Immer noch ungeklärt: Vor einem Jahr wurde der slowakische Investigativjournalist Ján Kuciak ermordet

Immer noch ungeklärt: Vor einem Jahr wurde der slowakische Investigativjournalist Ján Kuciak ermordet

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Ein Jahr nach dem Mord am slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Lebensgefährtin ist die Tat noch nicht aufgeklärt. Vier Verdächtige sitzen in Haft. Die Ermittler haben jedoch den Eindruck, von politischen Kräften behindert zu werden.

Von unserem Korrespondenten Jindra Kolar, Prag

Vor einem Jahr wurden der slowakische Journalist Ján Kuciak und seine Lebensgefährtin Martina Kušnírova in ihrem Haus in Velká Maca nahe Trnava brutal ermordet. Bereits wenige Tage später stand für die Polizei fest, dass die Tat im Zusammenhang mit den Recherchen des Journalisten in Verbindung zu bringen ist.

Kuciak hatte Beziehungen zwischen slowakischen Unternehmern und Politikern zum organisierten Verbrechen untersucht. Das Material, das Kuciak für das Nachrichtenportal Aktuality.sk zusammengetragen hatte, sprach von Korruption und Verstrickungen der slowakischen Wirtschaft und Politik zum Beispiel mit der süditalienischen ’Ndrangheta. Erste Verhaftungen kurz nach dem Mord schienen diese Piste auch zu bestätigen. Doch die in der Slowakei tätigen italienischen Unternehmer um Antonio Vadalà mussten wieder aus der Haft entlassen werden, weil ihnen keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnten.

Vier Tatverdächtige festgenommen

Wegen des Verdachts, die Ermittlungen zu behindern und falsche Fährten gelegt zu haben, mussten der damalige Premier Robert Fico (Smer-SD), sein Innenminister Robert Kalicák sowie der Chef der slowakischen Polizei, Tibor Gašpar, ihre Hüte nehmen. Ficos Vertrauter Peter Pellegrini übernahm den Posten des Regierungschefs und versprach, die Aufklärung des Falles zu beschleunigen.

Unter der neuen Führung der Ermittlungsorgane wurden inzwischen vier Tatverdächtige festgenommen. Tomáš Szábo, ein ehemaliger Polizist, soll am 21. Februar 2018 aus seiner Luger, Kaliber neun Millimeter, die tödlichen Schüsse zunächst auf Martina Kušnírová, dann auf Jan Kuciak abgegeben haben. An der Tat beteiligt war nach Angaben der Ermittler Szábos Cousin Miroslav Marcek. Marcek, ein früherer Militärangehöriger, war Fahrer des für die Tat benutzten Peugeot 206.

In Haft befinden sich ferner der Unternehmer Zoltán Andrusko aus Komárno sowie Alena Zsuzsová. Zsuzsová fungierte offenbar als Übermittlerin des Mordauftrags, sie händigte den Tätern – so die Polizeiangaben – auch eine Summe von 40.000 Euro aus. Der eigentliche Auftraggeber, so die ermittelnde Staatsanwaltschaft, sei jedoch der Pressburger Unternehmer Marian Kocner. Kocner war Gegenstand der Recherchen des Journalisten. Kuciak hatte aufgedeckt, dass der Unternehmer Beziehungen sowohl zu höchsten politischen Kreisen als auch zu mafiösen Strukturen unterhielt. Bereits geraume Zeit vor dem Mord hatte Kocner gedroht, „Kuciak und seine ganze Familie auszulöschen“.

Journalisten bilden Netzwerk

Der Anwalt der Familie Kuciak, der frühere Innenminister Daniel Lipšic, äußerte die Hoffnung, dass die Ermittlungen nun zügig weitergehen und „robust geführt“ würden. Lipšic erklärte jedoch auch, dass hohe politische Kreise und solche der Polizei und des slowakischen Geheimdienstes zunächst die Ermittlungen behindert hätten. Erst die Ablösung der Spitzen von Kriminalpolizei und Antikorruptionsbehörde hätte schließlich Bewegung in die Aufklärung gebracht.

Der Generalstaatsanwalt der Slowakei, Jaromir Cižnár, kündigte alsbaldige weitere Aufklärung an. Aus Daten der von den Tatbeteiligten beschlagnahmten Computer und Mobiltelefone ging hervor, dass weitere Anschläge gegen slowakische Juristen und Polizisten, die mit der Aufklärung von Korruptionsaffären befasst waren, geplant wurden. Dies konnte mit der Verhaftung jedoch unterbunden werden.

Nicht nur die Redaktion von Aktuality.sk hat sich die völlige Aufklärung des Mordanschlags auf ihren Kollegen Kuciak zur Aufgabe gemacht. Landesweit hat sich ein Netzwerk von investigativen Journalisten organisiert, die Wirtschafts- und politische Aktivitäten verfolgen, Datenbanken durchforsten und so das ganze Ausmaß der Verstrickung führender slowakischer Persönlichkeiten in dem Sumpf von Korruption und krimineller Betätigung aufdecken wollen. Zwar hatten die machtvollen Protestdemonstrationen in den Wochen nach dem Mord an Kuciak und seiner Lebensgefährtin den Regierungswechsel nach sich gezogen, doch sind die politischen Eliten immer noch dieselben.

„Eine vollständige Aufklärung des Mordes wird uns zwar nicht den Sohn zurückbringen, aber vielleicht doch eine Veränderung in der Gesellschaft befördern“, hoffen die Eltern von Ján Kuciak.