Mittwoch12. November 2025

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Spannungen zwischen Rom und BudapestInhaftierung der Mailänder Aktivistin Ilaria Salis in Ungarn sorgt für Ärger

Spannungen zwischen Rom und Budapest / Inhaftierung der Mailänder Aktivistin Ilaria Salis in Ungarn sorgt für Ärger
Roberto Salis, Vater von Ilaria Salis, steht vor der italienischen Botschaft in Budapest  Foto: AFP/Ferenc Isza

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Italiens Regierung ist derzeit nicht gut auf die Kollegen in Ungarn zu sprechen. Grund für die Verstimmung ist die Art, wie die Mailänder Aktivistin Ilaria Salis vor ein Budapester Gericht geführt wurde.

Die Hände in Handschellen und an den Leib gekettet, die Füße in engmaschigen Lederschellen, wurde Ilaria Salis von einer Polizistin an einer Kette in den Saal geführt. Die Bilder gingen um die Welt und lösten nicht nur bei den italienischen Verantwortlichen Unmut aus. Italiens Außenminister Antonio Tajani erklärte seinen Abscheu gegenüber der unwürdigen Behandlung der Verhafteten. 

Worum geht es in dem Fall? Anfang Februar 2023 war die 39-jährige Mailänder Lehrerin nach Budapest gereist, um dort an einer antifaschistischen Protestkundgebung teilzunehmen. Ziel dieser Demonstration war die Feier rechter Gruppen, Neonazis und Hooligans, die am 11. Februar 2023 einen „Tag der Ehre“ für ein SS-Bataillon abhalten wollten. Die SS-Soldaten sollten im Februar 1945 die heranrückende Rote Armee an der Besetzung Budapests hindern.

Die italienische Gruppe um Ilaria Salis wollte mit anderen europäischen Antifaschisten gegen dieses „Gedenken“ protestieren. Bei dem Aufeinandertreffen beider Gruppen eskalierte die Situation, es kam zu gewalttätigen Übergriffen beider Seiten. Kurz darauf wurde Salis mit einem jungen Deutschen in einem Taxi verhaftet. Die Lehrerin wurde beschuldigt, in einer Gruppe auf Neonazis eingeschlagen zu haben. Ein Video zeigt Aktivisten, die zwei Skinheads bedrängen, die in der Folge leicht verletzt wurden. Aus der vermummten Gruppe ist Salis nicht zu erkennen, sie selbst streitet jede Beteiligung ab. Dennoch wurde sie von der ungarischen Polizei als Tatbeteiligte festgehalten und in Untersuchungshaft gesteckt.

Unwürdige Zustände

Nach der Verhaftung erfuhren die Eltern nichts vom Verbleib der Tochter. Erst sieben Monate später, so berichtet Vater Roberto Salis, hätten sie einen ersten Brief der Tochter erhalten. Darin schildert die Frau unwürdige Haftzustände. Sie sei in einer engen Zelle untergebracht, das Bett verwanzt, der Raum voller Ungeziefer. Nach einer Desinfektion habe sie die Zelle sofort wieder betreten und Pestizide einatmen müssen. Von Seiten der Gefängnisbehörden erhielte sie nur schmutzige Kleidung, von Hygiene könne man nicht sprechen.

Inzwischen gab es vier Anhörungen vor der Budapester Staatsanwaltschaft, bei der zwei der ursprünglichen Tatvorwürfe bereits fallen gelassen werden mussten, weil sich die Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Ungarn aufgehalten hatte. Wie inzwischen bekannt wurde, war die italienische Botschaft von den Vorgängen informiert, schritt jedoch nicht gegen die Behandlung der Gefangenen ein. Erst der wiederholte Protest des Vaters und der inzwischen mobilisierten Öffentlichkeit führte dazu, dass die italienische Regierung einschritt.

Zögerlicher Protest

Die Regierung in Rom sieht sich in einem Dilemma, besteht sie doch selbst aus postfaschistischen oder zumindest rechts angesiedelten Parteien. Regierungschefin Giorgia Meloni will zwar bei Viktor Orbán vorsprechen, interveniert jedoch eher zögerlich. Der stellvertretende Regierungs- und Lega-Chef Matteo Salvini erklärte, es „sei rechtens, wenn Salis in Budapest der Prozess gemacht würde“. Einzig Antonio Tajani (Forza Italia) sowie sein diplomatischer Vertreter in Ungarns Hauptstadt wollen sich für eine Freilassung Ilaria Salis’ verwenden.

Die Opposition protestiert gegen die mangelnde Aktivität der Regierung. Die Europaabgeordnete der Bewegung 5 Sterne (M5S), Sabrina Pignedoli, erklärte, dass mit der Haft „die Grundrechte von Ilaria Salis in Ungarn mit Füßen getreten werden“.

Sollte das Gericht die Lehrerin aus Mailand für schuldig bekennen, könnte ihr eine Haftstrafe von elf Jahren drohen. Seit der Verhaftung Ilaria Salis’ tauchten auf rechten Plattformen in sozialen Medien Drohungen gegen die Lehrerin und ihre Familie auf, auch ihre Adresse in Mailand wurde veröffentlicht.