Vor ParlamentswahlenItaliens Linke versucht, sich zu finden

Vor Parlamentswahlen / Italiens Linke versucht, sich zu finden
Der ehemalige italienische Premierminister und derzeitige Chef der Demokratischen Partei, Enrico Letta, sucht nach Partnern für ein Wahlbündnis Foto: Eric Piermont/AFP/dpa

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Während strahlende Führungskräfte der rechten Parteien schon an Details ihres künftigen Regierungsprogramms feilen, versuchen die angeschlagenen Mitte-links-Kräfte, sich überhaupt erst einmal zu organisieren. Widersprüche gibt es reichlich, Einigungen zu erzielen ist fast unmöglich.

Die Umfragen italienischer Meinungsforschungsinstitute sind sich bis auf Kommastellen einig: Die führenden politischen Kräfte im Land werden derzeit von Mitte bis ganz rechts außen gestellt. Das Wahlbündnis aus der gemäßigten Forza Italia (FI), der rechten Lega sowie den ultrarechten Fratelli d’Italia (FdI) scheint fast nicht zu schlagen zu sein. Schon sieht sich Giorgia Meloni von der postfaschistischen FdI auf dem Sessel des Regierungschefs, während Matteo Salvini als Innenminister gern ins Viminale zurückkehren möchte. Und Silvio Berlusconi hofft als Königsmacher kurz vor seinem 86. Geburtstag, Präsident des Senats zu werden.

Doch zuvor haben die Wähler das Wort bzw. den Abstimmungszettel in der Hand. Und die Mitte-links-Kräfte versuchen nun alles, um den in ihren Augen drohenden Albtraum abzuwenden.

Leichter gesagt als getan. Zwar kann der sozialdemokratisch ausgerichtete Partito Democratico (PD) sich mit etwa 23 Prozent nach den Umfragen gleichauf mit den Postfaschisten wähnen. Doch allein wird die Partei keine Parlamentsmehrheit und somit auch keine Regierung bilden können. Dringend werden daher in diesen Tagen Bündnispartner gesucht. Dass der frühere Premier und heutige Parteichef Enrico Letta dabei vom linken Rand bis in die bürgerliche Mitte fischt, scheint dabei nicht sehr hilfreich zu sein.

Der bisherige große Bündnispartner, der populistische Movimento 5 Stelle (M5S) des Satirikers Beppe Grillo, hat mit seinem spektakulären Verlassen der Draghi-Regierung selbst den letzten Stein des nun unvermeidlichen Untergangs ins Rollen gebracht. Auf die mehr als 30 Prozent Wählergunst, auf die die Protestbewegung noch 2018 bauen konnte, folgten nunmehr von Wahlgang zu Wahlgang nur noch Verluste. Nicht nur, dass die spektakulären Bürgermeisterposten von Rom und Turin verloren waren, auch in kleineren Kommunen sah das Wahlvolk seine Interessen nicht mehr von den „Grillini“ vertreten.

Prozentpunkte sammeln

Und der Rückzug der Pentastellati aus der Regierungskoalition Mario Draghis brachte nun den fast unvermeidlichen Bruch zum PD. Woher also soll Letta die benötigten Prozentpunkte nehmen? Dem praktizierenden Katholiken, der seinen politischen Werdegang noch in der 1992 untergegangenen Democrazia Cristiana begann, schwebt eine Neuauflage des Wahlbündnisses „l’Ulivo“, das Mitte der Neunzigerjahre die erste Regierung Berlusconi ablöste, vor. Letta, der eher zum konservativen Flügel des PD gerechnet werden muss, will ein Bündnis aufstellen, in dem sich sowohl die abtrünnigen FI-Politiker Mara Carfagna und Renato Brunetta als auch der Grüne Angelo Bonelli sowie der Linke Nicola Fratoianni wiederfinden können.

Während PD den Mitte-konservativen Kreisen ein sicheres Verbleiben in der NATO und bei den Solidaritätsvereinbarungen mit der Ukraine zusagt, bietet Letta den Grünen und den Linken sowohl ein ökologisches Programm, das sich auf den Ausbau erneuerbarer Energien und umweltbewussten Wirtschaftens stützt, sowie eine sozialverträgliche Politik an, die vor allem den Schwachen in der Gesellschaft Hilfe beim Bewältigen der aktuellen Krisen anbietet. Beide potenzielle Bündnispartner ihrerseits sondieren jedoch noch, wie sich solche Versprechen mit den Interessen weiterer „Koalitionäre“ verträgt. Anfang der kommenden Woche wollen sich Grüne und Linke äußern, ob sie ein Wahlbündnis mit den Sozialdemokraten eingehen werden.

Derweil mangelt es nicht an Vorwürfen anderer potenzieller Bündniskandidaten. Carlo Calenda, der mit seiner liberalen Bewegung „Azione“ gemeinsam mit Emma Boninos „+Europa“ sechs Prozent der Wähler binden könnte, lehnt jedoch ein Zusammengehen mit M5S sowie mit Grünen und Linken deutlich ab.

Verhandelt wird seitens PD nun noch mit dem neuen Bündnis „Impegno Civico“ des Noch-Außenministers Luigi Di Maio und des Zentrumspolitikers Bruno Tabacci (nach Umfragen bei einem Prozent) sowie mit „Italia Viva“ Matteo Renzis, der jedoch auch nicht mehr als zwei Prozent der Wähler begeistern kann.

Zeichen stehen immer noch auf rechts

Selbst wenn die am gestrigen Freitag veröffentlichte Umfrage die demokratische Partei Lettas mit 24,5 Prozent um zwei Zehntel vor Melonis FdI sieht, kann ein breites Mitte-links-Bündnis noch lange nicht frohlocken. Derzeit stehen die Zeichen auf „rechts“: Ein Wahlbündnis aus FdI, Lega und FI könnte 44,2 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen.

Alle angesprochenen und jetzt möglichen Bündnispartner von Enrico Lettas PD kämen hingegen nur auf 35,6 Prozent. Nur wenn es gelingt, alle Animositäten beiseitezuschieben und doch noch ein breiteres Bündnis, in dem auch M5S eingebunden ist, auf die Beine zu stellen, könnte eine solche Mitte-links-Koalition es nach derzeitigen Prognosen auf 47,2 Prozent und damit zu einem Wahlsieg bringen. Die kommenden Wochen werden in Italien spannend bleiben und Europa wird mit großer Aufmerksamkeit nach Rom blicken.