Schmerz, Trauer, TabuIwwer Liewensenn an Doud schwätzen: „Omega 90“ will mit dem letzten Lebensabschnitt offen umgehen

Schmerz, Trauer, Tabu / Iwwer Liewensenn an Doud schwätzen: „Omega 90“ will mit dem letzten Lebensabschnitt offen umgehen

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Am Ende des Lebensabends verlässt uns die Kraft. Weitere Tage werden wir nicht mehr erleben, was uns jetzt noch erwartet, ist der Tod. Er gehört zum Leben wie die Geburt, wie all die Jahre, die wir durchlebten, die meisten viele, einige nur wenige. Doch während wir die Geburt eines Menschen als freudiges Ereignis feiern, empfinden wir am Ende nur Schmerz, Trauer und Tabu. Wie sich die Luxemburger Organisation Omega 90 bemüht, offen mit dem letzten Lebensabschnitt umzugehen, wollte Elke Bunge wissen.

Vor einem Dutzend Jahren wurde in Luxemburg das Gesetz über Palliativpflege verabschiedet. Es garantiert Schwerkranken und an ihrem Lebensende stehenden Menschen, dass unter Achtung ihrer Würde ihren physischen, psychischen und spirituellen Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Ärzte sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Menschen, schmerzfrei und ihren Wünschen entsprechend, medizinisch betreut werden. In Hospizeinrichtungen wie dem „Haus Omega“ von Omega 90 wird schwer kranken und sterbenden Menschen in ihrer letzten Lebensphase Behandlung, Pflege, Sicherheit und Geborgenheit zuteil.

Doch wer kümmert sich um die Angehörigen, die mit kommendem Verlust, dem Sterben und Abschiednehmen umgehen und zurechtkommen müssen? Auch hier bietet Omega 90 Hilfe an. Die Vereinigung wurde 1990 mit dem Ziel gegründet, sowohl sterbende Menschen zu begleiten als auch deren Angehörige. Auch Menschen in Trauer gehören zur Zielgruppe. Das „Omega“ – der letzte Buchstabe im griechischen Alphabet – steht dabei für das Lebensende, die 90 markiert das Gründungsdatum der Vereinigung. „Wir sind ein nicht konfessionell gebundener Verein“, erklärt Nicole Weis, Direktorin von Omega 90. „Unser Ziel ist es, Menschen in Würde auf dem letzten Weg ihres Lebens zu begleiten und ebenso, ihren Angehörigen Aufklärung und Hilfe anzubieten, diesen Weg mit zu beschreiten.“ Omega 90 stützt sich dabei auf vier Säulen. Im „Haus Omega“ bietet der Verein Hospizdienste an. Geschultes medizinisches und psychologisches Personal, Ärzte und Pfleger begleiten unheilbar kranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Weg.

Die zweite Säule ist die Weiterbildung auf dem Gebiet der Palliativbetreuung. In Spezialkursen, die je nach Intensität 40, 160 oder auch 250 Unterrichtsstunden dauern können, werden Mediziner, Pflegepersonal, Psychologen, aber auch ehrenamtliche Helfer geschult, mit den Fragen von Palliativmedizin, dem Sterbevorgang als Teil des Lebens, der Trauer von Angehörigen umzugehen und den bedürftigen Menschen Hilfe leisten zu können.

Im Laufe der letzten Jahrhunderte ist das uralte Wissen rund um die Begleitung am Lebensende langsam verloren gegangen. Wir wollen das Urvertrauen der Menschen in einer solchen Situation wieder stärken.

Nicole Weis, Direktorin Omega 90

Die Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen, Trauerberatung (einschließlich rechtlicher Beratung zu Fragen von Patienten- oder Vorsorgeverfügung) ist die dritte Säule im Projekt von Omega 90. Hier engagieren sich zehn spezialisierte Psychologen, um vor allem den begleitenden Personen Hilfe zu leisten, mit den vor ihnen stehenden Problemen umzugehen und sie bewältigen zu können.

„Die vierte Säule sind schließlich unsere über 160 ehrenamtlichen Mitarbeiter, die Schulungskurse organisieren, den Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Gruppen unterhalten und auch Sterbende und Trauernde begleiten“, sagt Nicole Weis nicht ohne Stolz auf ihre Mitarbeiter. Alle diese Freiwilligen haben ebenfalls Weiterbildungskurse besucht, in denen in einem Zeitraum von 160 Stunden Grundlagen der Palliativmedizin, aber auch Fragen der psychologischen Unterstützung und Betreuung vermittelt wurden.

Das Projekt Omega 90 wird vom Ministerium für Familie, Integration und die Großregion gefördert. Zu den engen Kooperationspartnern gehören die Amiperas asbl., Croix-Rouge luxembourgeoise, Doheem Versuergt asbl., Fondation Cancer, Fondation Caritas Luxembourg sowie die Stëftung Hëllef Doheem.

In diesem Workshop von Omega 90 geht es um Infusionspumpen. Die Vereinigung bietet Weiterbildungsmaßnahmen an, auch im Bereich der Palliativversorgung
In diesem Workshop von Omega 90 geht es um Infusionspumpen. Die Vereinigung bietet Weiterbildungsmaßnahmen an, auch im Bereich der Palliativversorgung Foto: Omega 90

„Trilogie für das Lebensende“

„Wir bieten in unserem Rahmen der breiten Bevölkerung Weiterbildungsmaßnahmen an, bei denen alle Fragen angesprochen werden, die sich um unser Lebensende bewegen, wir nennen dies unsere ‚Trilogie für das Lebensende‘. Denn wir alle fühlen uns oft hilflos beim Tod eines Nahestehenden, ob es sich dabei um ein Familienmitglied, einen Freund oder Nachbarn handelt“, erklärt Nicole Weis, „Im Laufe der letzten Jahrhunderte ist das uralte Wissen rund um die Begleitung am Lebensende langsam verloren gegangen. Wir wollen das Urvertrauen der Menschen in einer solchen Situation wieder stärken.“

Drei Module umfasst diese „Trilogie“. Im ersten – in Anlehnung an ähnliche deutsche Projekte „Letzte Hilfe“ genannt – kann man sich mit anderen Betroffenen und Interessierten zu Themen wie Sterben und Tod in Luxemburg austauschen und sich beraten lassen. Im Modul „Letzte Begleitung“ werden Fragen des Umgangs mit todkranken Menschen, mit ihren Gefühlen, ihren Wünschen und Bedürfnissen bis hin zu einfachen praktischen Hilfestellungen behandelt. Schließlich erfahren Interessierte im Themenkomplex „Letzter Wille“ rechtliche Unterstützung zu allen Fragen der Patientenverfügung, einer Vorsorgevollmacht und auch der Nachlassvorsorge.

Ein besonderes Anliegen von Omega 90 ist die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Denn Sterben und Tod sind Fragen, die nicht nur die Älteren und ihre Angehörigen beschäftigen. Auch Kinder und Jugendliche werden mit Tod und Trauer konfrontiert, sei es das Sterben der geliebten Großeltern oder z.B. der Verlust einer/s Klassenkameradin/en. Mit Unterstützung des Ministeriums für Bildung und Erziehung hat Omega 90 eine „Trauerwallis“ entwickelt. Mit diesem Koffer gehen Vertreter des Vereins in Schulen, sprechen mit Lehrern und vor allem auch mit Kindern über Fragen des Sterbens, des Lebensendes. „Wir haben in diesem Koffer Material zum Umgang mit Trauer bei Kindern und Jugendlichen zusammengestellt“, so Nicole Weis. Dazu gehören Fach- und Kinderbücher ebenso wie praktische Anleitungen zu Trauerritualen und Trauermethoden. Mit praktischen Übungen werden Lehrer und Erzieher geschult, Todesnachrichten zu überbringen, Kinder zu trösten. Schließlich sind auch „einfache Dinge“ wie Kerzen, Bilderrahmen oder auch Taschentücher in der „Trauerwallis“ enthalten. „Wir haben eine große Nachfrage nach diesen Koffern und planen gemeinsam mit dem Ministerium, diese Fragen in Unterrichtseinheiten, so in Sozialkunde oder in Biologie, aufzunehmen“, erklärt die Direktorin von Omega 90.

Und macht noch auf ein aktuelles Angebot des Vereins aufmerksam: „Gerade jetzt, in den Zeiten der Corona-Pandemie, war es vielen Menschen nicht möglich, von ihren geliebten Angehörigen Abschied zu nehmen. Wir bieten in der Reihe ‚Nom Doud Äddi soen‘ Hinterbliebenen die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Betroffenen zu trauern.“ In Gruppen zu jeweils acht Menschen können sich Trauernde zusammenfinden, um dieses Angebot von Omega 90 anzunehmen. Um zu sehen, man ist in der Trauer nicht allein. Und das Lebensende ist eben ein Teil unseres Daseins – kein Grund, ein Tabu daraus zu machen.

Hier haben die „Kinder der ,Reebougrupp‘, gemeinsam mit ihrem Elternteil aus der Elterntrauergruppe, Luftballons steigen lassen. Auf diesen hatten sie vorher für ihre/n Verstorbene/n eine kleine Nachricht geschrieben oder gemalt“, schreibt die Vereinigung zu diesem Bild
Hier haben die „Kinder der ,Reebougrupp‘, gemeinsam mit ihrem Elternteil aus der Elterntrauergruppe, Luftballons steigen lassen. Auf diesen hatten sie vorher für ihre/n Verstorbene/n eine kleine Nachricht geschrieben oder gemalt“, schreibt die Vereinigung zu diesem Bild Foto: Omega 90
CESHA
2. November 2021 - 14.58

Begleitung am Lebensende ist für mich nur dann vollständig, wenn man auch den Wunsch des Sterbenden nach aktiver Sterbehilfe akzeptiert.

Miette
1. November 2021 - 21.55

Ich musste/durfte viele liebe Mitmenschen bei ihrem Schritt in eine andere Dimension begleiten. Nicht alle konnten in ihrem Zuhause sterben. Ich bot dem Pflegepersonal dann immer an.... Bitte rufen sie zu jeder Tages-Nachtzeit an, wenn ich kommen soll... Da erfuhr ich dann, viele Angehörige baten darum; in der Nacht nicht gestört zu werden. Traurig aber wahr?

Observer
1. November 2021 - 10.52

Leben ist auch sterben! Sterben ist Raum für neues!Wer an wieder Auferstehung glaubt braucht sich doch wohl keine Sorgen zu machen!

HTK
1. November 2021 - 9.08

" Bevor ich auf die Welt kam war ich eine Ewigkeit tot und ich hatte nie Probleme damit und so wird es nachher wieder sein.Warum sollte ich also Angst vor dem Tod haben?" (M.Twain) Unser Problem ist doch eher das Sterben als der Tod.Letzterer wird dann zum guten Freund wenn das Sterben zu lange dauert. Omega 90 hat Formulare die man ausfüllen sollte bevor es zu spät ist. Gut auch,dass Luxemburg in Sachen Sterbehilfe schon weiter ist als viele andere Länder. In dem Sinne: " Danke Leben.Es war super."

Leila
31. Oktober 2021 - 18.45

Hospiz - eine gute und sehr wichtige Einrichtung! Doch wer hat das Privileg, seine letzten Tage dort zu verbringen? Es sterben schließlich bestimmt täglich mehr todkranke Menschen, als es dort Zimmer gibt. Ich kenne keinen, der im Krankenhaus sterben will, ich auch nicht. Letzte Woche lief der Film "Hippokrates und ich" (Drehbuchautor ein Arzt) auf arte. Der Inhalt hat mich nicht überrascht, weil ich Intensivstationen kenne und dort sollte kein Unheilbarer sein Leben aushauchen müssen