Internationale Besorgnis nach Unruhen im Gazastreifen

Internationale Besorgnis nach Unruhen im Gazastreifen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Palästinenser haben die Toten der blutigen Unruhen von Freitag im Gazastreifen beerdigt. Doch wie es weitergeht, ist unklar. Abbas macht Israel für die Eskalation verantwortlich - die Armee spricht dagegen von einer Provokation der Hamas.

Die Unruhen im Gazastreifen schüren international Sorgen vor einer neuen Eskalation der Gewalt im Heiligen Land. UN-Generalsekretär António Guterres forderte „unabhängige und transparente Ermittlungen“ zu den Vorfällen vom Freitag. Bei Massenprotesten der Palästinenser an der Grenze zu Israel waren 15 Menschen von israelischen Soldaten getötet und Hunderte verletzt worden. Nach Angaben der radikal-islamischen Hamas sind fünf der Toten Mitglieder des militärischen Arms der Organisation gewesen.

Noch am Samstag wurden die Toten zu Grabe getragen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas rief einen Tag der Trauer aus. In den Palästinenser-Gebieten und in Ost-Jerusalem blieben die Läden geschlossen. Der Generalstreik bezog sich auch auf Privatschulen, die samstags offen sind.

Bei erneuten Zusammenstößen mit israelischen Soldaten wurden wieder Palästinenser verletzt. Drei Männer hätten Schussverletzungen an der Grenze zu Israel erlitten, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit. Israels Armee wollte die Aussagen überprüfen.

15 Tote, 1.400 Verletzte

Nach Angaben des palästinensischen Ministeriums waren am Freitag mindestens 15 Palästinenser während des „Marschs der Rückkehr“ von israelischen Soldaten erschossen oder durch Panzergranaten getötet worden. Mehr als 1.400 wurden verletzt, die meisten durch Tränengas.

Nach palästinensischen Medienberichten waren mehr als 20.000 Menschen zu dem Marsch an der Grenze zu Israel gekommen. Die radikalislamische Hamas wollte mit der Aktion ihren Anspruch auf ein „Recht auf Rückkehr“ für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen in das Gebiet des heutigen Israels untermauern. Israel lehnt eine Rückkehr in das eigene Staatsgebiet ab.

Der UN-Sicherheitsrat trat wegen der Gewalteskalation in der Nacht zum Karsamstag in New York zusammen. UN-Chef Guterres betonte, die Tragödie vom Freitag zeige die Dringlichkeit, mit der der Friedensprozess im Nahen Osten wiederbelebt werden müsse, um es Palästinensern und Israelis zu ermöglichen, in Frieden und Sicherheit als Nachbarn zu leben. Deutschland rief am Samstag alle Beteiligten zu Besonnenheit auf.

Kritik von Ägypten und Iran

Ägypten und Iran kritisierten das Vorgehen Israels scharf. Iran unterstützt die radikalislamische Hamas in Gaza und betrachtet Israel als seinen Erzfeind.

Palästinenserpräsident Abbas machte allein Israel für die blutigen Zusammenstöße verantwortlich. Er habe die Vereinten Nationen zum Schutz der Palästinenser aufgefordert, sagte er im Fernsehen.

Israel warf der im Gazastreifen herrschenden Hamas dagegen eine gezielte Provokation vor. „Was wir gestern gesehen haben, war ein organisierter Terrorakt“, sagte der israelische Armeesprecher Ronen Manelis. Nach seinen Angaben waren alle Todesopfer Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren. „Die große Mehrheit von ihnen kennen wir als Terroraktivisten“, sagte Manelis. Insgesamt hätten an dem Marsch rund 30.000 Palästinenser teilgenommen, die große Mehrheit davon Frauen und Kinder. Doch nur wenige Tausend seien bis zum Grenzzaun vorgedrungen.

Der deutsche Nahost-Experte Marc Frings sieht nun die Möglichkeit einer weiteren Eskalation in den Palästinenser-Gebieten. „Das ist die Gefahr, dass dies nur der Anfang einer Welle von Unruhen ist“, sagte der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah der Deutschen Presse-Agentur. „Uns steht bis Mitte Mai eine Phase der absoluten Unsicherheit bevor.“ Frings betonte, dass die Proteste ursprünglich aus der Gesellschaft heraus organisiert worden seien. „Die Hamas hat sich spät auf den Zug gesetzt“, sagte er – und habe die Aktion für ihre Ziele missbraucht.

Kürzung der US-Mittel setzen Palästinenser unter Druck

Die Kürzungen der US-Mittel für das Palästinenserhilfswerk der UN setze die Menschen zusätzlich unter Druck. „Das sind harte Sicherheitsfaktoren, die heute schon dazu führen, dass das ein Pulverfass ist“, sagte Frings. „Da braucht es keine Hetze oder ein Aufwiegeln durch die Hamas mehr.“

Israel hat nach der Machtübernahme durch die Hamas 2007 eine Blockade über das Küstengebiet verhängt, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird. USA, die EU und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Die Proteste im Gazastreifen sollen bis zum 15. Mai dauern. Anlass sind die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels. Die Palästinenser begehen den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten Nahost-Krieg 1948 rund 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden. Am 14. Mai wollen die USA zudem die US-Botschaft in Jerusalem eröffnen.

Auch Mechemar Abu Sada, Politikprofessor an der Al-Azhar-Universität in Gaza, sagte: „Was gestern passiert ist, ist ein Ausdruck der Wut der Palästinenser, vor allem der Menschen in Gaza, weil die Welt ihre Situation auf den nationalen und humanitären Ebenen ignoriert.“ Was am Freitag passiert sei, könnte sich am Nakba-Tag wiederholen, sagte er. „Und es könnte dann gewaltsamer und heftiger werden.“