Kopf des TagesJessie Thill ist ab 2022 das neueste Gesicht von „déi gréng“ in der Chamber

Kopf des Tages / Jessie Thill ist ab 2022 das neueste Gesicht von „déi gréng“ in der Chamber
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Jessie Thill ist ab 2022 das neueste Gesicht von „déi gréng“ in der Chamber

Jessie Thill steht in den Startlöchern. Ab 2022 zieht die 25-Jährige aus Walferdingen in die Chamber ein – und hat vor allem eines im Blick: den Kampf gegen den Klimawandel. „Wenn wir es schaffen, die kritische Grenze von 1,5 Grad Celsius einzuhalten, haben wir alle gut gearbeitet. Dann habe ich mein Ziel in der Politik erreicht“, sagt Thill im Tageblatt-Interview am Dienstag. 

Thills bisheriger Werdegang ist geprägt von ihrem politischen Engagement und ihrem Interesse an der Umwelt. „Schon als Kind wollte ich die Welt retten“, verrät sie. „Als Jugendliche war ich dann weniger naiv, doch ich wollte immer noch etwas verändern.“ Das „Walferdinger Mädchen“ wird ins Schulkomitee gewählt, macht beim Jugendparlament mit, setzt sich bei der Jugend des Roten Kreuzes ein. 2015 wird sie in der Kategorie „Young Women in Public Affairs“ vom „Zonta Club Luxembourg“ für ihr politisches und soziales Engagement ausgezeichnet.  

Im selben Jahr beginnt sie in Straßburg zu studieren und setzt sich ein ambitioniertes Ziel: Sie will zwei Bachelor-Studiengänge absolvieren, in Physik und Geowissenschaften. Ihre Multitasking-Fähigkeit stellt sie ab 2017 unter Beweis: Sie wird Mitglied der grünen Partei und schafft bei den Gemeindewahlen den Sprung in den Walferdinger Gemeinderat. Sie erhält 593 Stimmen – ebenso viel wie ihre Parteikollegin Danielle Van Acker. Ihr politisches Amt übt sie neben ihren Studien aus. Die Entscheidung, sich politisch intensiver zu engagieren, führt Thill unter anderem auch auf ihr Studium zurück. „Viele in der Wissenschaft warnen schon seit 30, 40 Jahren vor dem Klimawandel und oft fiel der Satz: ’Da braucht es politische Entscheidungen.’ Wenn ich also etwas verändern möchte, muss ich das über die Politik erreichen“, sagt Thill.

2018 wechselt Thill an die Uni in Paris und beginnt dort ihr Masterstudium. Das Studienfach: Umweltphysik. Gleichzeitig startet sie auf nationaler Ebene durch. Bei den Nationalwahlen steht sie auf der Liste von „déi gréng“ und ist die Siebtgewählte mit 8.428 Stimmen. Vor ihr liegen Carlo Back und Djuna Bernard, die für Sam Tanson und François Bausch nachrücken, als diese Regierungsmandate annehmen. 2019 wird Thill Co-Sprecherin bei „déi jonk gréng“ und fährt im selben Jahr den politischen „Hattrick“ ein: Sie steht auch auf der Liste von „déi gréng“ bei den Europawahlen. Thill wird die Viertgewählte der Partei und sammelt mehr Stimmen als Christian Kmiotek und Martin Kox.

2020 wird Thill im Februar als Sprecherin der Jugendpartei bestätigt – und rückt wenig später in der Gemeindepolitik auf. Sie ersetzt im Oktober des Pandemiejahres ihre Parteikollegin Van Acker als Schöffin, mit nur 24 Jahren. „Damit gehört sie zu den jüngsten Schöffinnen Luxemburgs“, sagt die Fraktionsvorsitzende Josée Lorsché gegenüber dem Tageblatt. 

Mit der Entscheidung Backs, sich von der politischen Bühne weitestgehend zu verabschieden, rückt Thill nun 2022 in die Chamber nach. „Das kam etwas überraschend“, sagt Thill selbst, es wirkt aber wie ein durchaus erwartbarer Schritt. Back selbst scheint zufrieden mit seiner Nachfolge: „Sie ist jung, engagiert und wird eine gute Arbeit machen.“ Anlernen will er Thill nicht: „Sie weiß, was sie tut.“

Ob Thill auch Backs politische Dossiers übernehmen wird, sei noch nicht abschließend geklärt, bestätigt auch Lorsché. Nur eines ist sicher: Die Partei wird auf Thills Erfahrung beim Thema Umwelt setzen. „Sie bringt schon allein durch ihr Studium viele Kompetenzen mit“, sagt Lorsché. Die Partei sei mit Leuten wie François Benoy und Stéphanie Empain zwar gut aufgestellt, doch Thill würde die Mannschaft verstärken. Außerdem schätze man ihre direkte Art. „Sie scheut sich nicht, für ihre Ideen einzustehen und ihren Parteikollegen deutlich ihre Meinung zu sagen“, sagt Lorsché gegenüber dem Tageblatt.

Thill selbst will Akzente bei den Themen setzen, die „ihre Generation bewegen“: Wohnungsbau, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Biodiversität, soziale Gerechtigkeit. In der künftigen Abgeordneten könnten Organisationen wie „Youth for Climate“ eine Verbündete finden. Die politischen Vorschläge, die sie bei der Jugendpartei mit ausgearbeitet hat, hat sie auf jeden Fall im Gepäck. Ein Beispiel: die im Koalitionsplan vorgesehene Steuerreform. „Die ist noch nicht vom Tisch“, betont Thill. Doch eine echte Revoluzzerin für die Partei ist Thill nicht. Auf die großen politischen Debatten angesprochen, vertritt sie in der Regel die Parteilinie. Nur beim Thema „Militär“ gerät Thill beim Gespräch am Dienstag kurz aus dem Gleichgewicht. Auf die Frage, ob eine Entsendung der luxemburgischen Soldaten nach Mosambik, die unter Minister Bausch beschlossen wurde, im Einklang mit der Philosophie der grünen Partei sei, hat Thill erst keine Antwort, wiederholt dann Bauschs Position und muss schließlich zugeben, noch nicht im Dossier eingearbeitet zu sein.

Aus der Gemeindepolitik in Walferdingen wird Thill auf jeden Fall nicht verschwinden. Ihr Mandat als Schöffin will sie auch 2021 weiterführen – kein Bruch mit Luxemburgs umstrittener Tradition der Doppelmandate also. Doch in ihrer aktuellen Position als „Chargée d’études“ beim Umweltministerium rutscht sie dann 2022 in das „traitement d’attente“ und wird somit Vollzeit-Politikerin. (Jessica Oé)

Francine Louchetter
2. Oktober 2021 - 0.39

Die junge Frau muss als erstes lernen was Fraktionszwang in der Chamber ist.