Wegen Covid-19Infizierte Mutter darf nicht mit Baby in die Kinderklinik

Wegen Covid-19 / Infizierte Mutter darf nicht mit Baby in die Kinderklinik
Nicht nur Kleinkindern wird beim Anblick des Pflegepersonals in voller Schutzmontur mulmig. In diesen Momenten spendet  die Anwesenheit der Mutter Trost. Am Sonntag aber musste ein zwei Monate altes Baby ohne seine Mama auskommen.  Symbolbild: Peter Steffen/dpa

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Eine junge Mutter hat Covid-19, muss aber mit ihrem kranken Baby ins Krankenhaus. In Luxemburg kein Problem: „Wir weisen niemanden ab“, sagt eine Sprecherin der „Kannerklinik“. Und doch muss die Mutter zunächst draußen warten.

„Was tun, wenn man als Eltern positiv auf Covid-19 getestet wurde und das zwei Monate alte Baby auf einmal Fieber hat?“ Mit dieser Frage macht derzeit eine junge Mutter in den sozialen Netzwerken auf einen Vorfall aufmerksam, der so nicht hätte geschehen dürfen. Und auch nicht mehr geschehen darf. In diesem Punkt sind sich alle betroffenen Parteien einig.

Eigentlich müsste die Antwort ungefähr wie folgt lauten: „Bei hohem Fieber sollten die Eltern mit ihrem Säugling in die Kinderklinik. Dort wird ihnen geholfen!“ Covid hin oder her. So sieht es auch Nadine Kohner vom „Centre hospitalier de Luxembourg“ (CHL): „Bei uns wird keine Mutter mit ihrem Kind im Regen stehen gelassen. Sogar wenn Mama an Covid-19 erkrankt ist“, betont die Sprecherin der CHL-Gruppe, zu der auch die „Kannerklinik“ gehört.

Dass es auch in diesem Fall wieder die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt, darauf hätten Anne und ihr zwei Monate altes Baby durchaus verzichten können. Die 34-Jährige aus der Gemeinde Dippach weiß nämlich seit Samstag, dass sie sich mit dem Virus infiziert hat. Ein großartiges „Contact Tracing“ muss bei ihr aber nicht gemacht werden: „Ich habe es von meinem Mann, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Woche in Quarantäne befand“, erzählt die junge Mutter.

Am frühen Sonntagmorgen dann der Schock: Nach einer unruhigen Nacht hat die kleine Alice gegen 6 Uhr plötzlich Fieber. Die Mutter misst eine Temperatur von 39,4 Grad Celsius. „Ich habe mich sofort informiert und gleich mehrere Quellen im Internet zu Rate gezogen. Die Experten rieten alle das Gleiche: Ab einer Temperatur von 38 Grad sollte ein zwei Monate alter Säugling sofort in eine Kinderklinik – ohne Wenn und Aber“, so Anne. Doch sie zögert: „Wegen Corona war ich mir nicht sicher. Also habe ich in der Kinderklinik angerufen.“

Dort habe man ihren Anruf auch freundlich entgegengenommen. „Allerdings wusste die Dame am Telefon auch nicht so richtig weiter“, erinnert sich die junge Mutter. „Es scheint mir auch, als habe sie noch andere Mitarbeiter um Rat gebeten. Auf jeden Fall wurde mir anschließend ans Herz gelegt, die 112 zu verständigen.“ Die Notrufzentrale werde nämlich gleichzeitig einen Arzt entsenden, habe ihr die Dame am Telefon versprochen. Sollte das nicht der Fall sein, möge sie doch bitte eine Person ausfindig machen, die kein Corona hat. Diese könnte dann mit dem Säugling die Kinderklinik aufsuchen.

Gesagt, getan: Nervös drückt Anne zwei Mal die 1 und einmal die 2. Der Zustand ihrer Tochter bereitet ihr Sorgen. Eine Lösung jedoch ist nicht in Sicht: Die Notrufzentrale verweist die aufgebrachte Mutter am frühen Sonntagmorgen wieder an die Kinderklinik: „Ich soll doch bitte in die Hauptstadt fahren. Die Kinderklinik dürfe mich nicht abweisen. Genau dafür sei sie nämlich zuständig: für Notfälle wie diese“, zitiert Anne aus dem Gespräch mit der Rettungszentrale.

Einen Arzt werde man auch nicht entsenden: Vor Ort habe dieser nicht ausreichend Möglichkeiten, sich vor einer Infektion zu schützen und sich ausreichend zu desinfizieren. „Was keinen Sinn für mich ergibt. Was machen etwa die Mitarbeiter der Teststationen, um sich vor einer Ansteckung zu bewahren? An den Drive-in-Stationen herrschen auch nicht optimale Bedingungen. Doch sie ziehen sich Schutzkleidung über, manchmal doppelt oder dreifach. Ähnlich auch im Krankenhaus, wo sich Ärzte und Pfleger quasi im Raumanzug um die Covid-Patienten kümmern. Warum geht das nicht beim Hausbesuch?“, fragt Anne im Gespräch mit dem Tageblatt.

Bleibt nur noch Plan C

Der 34-Jährigen bleibt zu dem Zeitpunkt nur noch Plan C: An einem Sonntagmorgen kurz nach 6 Uhr macht sie sich auf die Suche nach einer Drittperson, die gewillt wäre, mit ihrer zwei Monate alten Tochter Alice ins Krankenhaus zu fahren. Ihre Nerven sind bereits überstrapaziert, doch sie hat Glück: Ihre Schwester ist um die gleiche Zeit bereits mit dem Hund unterwegs. Und sie hat kein Corona.

Marie zögert nicht lange und sagt sofort zu. In getrennten Wagen fahren beide zur Kinderklinik in die Hauptstadt, wo sie von einem Sicherheitsmann empfangen werden. „Ich habe ihm die Situation erklärt und gesagt, dass ich Covid-positiv bin“, so die junge Mutter. „Dabei hätte ich dieses Detail auch verschweigen können: Der Beamte hat nur die Temperatur genommen. Und Symptome hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine mehr. Ich hätte also problemlos mit reingehen können.“

Doch Anne ist ehrlich, was ihr ein bestimmtes „Madame, vous ne rentrez pas“ einbringt. Also übernimmt ihre Schwester die Verantwortung übers Baby. Beide begeben sich in die Notaufnahme, während Anne zurück zum Wagen schlendert. „Zu diesem Zeitpunkt war ich völlig außer mir vor Angst. Im Kopf spielen sich in solchen Situationen die schlimmsten Szenarien ab“, räumt die 34-Jährige ein. Ihr stehen die vier schlimmsten Stunden ihres Lebens bevor.

Zunächst aber bleibt sie vor Ort, schlendert vor der Kinderklinik auf und ab, bis sie aus dem Innern ein Weinen vernimmt. Die Mutter weiß sofort: Das ist Alice. „Man bekommt relativ viel aus dem Gebäude mit, wenn man sich draußen aufhält“, erklärt Anne. Und drinnen muss der Säugling gerade Covid-Test und Blutabnahme über sich ergehen lassen. Ihr Kind braucht Hilfe: „Und ich kann nichts tun“, ergibt sich die 34-Jährige der aktuellen Situation.

Sie entscheidet sich, nach Hause zu fahren. Vor Ort könne sie sowieso nichts ausrichten. Doch knapp daheim, klingelt schon wieder das Telefon: Ihre Schwester ist dran. Alice hat auch Covid-19 und soll nun einige Tage unter Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Ihre Mutter möge doch wieder vorbeikommen. Sie dürfe natürlich beim Kind bleiben. Anne fällt ein Stein vom Herzen.

Zwischen Frust und Bangen

Fast gleichzeitig aber wächst in ihr auch der Frust: Sie wurde nicht nur unnötig von ihrem zwei Monate alten Baby getrennt, auch ihre Schwester wurde einem unnötigen Risiko ausgesetzt. Tatsächlich wird sie bei ihrer Ankunft vom gleichen Sicherheitsmann empfangen, der ihr eine neue Maske aushändigt. Anschließend darf sie zu ihrer Tochter, während eine Krankenpflegerin beruhigend auf sie einwirkt: „Wir lassen Sie natürlich nicht hängen! Keine Angst, wir kümmern uns um unsere Patienten“, habe man ihr entgegnet.

Zwei Tage lang bleibt sie mit Alice in der „Kannerklinik“. Dort teilt sie sich das Zimmer mit einer weiteren Mutter und ihrem sechs Wochen alten Kind. Wie Alice und Anne sind auch die Zimmernachbarn beide Covid-positiv. Doch im Gegensatz zu Alice und Anne durften beide bei ihrer Ankunft im Krankenhaus – übrigens am gleichen Tag wie das Kind-Mutter-Paar aus der Gemeinde Dippach – zusammen bleiben. „Das Ganze war also völlig unnötig“, so das Fazit der 34-Jährigen.

Es seien die schlimmsten Momente ihres Lebens gewesen: „Ich war mit den Nerven am Ende. Ich wusste ja nicht, was mit meiner Tochter geschieht. Wird es schlimmer? Werde ich mein Kind wieder sehen? Alles Fragen, die einem dann durch den Kopf schießen. Meiner Tochter passiert etwas und ich kann nicht dabei sein. Und als Mutter weiß ich, dass mein Baby auf meinen Trost angewiesen ist“, echauffiert sich Anne im Nachhinein.

Außerdem sei ihre Schwester einem völlig unnötigen Risiko ausgesetzt worden. „Seit einem Monat arbeitet sie mit Kindern. Bis dahin war sie auf jeden Fall völlig gesund“, so die junge Mutter. „Ich musste also die Gesundheit einer mir geliebten Person aufs Spiel setzen, um wenige Stunden später doch noch zu meinem Baby zu dürfen? Das ergibt keinen Sinn. Warum also nicht sofort?“

„Wir weisen niemanden ab“

Dem dürfte auch Nadine Kohner vom „Centre hospitalier de Luxembourg“ nichts entgegenzusetzen haben. Denn Covid-19-infizierte Patienten werden im CHL nicht abgewiesen. Schon gar nicht, wenn es sich um eine Mutter handelt, die mit einem kranken Säugling die Kinderklinik aufsuchen möchte. „Wir weisen niemanden ab. Auch nicht Mütter oder Väter, die positiv auf Covid-19 getestet wurden“, betont die Sprecherin des CHL mit Nachdruck. Das Krankenhaus werde nämlich fast wöchentlich mit solchen Fällen konfrontiert.

Eine Erklärung für den vorliegenden Vorfall habe sie nicht. Die Mutter hatte sich auch nicht offiziell bei der Verwaltung des CHL beschwert, weshalb der Zwischenfall nicht aktenkundig ist. Ein Missverständnis sei vor dem Hintergrund der sich ständig abwechselnden Maßnahmen in Pandemie-Zeiten natürlich nicht ganz auszuschließen. In diesem Fall aber handelt es sich um eine Vorgehensweise, die quasi seit Ausbruch der sanitären Krise nicht geändert wurde.

„Infizierte Patienten werden immer aufgenommen. Sie kommen zwar sofort in einen abgeschirmten Bereich, doch abgewiesen werden sie prinzipiell nie“, unterstreicht Kohner. Es komme allerdings vor, dass Patienten bei der Aufnahme im Krankenhaus schweigen und erst im Verlauf der Untersuchungen das positive Testresultat beichten. Die Sicherheitsleute dürfen die Besucher nämlich nicht zu möglichen Krankheiten befragen.

„Sie dürfen nur die Temperatur messen und den Besucher entsprechend orientieren“, erklärt Nadine Kohner. „Sollte ein positives Testresultat vorliegen, bitten wir Patienten, unser Personal darüber in Kenntnis zu setzen. Keine Angst: Sie werden nicht abgewiesen“, wiederholt Kohner das CHL-Versprechen. Es gehe dem Krankenhaus nur darum, die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um sowohl die Sicherheit des Personals als auch die Pflege der Patienten weiter gewährleisten zu können.

de Prolet
1. November 2020 - 9.57

" Wir weisen niemanden ab" und doch muss die infizierte Mutter mit ihrem kranken Kind vor der Tür warten. Das ist ein Beispiel, die Spitze des Eisberges, von den Kolateralschäden in Zeiten der Pandemie. Davon betroffen sind u.a. auch Krebs- und Herzkranke. Die Dunkelziffer der indirekten Corona Opfer dürfte erheblich sein.

Mamm vu 4
1. November 2020 - 8.50

Normal! well se all aner krank kanner an hir elteren infizéiren? Infirmières en pédiatrie a kannerdokteren wessen scho wat man mam bėbé! Bei sou muttertieren schallt oft de klore menscheverstand aus!