Geldpolitik / Inflation schreckt auf – Schweizer Notenbank erhöht überraschend die Zinsen
Überraschungscoup der Schweizer Währungshüter: Die Nationalbank SNB erhöht nach mehr als sieben Jahren geldpolitischen Beharrens die Zinsen deutlich um einen halben Prozentpunkt.
Das dreiköpfige SNB-Direktorium gewichtet die Gefahr einer ausufernden Inflation höher als die Nachteile eines starken Frankens für die exportorientierte Wirtschaft des Landes. „Es wäre fahrlässig, wenn man inflationäre Entwicklung nicht berücksichtigt“, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan am Donnerstag. Zugleich stellte er weitere Zinsanhebungen bei Bedarf in Aussicht, um die Teuerung unter Kontrolle zu bringen. „Das Preisstabilitätsziel ist für uns absolut zentral“, erklärte Jordan.
Der Leitzins steigt um einen halben Prozentpunkt. Er bleibt damit aber weiter im negativen Bereich und liegt nun bei minus 0,25 Prozent. Weitere Zinserhöhungen seien nicht ausgeschlossen, um die Inflation mittelfristig zu stabilisieren, so die Schweizer Zentralbank.
Die erste Zinsanhebung seit fast 15 Jahren kommt unerwartet. Ökonomen waren überwiegend davon ausgegangen, dass die SNB am weltweit tiefsten Zins festhalten und erst im Anschluss an die Europäische Zentralbank (EZB) handeln wird, die die Zinswende im nächsten Monat anpeilt.
Franken-Wechselkurs schießt hoch
„Die SNB hat sich damit emanzipiert“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank. „Die europäischen Währungshüter fahren derzeit im Bummelzug weiter und riskieren damit die Glaubwürdigkeit ihrer Geldpolitik.“ Zuletzt hat die EZB nun aber doch angekündigt, wegen der extrem hohen Inflation im Juli die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte anheben zu wollen. Mittlerweile haben die Folgen der jahrelangen expansiven Geldpolitik bereits selber begonnen, die Inflation im Währungsraum weiter anzufachen. Durch den (verglichen mit dem Dollar; siehe Grafik) niedrigen Euro werden importierte Waren automatisch teurer.
Der Druck auf die SNB, einen Kurswechsel vorzunehmen, war angesichts der anziehenden Preise zuletzt gestiegen. Die Verbraucherpreise stiegen damit allerdings so stark wie seit fast 14 Jahren nicht mehr – und sie ziehen seit einigen mehreren Monaten stärker an als von der Notenbank angepeilt, die zwischen null und zwei Prozent anstrebt. Dabei ist die Teuerung, auch dank des starken Frankens, mit 2,9 Prozent im Mai nach wie vor relativ gering. In der Eurozone, wie auch in den USA, liegt sie aktuell bei mehr als acht Prozent.
Der Schweizer Franken zog im Anschluss an die SNB-Entscheidung kräftig an. Die Haupt-Exportwährung Euro kostete zuletzt 1,0195 Franken, nachdem die Gemeinschaftswährung am Morgen noch für 1,0380 Franken zu haben war. Weil sich der Zinsabstand zum Euroraum verringere, wird die Devise für Investoren attraktiver, was den Wechselkurs hochtreibt. Die SNB nehme Aufwertungsdruck auf den Franken in Kauf, erklärte Jörg Angele, Volkswirt bei Bantleon. Ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teurer und damit weniger konkurrenzfähig.
Geringere Inflationsrate als im Euroraum
Die Schweizer Notenbank rechnet im gesamten Jahr 2022 nun mit einer Teuerung von 2,8 Prozent, nachdem im März noch 2,1 Prozent veranschlagt wurden. 2023 werden dann 1,9 Prozent erwartet und 2024 1,6 Prozent. Ohne die Leitzinserhöhung würde die Prognose „deutlich höher“ ausfallen, so die Zentralbank.
Im Euroraum sind die Erwartungen für die Preissteigerungen derweil deutlich höher: Für 2022 erwarten die EZB-Ökonomen mittlerweile eine durchschnittliche Teuerungsrate von 6,8 Prozent. Nach Jahren „unorthodoxer Geldpolitik“ sieht sich Europas Notenbank derzeit vor einem Dilemma: Erhöht sie die Zinsen zu schnell oder zu kräftig, besteht die Gefahr, dass die Konjunktur abgewürgt wird und die hoch verschuldeten Staaten unter Druck geraten. Reagieren die Währungshüter zu spät, müssten die Zinsen womöglich umso schneller oder höher steigen.
Die US-Notenbank Fed, die bereits früher eine geldpolitische Straffung eingeläutet hat, hatte am Mittwoch angesichts der höchsten Inflation seit mehr als 40 Jahren den Leitzins um weitere 0,75 Prozentpunkte angehoben. Auch die Bank of England erhöhte ihren Leitzins erneut. Sie setzte ihn am Donnerstag um einen Viertelpunkt herauf auf 1,25 Prozent. Dies ist bereits der fünfte Zinsschritt binnen sieben Monaten.
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