Im Kosovo feiern sich gleich zwei als Wahlsieger

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Kosovos Opposition hat laut einer ersten Nachwahlbefragung die vorgezogene Parlamentswahl am Sonntag klar für sich entschieden: Mit jeweils 30 Prozent lieferten sich demnach die beiden bisherigen Oppositionsparteien, die bürgerliche LDK und die linksnationale Vetevendosje (VV), bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Erstmals seit der Unabhängigkeit droht der dem Präsident Hashim Thaci nahestehenden PDK mit nur 22,28 Prozent die Verbannung in die Opposition. Dabei lag die Wahlbeteiligung mit 44 Prozent etwas über der Wahl von 2017 (42 Prozent).

Auch die anderen Regierungsparteien mussten laut den ersten Prognosen Federn lassen. Die AAK des scheidenden Premiers Ramush Haradinaj kam demnach nur noch auf 10,58 Prozent der Stimmen. Die in einem Wahlbündnis mit der von der PDK abgesplitterten Nisma angetretene AKR von Außenminister Begjat Pacolli drohte mit 4,41 Prozent gar an der Fünfprozenthürde zu scheitern.

Wiederbelebung des Dialogs mit Serbien

Mit ersten inoffiziellen Auszählergebnissen wurde in Pristina erst gegen Mitternacht gerechnet. Die stärkste Partei hat nach der Verfassung das Recht, sich als erste an einer Regierungsbildung zu versuchen. Sollte die LDK die stärkste Kraft des Landes werden, dürfte mit deren Spitzenkandidatin Vojsa Osmani erstmals eine Frau das Premieramt übernehmen. Liegt die VV vorne, könnte der frühere Studentenführer Albin Kurti Kosovos nächster Regierungschef werden. Falls sich die Prognosen bestätigen und die AKR aus dem Parlament sollte, scheint eine Koalition der bisherigen Oppositionsparteien LDK und VV die wahrscheinlichste Option. Denn beide Parteien hatten vorab eine Koalition mit der PDK resolut ausgeschlossen.

Egal, wie sich Kosovos Regierung nach den Parlamentswahlen zusammensetzt: Die Wiederbelebung des Dialogs mit Serbien und das anvisierte Nachbarschaftsabkommen dürften für sie die größte Herausforderung sein.

Die Ausgangslage ist nach vier vorzeitig gescheiterten Regierungen beim Staatsneuling klar: Eigentlich müsste sowohl Pristina als auch Belgrad an einem raschen Ausgleich gelegen sein. Für den seit 2008 unabhängigen, aber von Belgrad noch stets nicht anerkannten Kosovo ist die Problembeziehung zu Serbien das größte Entwicklungshemmnis: Noch immer behindert Serbien den Staatenneuling mithilfe Moskaus in der internationalen Arena nach Kräften.

Auch für die Neuen wird es schwer

Umgekehrt kann EU-Anwärter Serbien ohne eine zumindest faktische Anerkennung der Ex-Provinz nicht mit dem anvisierten Beitritt in Europas Wohlstandsbündnis rechnen. Denn an einem Import des Dauerstreits der einstigen Kriegsgegner hat Brüssel keinerlei Interesse.
Doch trotz großen Drucks der EU und USA ist es um die Kooperation der unwilligen Nachbarn bisher schlecht bestellt. Der von der EU forcierte Dialog der einstigen Kriegsgegner liegt schon seit über zwei Jahren still. Statt Aussöhnung ist eine Politik der Nadelstiche angesagt.

Der Druck auf Pristina zur Aufhebung der vor Jahresfrist eingeführten Strafzölle von 100 Prozent auf serbische Einfuhren als Vorbedingung für eine Wiederaufnahme der Gespräche dürfte sich nach der Wahl noch erhöhen. Doch wie ein Ausgleich zwischen Serbien und Kosovo zustande kommen und aussehen könnte, ist noch völlig ungewiss. Zu einem Abkommen mit Pristina könnte es in „fünf Monaten, fünf Jahren oder nie“ kommen, umschrieb Serbiens allgewaltiger Staatschef Aleksandar Vucic kürzlich die Ausgangslage.
Unterdessen feierten Sonntagabend einige hundert Anhänger der Vetevendosje in Pristina bereits den Sieg, da die Partei ihren Erhebungen zufolge gewonnen zu haben glaubt. Und wie das bei knappen Zwischenständen so ist, behauptet die LDK dasselbe – und hat sich ebenfalls zum Sieger erklärt.

 

 

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Pristina