Wir sind als kleiner Klub dankbar, dass wir auf dem Holleschberg antreten dürfen.“ Das war nämlich zunächst nicht vorgesehen. Der Underdog verzichtet allerdings auf sein Heimrecht, da der Ausbau der Tribüne im eigenen Haus noch nicht abgeschlossen ist. Stattdessen werden rund 35 Itziger Freiwillige in der fremden Spielstätte im Einsatz sein: „Wir haben uns mit Fernand Laroche (Swift-Präsident) darauf geeinigt, dass wir die Einnahmen der Eintrittskarten sowie der Getränke behalten und der Swift dafür das Geld von den Grillständen bekommt.“