Dienstag9. Dezember 2025

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„Atelier MuGi.lu“Interview: Wie sich die Forschung zu Gender und Musik in Luxemburg weiterentwickelt

„Atelier MuGi.lu“ / Interview: Wie sich die Forschung zu Gender und Musik in Luxemburg weiterentwickelt
Stecken hinter der Plattform „Musik an Gender zu Lëtzebuerg“: die Historikerinnen Danielle Roster (l.) und Sonja Kmec (r.) Foto: Jos Scheeck

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Mehr Sichtbarkeit für Frauen, die Musikgeschichte schreiben: Das Ziel verfolgt die Forschungsgruppe „Musik an Gender zu Lëtzebuerg“ (MuGi.lu) – und das seit 2024 auch mit einer Serie im Tageblatt. Jetzt geht diese in die zweite Runde. Was erwartet unsere Leser? Die Historikerinnen Sonja Kmec und Danielle Roster verraten es im Interview.

Tageblatt: Sonja Kmec und Danielle Roster, unser letztes Gespräch fand im August 2024 statt, zu Beginn unserer Zusammenarbeit. Damals standen bei Ihnen die Teilnahme an der Abschlusskonferenz des Projekts „Voices of Women“ an der Universität Stavanger in Norwegen sowie ein Projekt mit der University of Birmingham bevor. Was wurde daraus?

Danielle Roster: Die Teilnahme an der Abschlusskonferenz in Norwegen war eine unwahrscheinlich schöne Erfahrung. Das Projekt „Voices of Women“ wird von drei Musikhochschulen getragen, sodass viele Studierende dabei waren. Im Rahmen der Tagung entstand eine Liste mit Empfehlungen, um das Repertoire der Musikhochschulen um Stücke von Frauen zu erweitern. Die Veranstaltung bot eine Mischung aus musikwissenschaftlichen Gesprächen, Master Classes und Konzerten, bei denen unter anderem Werke von Lou Koster gespielt wurden.

Was erfuhren die Menschen in Norwegen noch über Musik aus Luxemburg?

D.R.: Wir erklärten die Entstehung von MuGi.lu und präsentierten unsere Art der Musikvermittlung in einem Konzert-Vortrag. Das Format bringt unsere Arbeitsweise gut zum Ausdruck, da es eins unserer Ziele ist, Partituren wieder spielbar zu machen und diese aufzuführen. Im Rahmen des Vortrags zeigten wir zudem Sequenzen aus „Im Dialog mit Helen Buchholtz“ von Anne Schiltz; abends lief ihr Film „Itinérances“ über die zeitgenössische Komponistin Tatsiana Zelianko. Die Teilnehmenden waren besonders begeistert davon, dass wir eine Brücke zur Gegenwart schlagen.

Sonja Kmec: Die Veranstaltung war ein voller Erfolg, aus dem Vorhaben mit der University of Birmingham wurde hingegen leider nichts.

Woran scheiterte es?

S.K.: Unser Antrag auf Fördermittel für ein bilaterales Projekt wurde von der „funding agency“ UKRI-AHRC abgelehnt. Doch es ergab sich zwischenzeitlich eine Zusammenarbeit mit der Stadt Luxemburg, für die wir auf die Expertise unserer Kontakte aus Birmingham zurückgreifen können.

Was dieses Bild – „Marie-Anne Weber au violon“ von Théo van Rysselberghe (Öl auf Leinwand, 1903, Privatsammung) – mit der Serie „Atelier MuGi.lu“ zu tun hat, erfahren Sie bald
Was dieses Bild – „Marie-Anne Weber au violon“ von Théo van Rysselberghe (Öl auf Leinwand, 1903, Privatsammung) – mit der Serie „Atelier MuGi.lu“ zu tun hat, erfahren Sie bald Quelle: wikiart.org

Um was geht es?

S.K.: Wir führen seit Februar 2025 das dreijährige Projekt „Klangbilder der Stadt Luxemburg. Musikbezogenes Handeln und Geschlechterbeziehungen“ durch. Ein Schwerpunkt sind Frauen und Musik zur NS-Zeit in Luxemburg.

D.R.: Dabei geht der Untertitel auf MUGI (Musikvermittlung und Genderforschung im Internet) aus Deutschland zurück. MUGI erkannte früh: Komponieren ist eng mit anderen Aspekten der Musikbranche verknüpft, wie etwa dem Mäzenatentum oder den Musikschulen. Für das besagte Projekt weiten wir unsere Recherchen ebenfalls aus und beleuchten die verschiedensten Berufe und Räume, in denen Frauen mit Musik in Berührung kamen oder sie selbst darboten.

Das Interesse an MuGi.lu wächst.

S.K.: Ja, es ist inzwischen genau die Dynamik entstanden, die wir uns seit den Anfängen von MuGi.lu im Jahr 2016 wünschten: Immer mehr Forscher*innen kommen mit neuen Archivquellen und Themenvorschlägen auf uns zu. So hat sich beispielsweise die Historikerin Laura Steil an uns gewandt, die momentan zu Tanzmusik und -bällen in der Zwischenkriegszeit in Luxemburg forscht.

D.R.: Im gleichen Atemzug können wir Julia Harnoncourt erwähnen. Sie befasst sich derzeit mit dem Archiv der Fremdenpolizei. Sie ist dabei auf viele Tänzerinnen und Tänzer sowie Musikschaffende gestoßen, die aus dem Ausland nach Luxemburg kamen und in den 1920er-, 1930er-Jahren in den Dancings auftraten. Es ist eine Bereicherung, weil das zeigt: Das Musik- und Tanzgeschehen in Luxemburg war damals schon multikulturell.

S.K.: Sehr spannend ist auch die Masterarbeit von Kenza Kiwy.

Worüber schreibt sie?

S.K.: Über Marianne Delacre-Weber, eine luxemburgische Sängerin und Musikerin, die im Ausland erfolgreich war. Sie lebte im Ersten Weltkrieg in London, war mit der Kunstszene in Paris und Brüssel vernetzt und auch mit Aline Mayrisch befreundet. Ihre Musik galt für jene Zeit als avantgardistisch.

MuGi.lu

MuGi.lu (Musik und Gender in Luxemburg), ein Projekt der Universität Luxemburg, erforscht, sammelt und vermittelt Wissen über Musikschaffen mit besonderem Fokus auf Geschlechterverhältnisse. Es umfasst mittlerweile neun digitale Portale (www.mugi.lu). Das Portal zu Jeannette Braun-Giampellegrini enthält rund 80 Quellendokumente: neben einer Auswahl von Musikaufnahmen, Fotos, Korrespondenz, Konzertprogramme, Presseausschnitte, TV-Sendungen auch einige Auszüge aus einem längeren, von Anne Schiltz für das Portal gefilmten Interview. MuGi.lu verfügt des Weiteren über ein digitales Archiv zu dieser Pianistin von insgesamt mehr als 500 Dokumenten. Kontakt: [email protected].

D.R.: Bevor Kenza Kiwy mit ihrer Forschung begann, war in Luxemburg kaum etwas über Delacre-Weber bekannt. Im Zuge ihrer Recherche stieß sie auf bislang unbekanntes Archivmaterial.

Das macht neugierig: Was erwartet unsere Leserschaft in den nächsten Monaten?

S.K.: Die Serie beginnt mit Laura Steil. Sie trägt einen Artikel zu Tanzlehrerinnen und frauengeführten Tanzstudios in den 1920er-Jahren sowie einen Text zu den „Y-Girls“ – sie animierten in Luxemburg Tanzabende für amerikanische Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg – bei. Hinzu kommt ein Artikel zu den großen Revue-Stars, die in der Zwischenkriegszeit in Luxemburg auftraten. Wir erhalten danach Einblicke in die Forschung von Julie Harnoncourt und Kenza Kiwy. Harnoncourt schreibt über eine frauengeführte Tanzgruppe, die ins Fadenkreuz der Fremdenpolizei geriet; Kiwy stellt uns die Sängerin Marianne Delacre-Weber vor. Des Weiteren präsentiert Danielle die Haupterkenntnisse ihrer Forschung zu Frauen und Musik während der NS-Besatzung Luxemburgs.

D.R.: Wir freuen uns auch sehr über die Beiträge von Josiane Weber. Sie forscht seit langem zum Stellenwert der Musik in Luxemburgs Oberschicht. Die Forscherin hat viel unveröffentlichtes Material gesammelt, zum Beispiel zu Eugénie Dutreux-Pescatore. Letztere stellte in ihrem Testament sicher, dass ihr Erbe in die Gründung einer Musikschule in Luxemburg-Stadt fließt. Sie ist inzwischen in Vergessenheit geraten, doch das heutige „Conservatoire“ trug lange Zeit ihren Namen. Der Artikel hierzu soll 2026, pünktlich zum 100-jährigen Bestehen der Musikschule, erscheinen. Josiane Weber wird außerdem die Rolle musizierender Frauen bei gesellschaftlichen Zusammenkünften im 19. Jahrhundert in einem weiteren Artikel beleuchten.

Und wie geht es mit MuGi.lu weiter?

S.K.: Im Rahmen des Projekts mit der Stadt Luxemburg arbeiten wir derzeit an fünf Informationsplattformen, die wir nach und nach auf unserer Website veröffentlichen: Zwischenkriegszeit und neue Unterhaltungsformen, Geschlechterrollen in der Operette „D’Mumm Séis“ von Dicks, Frauen in der ersten Musikschule (vor der Gründung der Konservatoriums) sowie Frauen in der Landesmusikschule zur NS-Zeit. Ein weiterer Höhepunkt ist die Plattform, die in Zusammenarbeit mit der Festivalleitung der „Rainy Days 2027“ in der Philharmonie entsteht – dort geht es um Feminismus in der zeitgenössischen Musik.

 Quelle: Uni.lu
 Quelle: MuGi.lu