GroßbritannienInnenministerin Priti Patel will Asylpolitik erneut verschärfen

Großbritannien / Innenministerin Priti Patel will Asylpolitik erneut verschärfen
Die britische Innenministerin Priti Patel (l.) nimmt auch schon mal persönlich an einem Einsatz der National Crime Agency gegen Menschenschmuggler teil, wie hier im Mai im Osten Londons  Foto: dpa/PA Wire/Stefan Rousseau

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Sofortige Haft für Flüchtlinge ohne Visum, Bestrafung unkooperativer Herkunftsländer, lebenslange Freiheitsstrafen für Menschenschmuggler – mit drakonischer Härte geht die britische Regierung gegen Asylbewerber und Migranten vor.

Das bestehende Asylsystem sei „kaputt“, sagte Innenministerin Priti Patel am Dienstag zum Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens im Unterhaus. Wohlfahrtsorganisationen und das örtliche Rote Kreuz melden Bedenken an. Im EU-Referendumskampf 2016 diente die Polemik gegen die ungeordnete Zuwanderung als eines der Hauptargumente der Brexit-Kampagne. Weil die „Kontrolle unserer Grenzen“ zu den vermeintlichen Wohltaten des mittlerweile vollzogenen Austritts zählt, steht für Brexit-Vormann Boris Johnson und die zuständige Ministerin die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Dabei ist die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr auf knapp 30.000 gefallen. In Umfragen spielt die Einwanderung seit Jahren eine deutlich geringere Rolle als Gesundheitssystem, Schulen und Kriminalität.

Peinlich für die stramm rechte Politikerin bleiben jedoch immer neue TV-Bilder komplett überfüllter winziger Schlauchboote, mit denen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens die Fahrt über den Ärmelkanal wagen. Dieser weist an seiner engsten Stelle zwischen Calais und Dover eine Breite von 34 Kilometern auf.

In der Nähe der Hafenstadt Calais, die gleichzeitig Ausgangspunkt für den Kanaltunnel nach Folkestone ist, versammeln sich seit vielen Jahren immer wieder Tausende von Migranten, um nach Großbritannien zu kommen. Mit der Organisation ihrer häufig Monate oder sogar Jahre dauernden Reisen nach Europa verdienen organisierte Schlepperbanden bis zu fünfstellige Summen pro Person.

Traumziel bleibt die Insel

Ausdrücklich lehnen die Flüchtlinge Asyl in Frankreich oder anderen EU-Ländern ab, ihr Traumziel bleibt die Insel: Zum einen sprechen sie – mal besser, mal schlechter – die Weltsprache Englisch, zum anderen bieten existierende ethnische Minderheiten, zumal in der Vielvölkerstadt London, Schutz und Zugang zum (Schwarz)-Arbeitsmarkt.

8.000 Menschen schafften die Überfahrt von der französischen Kanalküste im vergangenen Jahr, in der ersten Hälfte 2021 waren es 3.500. Einer Statistik der Grenzschutzbehörde Border Force zufolge waren 87 Prozent der Migranten Männer, drei Viertel gehörten zur Altersgruppe zwischen 18 und 39 Jahren.

Im vergangenen Jahr gründete Patel eine neue Stabsstelle für die „klandestine Bedrohung im Kanal“; als erster Leiter fungierte ein früherer Marineoffizier, der Erfahrung bei der Bekämpfung von kleinen Booten gesammelt hatte. Das neue Gesetz soll nun die neue Politik der Härte juristisch untermauern. Dazu zählen auch bisher nicht näher bezeichnete Sanktionen gegen Herkunftsländer wie Afghanistan oder Sudan, die sich der Rücknahme ihrer Staatsangehörigen verweigern.

Dem „ekelhaften Geschäft krimineller Banden“ müsse das Handwerk gelegt werden, fordert Patel: „Zugang zum britischen Asylsystem sollte von der Notlage abhängen, nicht von der Zahlungsfähigkeit.“ Zur Abschreckung sieht das neue Gesetz nicht nur vor, das Strafmaß für Menschenschmuggel von bisher 14 Jahren Freiheitsstrafe auf lebenslang zu erhöhen. Auch die illegalen Zuwanderer selbst sollen bis zu vier Jahre lang im Knast landen.

Flüchtlinge werden kriminalisiert

Einer Analyse der Hilfsorganisation Refugee Council (Flüchtlingsrat) zufolge würden auf diese Weise in Zukunft bis zu 9.000 bisher als Flüchtlinge anerkannte Migranten kriminalisiert. Flüchtlingsratschef Enver Solomon fürchtet, das schon bisher „ineffiziente System werde noch teurer und noch langsamer“. Das Gesetz sei „gegen Flüchtlinge“ gerichtet, pflichtet ihm Steve Crawshaw von der Hilfsorganisation Freedom from Torture (Freiheit von Folter) bei. Schwere Bedenken erhebt auch Mike Adamson vom britischen Roten Kreuz: „Hinter Bezeichnungen wie ‚Flüchtling‘ oder ‚Asylant‘ verbergen sich Menschen, die einfach nur in Sicherheit leben und zur Gemeinschaft beitragen wollen.“

Im vergangenen Jahr hatte Patel die Einrichtung von Flüchtlingszentren weitab ihres Landes geprüft. Spötter sprachen von einem „Himmelfahrtskommando“, weil zu den in Betracht gezogenen Standorten auch Ascension Island, auf Deutsch Himmelfahrtsinsel, im Südatlantik zählte. Offenbar stehen Experten des Innenministeriums in engem Kontakt mit Kolleginnen in Dänemark. Dessen Regierung scheint ähnlich wie Patel Auffangzentren für unerwünschte Einwanderer fernab des eigenen Territoriums zu erwägen, wie Australien sie schon seit vielen Jahren betreibt.

Grober J-P.
11. Juli 2021 - 10.02

Verstehe das alles nicht, Patel mit indischen Wurzeln, Johnson mit türkischen Wurzeln, werden zu den glühendsten Antiasylanten. Müssten die nicht erst recht für humane Asylpolitik sein und andere Wege suchen dem Elend zu begegnen.

Ras le bol
7. Juli 2021 - 17.25

@Kemp: Absolut nicht.Die Realität ist wir im Glauben humanistischen Handeln die Büchse der Pandora öffnen, die realen Ursachen der Flüchtlingsströme verkennen , sie selber noch durch Eigeninteresse verschärfen , unser Handeln nicht nur stupide , verantwortungslos ist . Die Zurückbleibenden in diesen Ländern werden noch mehr leiden, wertvolle Kraft fehlt , die Fehlgeleitenden im Glauben den Weg in Länder wo Milch und Honig fließt eingeschlagen, bitter enttäuscht . Aus eigener Erfahrung ,Kenntnis der Situation kann ich Ihnen versichern die Europäer , wie jetzt in Mali militärische Präsenz zeigen , die Demokratie dort glauben zu instruieren , das Land jedoch in die Hände der islamistischen Milizen treiben. Einzig alleine wollen die Europäer den Zugang zu den Erdschätzen dieses Landes absichern. Die islamistischen Milizen versorgen Teile der Bevölkerung mit Nahrung, medizinischer Hilfe, nutzen Mauretanien als Rückzugsgebiet.Mauretanien hat eine Eliteeinheit aufgestellt, die Mehari, die den Islamisten entgegenwirken . Diese Einheit aus erfahrenen Wüstennomaden ,ihren Kamelen , einen Flächenbrand ,ein Überschwappen des Konfliktes zu verhindern , versorgen die abgelegenen“ Dörfer“ mit Mediziner Versorgung, Nahrung und bekämpfen dazu die grenzüberschreitenden Islamisten. Mali, Mauretanien , Westsahara sind im Fokus dieses Flächenbrandes eines Konfliktes , neuer Flüchtlingsströme , der durch europäische Interessen ,militärischer Intervention in Mali angeheizt wird. Ich habe Ihnen dieses Beispiel explizit genannt , es veranschaulicht was die Ursachen, die Problematik des Thena „ Flüchtling“ veranschaulicht . Wir Europäer sind Teil des Problems und wer glaubt mit Humanismus das Problem zu lösen , liegt falsch. Wer die Ursachen des Problems nicht eliminiert ist dumm, verantwortungslos und wird das Flüchtlingsproblem nicht lösen. Einzig können Sie mir vorwerfen ich differenziere zwischen Wirtschaftsflüchtigen und politischen Flüchtlingen, doch in beiden Fällen liegt immer die Lösung des Problems im Ursprungsland.

J.C. Kemp
7. Juli 2021 - 15.53

@Ras le bol: Orban-Fan?

Ras le bol
7. Juli 2021 - 14.52

@Kemp: Frau Patel handelt richtig und die europäischen Länder sollten sich der rezenten Gesetzesänderung betreffend Flüchtlingspolitik in Dänemark anschließen. Das Problem der Flüchtlinge ist nicht in Europa zu lösen, im Gegenteil wird die Asylpolitik zu einem gefährlichen Exkurs die zukünftige Stabilität der europäischen Gesellschaft zu hypothekieren. Wenn die europäische Politik wirklich Hilfe leisten will, muss sie die Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge lösen, dort investieren in Bildung, Arbeitsplätze, Gesundheit,…..und nicht beitragen die Problematik dort zu verschärfen , indem sie die dortigen Länder mit überschüssigen , billigen Lebensmitteln , wie abgelaufenes Tiefkühlhuhn aus den Niederlanden , überschwemmt, Militärgüter zum Anheizen der Konflikte liefert, diese Billiglohnländer ausnützt. Seien wir realistisch , wir Europäer können den Flüchtlingen nicht die Annehmlichkeiten unseres Systems anbieten , wofür die einheimische Bevölkerung lebenslang hart arbeiten , lernen muss. Unser Renten-, Sozial-,Gesundheitssystem ,…muss finanziert werden .Die Realität ist, viele der immer mehr werdenden Flüchtlinge entweder arbeitslos bleiben , als Schwarzarbeiter zu Sklavenlohn unter fragwürdigen Konditionen zur Drecksarbeit verpflichtet, in Hinterhöfen unter unmenschlichen Konditionen wohnen, kriminell werden. Die europäischen Länder leben auf Pump und bricht diese künstlich erhaltene Blase zusammen, wird Europa im Chaos von Gewalt, Aufruhr enden. In der Theorie kann mit humanistischer Denkweise die Welt retten, die Praxis lehrt uns etwas anderes.

J.C. Kemp
7. Juli 2021 - 13.35

Eines Tages wird diese Person ein Gesetz verhängen, das rückwirkend die Einreise ihrer Eltern unter Strafe stellt.