Alain spannt den Bogen / Immer wieder Mozart: Drei Konzerte, dreimal Exzellenz

Phänomenal: Pianist Jan Lisiecki mit SEL-Dirigent Christoph König
Drei sehr unterschiedliche Musikreisen bescherten uns die drei Konzerte dieser Woche. Leopold Hager, der langjährige Chefdirigent des RTL-Symphonieorchesters, kehrte mit seinem allerersten Programm zum Luxemburg Philharmonic zurück, dessen Ehrendirigent er ist. Drei Musiker des Orchesters erinnerten in einer Matinée an die von den Nazis ermordeten Komponisten des Vorzeigelagers Theresienstadt, während die Solistes Européeens einen Pianisten von Weltrang zu Gast hatten.

1974 dirigierte Leopold Hager zum ersten Mal das damalige RTL-Symphonieorchester. Auf dem Programm standen damals die Symphonie c-moll Nr.40 KV 550 von W. A. Mozart und die „Große“ C-Dur Symphonie Nr. 9 D 944 von Franz Schubert. Fast 50 Jahre später steht Leopold Hager erneut mit dem gleichen Programm vor dem Luxemburg Philharmonic.
Traditionell, aber stets authentisch
Der inzwischen 87-jährige Hager präsentierte sich in blendender Verfassung und hatte sichtlich Lust auf dieses Konzert. Er präsentierte dem Publikum „seinen“ Mozart, der von der großen österreichischen Tradition herkommt, die ebenfalls Dirigenten wie Karl Böhm und Josef Krips vertraten. Sicher, dieser Mozart wendet sich bewusst von der historischen Aufführungspraxis ab und huldigt einem Mozart-Bild, bei dem Vibrati, musikalische Schönheit, gesangliche Linien und ein weiches, federndes Spiel im Mittelpunkt stehen. Hager wusste genau, wie er sein Konzept, nämlich dramatische Prägnanz ohne affektierten Firlefanz, auf das hier klein besetzte Luxemburg Philharmonic übertragen konnte. Die Musiker hatten sich dann auch schnell mit Hagers Interpretation angefreundet und boten ein schlichtes, wunderbar musikantisches und klares Spiel. Mozarts 40. Symphonie, ein Werk, das bereits auf den kommenden Beethoven hindeutet, erklang so recht traditionell, aber immer authentisch. Hager und das Orchester zeigten uns, dass man einen erstklassigen Mozart auch heute noch ohne historische Instrumente spielen kann.
Sensationell gelang Leopold Hager aber dann die Aufführung der 9. Symphonie von Franz Schubert, einem Werk, das in vielen großsymphonischen Aufführungen oft unter zu viel Pathos und epischer Breite leidet. Hager ging das Werk dann eher klassisch an. Bereits die Eingangstakte zeigten, worauf es dem österreichischen Dirigenten ankam, nämlich maximaler Klarheit in einem leichten, offenen Klangbild und einer virtuosen, leichtfüßigen Interpretation. Mit quasi atemberaubender Schönheit wusste Hager die Melodien zu formen, sie zum Schwingen zu bringen und die Steigerungen langsam, aus der Entwicklung heraus, aufzubauen. Der Liedkomponist Schubert war in jedem Takt präsent. Durch die Transparenz gewannen die vielen Zwischenstimmen dann auch an Relief und Charakter, sodass man immer wieder neue Wendungen und Stimmungen im Klangbild entdeckte. Hagers Tempi waren von Anfang an sehr natürlich und stellten das Musikantische in den Vordergrund. Organisch und natürlich konnte die Musik so aus ihrem Kern heraus wachsen und auf das wunderbare Finale zusteuern, das Hager dann ohne Hektik und Pathos, dafür aber mit Leuchtkraft, Spielfreude und natürlichem Atem zu gestalten wusste. Leopold Hager und das glänzend aufspielende Luxemburg Philharmonic wurden daraufhin mit lautstarkem und verdientem Jubel gefeiert.
Besinnliches zum Thema Theresienstadt
In ihrer Konzertserie Concert-Apéritif hatten Fabian Perdichizzi, Violine, Ilan Schneider, Bratsche und Ilia Laporev, Cello vom Luxemburg Philharmonic diesmal ein recht komplexes Programm rund um das Thema Theresienstadt zusammengestellt. Das Ghetto von Terezin galt ja als Vorzeigelager der Nazis, ein Lager, wo sogar die Kunst ihren Platz hatte. Dass dies allerdings nur eine Lüge war, mit der die Nazis selbst das Rote Kreuz zu täuschen wussten, zeigte sich in der traurigen Tatsache, dass fast alle Künstler, die in Theresienstadt wirkten, anschließend deportiert und vergast wurden. Der tschechische Dirigent Karel Ancerl und der Komponist Hans Winterberg gehörten übrigens zu den wenigen überlebenden Musikern. Wenn man von den Komponisten aus Theresienstadt spricht, dann denkt man vor allem an Gideon Klein, Hans Krasa, Viktor Ullmann und Pavel Haas, alles hochkarätige Komponisten mit einer großen Zukunft, die allerdings jäh ein tragisches Ende fand.
Im Konzert Thersienstadt erklangen die Passacaglia & Fuge (1944) von Hans Krasa sowie das Streichtrio (1943) von Gideon Klein, Werke, die von einer großen Kunstfertigkeit zeugen und die im musikalischen Ausdruck einfach sprachlos machen. Vorangestellt hatten Perdichizzi, Schneider und Laporev das Streichtrio op. 6 (1908) von Leo Weiner, einem jüdischen ungarischen Komponisten, der 1944 nach der deutschen Besetzung als Zwangsarbeiter interniert wurde, jedoch freikam und überlebte. Eingerahmt wurden diese drei Werke von je einer Prélude & Fuge von W.A. Mozart, die das Konzert stimmungsvoll und nachdenklich begannen und ausklingen ließen. Die Musiker boten eine sehr überzeugende Leistung und konnten die inneren Welten der Komponisten sehr gut vermitteln. Als Trio funktionierten Perdichizzi, Schneider und Laporev hervorragend, sodass auch die Kommunikation und das Aufeinander-hören wesentlich zu der intensiven Gestaltung dieses immens wertvollen Konzerts beitrugen. Danke dafür.
Weltklasse zwischen Rossini und Beethoven
Mit ihrem ersten Konzert haben die Solistes Européens Luxembourg ihre Latte bereits sehr hoch gelegt. Christoph König hatte dieses Mal ein recht „schönes“ Programm zusammengestellt, das mit einer luftig-leichten Ouvertüre zu Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“ begann. Es war wunderbar zu hören, wie schlank und transparent er diese Ouvertüre anging, ohne das in der Oper übliche so grässliche Tamtam. Nein, hier wurden die Linien wie mit einem Skalpell herausgearbeitet und in ein sehr klares, wendiges Klangbild integriert. Ebenso die folgende „Temporale“ aus der gleichnamigen Oper, einem kleinen Stück von knapp drei Minuten, das einen Sturm darstellt und somit auf die kommende Pastorale, also die 6. Symphonie von Ludwig van Beethoven, nach der Pause hinwies.
Dazwischen erlebten wir Weltklasse. Der absolut phänomenale Pianist Jan Lisiecki gestaltete das Klavierkonzert Nr. 20 in d-moll KV 466 mit einer wundervoll ausgeloteten Interpretation, die sowohl den dramatischen, virtuosen als auch intimistischen Klangwelten gerecht wurde. Lisieckis Spieltechnik ist atemberaubend, seine Kunst, die Musik plötzlich zurückzunehmen und dem Publikum dabei einen Moment der Stille zu schenken, einmalig. Selbst im moll-Charakter findet Lisiecki immer wieder klare, leuchtende Momente und seine Fähigkeit, die virtuosen Passagen zu pianistischen Perlen werden zu lassen. Dies alles zeigt uns, dass dieser junge Pianist eine sehr große Karriere vor sich hat. Auch die orchestrale Begleitung, die gerade in diesem Konzert eine eminente Wichtigkeit besitzt und auf einen neuen Stil hinweist, war hochkarätig.
Es folgte Beethovens Pastorale. König dirigierte dieses Naturwerk mit recht zügigen Tempi. Dank der Superform, in der sich die SEL-Musiker an diesem Abend befanden, erlebte das zahlreich erschienene Publikum eine wunderschöne und in der Dynamik wohl ausbalancierte Interpretation, die zudem in leuchtenden Klangfarben dieser einmaligen Symphonie von Beethoven in jedem Punkt gerecht wurde.
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