FR.A.RT (34) / Jennifer Lopes Santos, 1987, Brüssel

Jennifer Lopes Santos ist Künstlerin, Modedesignerin und Tänzerin. Nach ihrem Modestudium in Lüttich hat die pluridisziplinäre Künstlerin Golpada gegründet, ein künstlerisches Projekt, das aus den drei Teilen Kunst, Mode und Objektdesign besteht. Ihre Kleidung, Kunstwerke und Möbel kreiert Lopes aus alten Stoffresten, die sie seit ihrem Studium sammelt. Ihr ist es wichtig, keine neuen Materialien zu verwenden. Nebenbei stellt Lopes zusammen mit der Künstlerin Melissandre Varin das afrofeministische Tanzprojekt Papaya auf die Beine und engagiert sich beim Verein Finkapé, dem Netzwerk für Personen afrikanischen Ursprungs in Luxemburg. Lopes ist als Kind kapverdianischer Eltern in Luxemburg aufgewachsen und lebt und arbeitet heute in Brüssel.
Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.
Multifunktional, sensibel und engagiert.
Warum arbeiten Sie mit Textil?
Ich habe mich immer schon für Textil interessiert – daher habe ich Mode studiert. Doch ich wollte Neues ausprobieren, denn die Modewelt ist nicht meine Welt. Anstatt immer neue Kollektionen zu entwerfen, verarbeite ich für Golpada die Stoffreste, die ich seit meinem Studium sammle. Neuen Stoff würde ich niemals kaufen. Mein Ziel ist es, Kleider zu entwerfen, die jede*r tragen kann, unabhängig von Größe und Morphologie. Dazu soll man die Stücke sowohl einzeln als auch kombiniert tragen können. So passe ich sie an jede Jahreszeit an.
Wofür steht Golpada?
„Golpada“ stammt aus dem Kapverdischen und steht für Zusammensein und Konvivialität. Die Inspiration für die Kleidung, Objekte und Kunstwerke, die ich schaffe, schöpfe ich aus den Kapverden. Es geht um meine Wurzeln und um das Thema der Identitätsfindung, das mich viel beschäftigt hat, denn meine Eltern sind aus den Kapverden nach Luxemburg migriert.
Welcher Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?
Am meisten stören mich die Diskussionen über den Preis der Werke. Das kommt leider oft vor und ist enorm penibel. Als Künstler*in ist es oft ein langwieriger Prozess, bis dass man ein gewisses Selbstbewusstsein aufgebaut hat. Dieses Gefühl von Legitimität wird dadurch gefährdet, dass Menschen den Wert dessen, was man macht, immer wieder infrage stellen.
Wie wichtig ist Ihnen der politische Aspekt der Kunst?
Immer wichtiger. Dass meine Kunst eine politische Richtung nimmt, passiert allerdings eher unbewusst, es ist mein Bedürfnis. Alle Themen, die ich behandle, erlebe ich persönlich. Ich arbeite viel zum Thema kultureller Wiederaneignung und Heilung. Andere Kunstwerke behandeln sehr persönliche Themen, die meistens tabu und dadurch gleichzeitig politisch sind, so wie Depressionen, Fehlgeburten … Es geht mir aber nicht darum, zu schockieren, sondern den Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.
Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?
Es wäre mir wichtig, dass Künstler*innen, besonders die Frauen, sich mehr zusammentun. Eines der Ziele von Finkapé ist es, Künstler*innen afrikanischen Ursprungs in Luxemburg miteinander zu verbinden. Wir stehen vor der Hürde, dass viele von ihnen sich nicht als Künstler*in sehen oder sich nicht legitim fühlen. Auch bei
den Künstler*innen afrikanischen Ursprungs in Luxemburg gibt es mehr Männer als Frauen.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Golpada wird immer mehr Zeit einnehmen, weil ich die drei Aspekte ausbauen will. Erst dieses Jahr habe ich meine erste kleine Kollektion entworfen. Zudem ist es mir wichtig, in Luxemburg verankert zu bleiben – was aber nicht unbedingt heißt, dass ich dort leben will. Ich würde gerne eine stärkere persönliche Verbindung zu den Kapverden aufbauen. Denn obwohl ich das Gefühl habe, in Luxemburg nicht zu hundert Prozent zu Hause zu sein, weil ich nicht ich selbst sein darf, werde ich auch auf den Kapverden als Fremde wahrgenommen.
Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?
Die Schmuckdesignerin Maïté Schmit.
FR.A.RT
Frauen sind in der Kunstwelt nach wie vor unterrepräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, stellt die FR.A.RT-Porträtserie Künstlerinnen vor, die eine Verbindung zu Luxemburg haben. Jedes Porträt besteht aus einem Interview und Fotos. Das Projekt schließt diverse visuelle Kunstgenres sowie etablierte Künstlerinnen und Newcomerinnen ein.
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