EinschränkungenItaliens rechte Parteien profitieren von Stimmungsverfall wegen Corona

Einschränkungen / Italiens rechte Parteien profitieren von Stimmungsverfall wegen Corona
Restaurantbetreiber und kleine Händler verlangen bei einer Demonstration in Rom mehr Lockerungen Foto: AFP/Alberto Pizzoli

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Anhaltend hohe Infektionszahlen veranlassen die italienische Regierung, die strengen Anti-Covid-Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Doch die weitgehenden Kontaktbeschränkungen und die anhaltende Schließung von Geschäften und Märkten erzeugen Unmut in der Bevölkerung. Laut Umfragen gewinnen die rechten Parteien mit ihren populistischen Lockerungsforderungen in der Wählergunst.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi zeigt sich unnachgiebig: Solange im Lande kein ausreichender Impfschutz gegen das Coronavirus besteht, gebe es keine weiteren Öffnungen. Das Ansteckungsrisiko sei zu hoch, die Infektions- und Sterberaten erlaubten kein Abweichen von den ergriffenen Maßnahmen. Zuletzt wurden in Italien 15.746 Neuinfektionen und 331 Tote im Zusammenhang mit der Covid-19-Erkrankung an einem Tag gezählt. Insgesamt musste Italien 114.254 Todesopfer seit Ausbruch der Krankheit im März 2020 beklagen.

Immerhin ist jetzt nach den Osterferien für 16 Regionen der Status von „rot“ auf „orange“ gewechselt – Schulen werden wieder für die Hälfte der Schüler im Präsenzunterricht geöffnet. Auch etliche Einzelhandelsgeschäfte sowie Friseure und Schönheitssalons dürfen für eine begrenzte Kundschaft wieder ihre Türen öffnen. Geschlossen bleiben nach wie vor Restaurants, Bars und Hotels. Die Tourismusbranche, der schon das Weihnachtsgeschäft und die Wintersaison wegbrachen, sieht sich weiter vor düsteren Zeiten.

In vier Regionen bleibt es bei der Warnstufe „rot“, dazu gehört das Aostatal, Apulien, Kampanien und Sardinien (noch vor wenigen Wochen war die Insel die einzige „weiße“ Zone, auf der das Leben nahezu wie vor der Pandemie vonstattenging). Landesweit bleibt die Ausgangssperre von abends 22 Uhr bis zum kommenden Morgen um 5 Uhr bestehen. Auch in den „orangen“ Zonen sind die Bewegungsräume auf die eigenen Gemeinden beschränkt, Einwohner von Städten und Dörfern unter 5.000 Einwohner dürfen einen Radius von 30 Kilometern nicht überschreiten.

Proteste mehren sich

Gastronomen, Marktbetreiber, Einzelhändler und die in diesen Bereichen Tätigen fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz. Die Zustimmung zu den Maßnahmen der Regierung, die Pandemie einzudämmen, sinkt deutlich. In der vergangenen Woche kam es zwischen Turin und Neapel zu vielfachen Demonstrationen, teilweise wurden Autobahnen blockiert.

Am Wochenende versammelten sich in Rom einige Tausend Mitarbeiter des Gesundheitswesens, um gegen eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus zu demonstrieren. „Wir sind keine No-Vax-Anhänger“, erklärte eine Sprecherin, „aber wir treten für die Freiwilligkeit der Impfung ein.“ Auf Transparenten war zu lesen „Wir sind keine Versuchskaninchen“ und „Erst Helden, dann Abfall“. Letztere Losung mahnte, dass den Mitarbeitern im Gesundheitswesen und in der Pflege keine Lohnerhöhungen oder Zuschläge gezahlt wurden, wie zu Anfang der Pandemie vollmundig versprochen.

Viele Demonstrierende erklärten auch, dass die wirtschaftlichen Hilfen, die die Regierung noch unter Giuseppe Conte zugesagt hatte, die Empfänger gar nicht oder nur sehr verzögert erreichen. Erschwert wird dieser Geldfluss auch durch die bürokratischen Maßnahmen, die die Antragsteller bewältigen müssen: Dem Finanzamt muss schriftlich nachgewiesen werden, dass die Einbußen über 30 Prozent des Vorjahresumsatzes lagen. Da vor allem in der Gastronomie und Hotellerie – um überleben zu können – viele Umsätze „an der Steuer vorbei“ erwirtschaftet werden, fällt den Antragstellern dieser Nachweis häufig schwer.

Wasser auf die Mühlen der Protestierenden ist zudem, dass auch innerhalb der amtierenden Regierung die Meinung über die Maßnahmen auseinandergehen. Sowohl die Vertreter der rechten Parteien als auch Matteo Renzis Italia Viva sprechen sich für mehr Öffnung aus.

Rechte bekommen Zulauf

Die schlechte Stimmung in der Bevölkerung schlägt sich auch in Umfragewerten wieder. Mit Amtsantritt Mitte Februar stand Mario Draghi sehr hoch in der Gunst des Wahlvolkes – 62 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass Draghi Italien aus der Krise führen könnte.

Zwar rangiert der frühere EZB-Chef immer noch an erster Stelle, doch sind seine Sympathiewerte auf 55,4 Prozent gesunken. Bereits an zweiter Stelle steht die Führerin der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI), Giorgia Meloni, mit 40,2 Prozent. Sie hat den bisherigen Zweiten, Draghis Vorgänger Giuseppe Conte, abgelöst, der mit 36,2 Prozent immer noch beachtlichen Zuspruch erhält. Auf dem vierten Rang folgt Matteo Salvini, der Lega-Chef erreicht 33 Prozent und bleibt damit in den Umfragen stabil. Matteo Renzi, der einstige Pd-Star und letztlich Zerstörer der Conte-Regierung, liegt abgeschlagen bei 10,7 Prozent. Deutlich vor ihm liegen der neue Chef der Demokraten, Enrico Letta (28,7 Prozent) und Alt-Premier Silvio Berlusconi (27,7 Prozent).

Dass sich die führenden Rechtspolitiker auf ein positives Echo in der Bevölkerung stützen können, spiegelt sich auch in der Zustimmung der von ihnen vertretenden Parteien wider. Stärkste Partei ist nach den aktuellen Umfragen trotz leichter Rückgänge Salvinis Lega mit 22,6 Prozent. Ihr folgt der Partito democratico mit 18,8 Prozent. Doch noch vor der Bewegung 5 Sterne (M5S), die bislang die größte Parlamentsfraktion stellt, rangieren die Fratelli d’Italia mit 17,7 Prozent – die Grillini folgen mit 17,4 Prozent. Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) könnte über 6,5 Prozent verfügen.

Käme es jetzt zu Neuwahlen, könnte eine Koalition von Lega, FdI und FI 46,8 Prozent der Stimmen erlangen. Nach dem bislang geltenden Wahlrecht erhielte das Bündnis – da es über 40 Prozent der Stimmanteile verfügte – noch einen Mandatsbonus, der zu einer gesicherten Parlamentsmehrheit führte. So könnte das lang ersehnte Ziel Salvinis, den Chefsessel im Palazzo Chigi zu besetzen, doch noch in Erfüllung gehen. Dem durch Volkes Unmut wachsenden rechten Zulauf haben die Mitte-Links-Parteien derzeit nichts entgegenzusetzen – es sei denn, die Maßnahmen Draghis zur Pandemieeindämmung fruchten letztendlich doch und das Leben in Italien kann sich wieder normalisieren.