Europäische UnionIm Falle eines Falles übernimmt Timmermans alles

Europäische Union / Im Falle eines Falles übernimmt Timmermans alles
EU-Klimaschutz-Kommissar Frans Timmermans soll im Notfall den Brüsseler Betrieb am Laufen halten Foto: EU/Dati Bendo

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Als vorbestimmter Überlebender kann auch der Wohnungsbauminister US-Präsident werden, wie die US-Serie „Designated Survivor“ spannend erzählte. Angesichts der Ukraine-Reise der kompletten EU-Führungsspitze stellt sich diese Frage nun auch in Brüssel.

Es gab die Frage im russischen Staatsfernsehen unmittelbar nach der Ukraine-Reise der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, ob die russischen Militärs davon wirklich nichts wussten und ob sie nicht gezielt eine Rakete hätten einsetzen können. Und es gibt am Freitag den EU-Ukraine-Gipfel in oder bei Kiew, an dem sowohl die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit zahlreichen Kommissarinnen und Kommissaren als auch EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell in die Ukraine reisen. Es ist also keine abseitige Frage, was passiert, wenn man hypothetisch einmal eins und eins zusammenzählt.

Eric Mamer hat es getan. Er ist in Brüssel Sprecher der Europäischen Kommission. Und er bestätigte auf Anfrage „Überlegungen in der Kommission zur sogenannten Geschäftskontinuität“. Sprich: Bei Reisen der Hauptverantwortlichen wird auch immer ein Kommissar oder eine Kommissarin bestellt, der oder die im Ernstfall den Hut aufhat, um die Arbeitsfähigkeit der EU-Kommission sicherstellen zu können, „wenn es einen Grund dafür gibt“, wie sich Mamer ausdrückte. Die Kommission verfügt über acht Vize-Kommissionspräsidenten. Drei davon haben als „leitende“ beziehungsweise „geschäftsführende“ Vizepräsidenten eine herausragende Rolle: der Handelskommissar Valdis Dombrovskis aus Lettland, die Digital- und Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark und der Klimaschutz-Kommissar Frans Timmermans aus den Niederlanden. Er ist nicht nur mit dem zentralen EU-Projekt „Green Deal“ ständig im Rampenlicht, sondern auch formal als Erster Geschäftsführender Vizepräsident in einer ständigen Ersatzrolle für die höchste Repräsentation der Kommission.

Falls von der Leyen (64) also etwas zustoßen sollte, würde der sozialdemokratische Timmermans (61) übernehmen, um das Schiff der mehr als 30.000 EU-Beamten zu steuern. Dann träte im übrigen geschäftsführend einer an die Spitze der Kommission, der 2019 – anders als von der Leyen – als Spitzenkandidat den Europawahlkampf bestritten hatte. Eine reguläre Neubesetzung bräuchte jedoch dann auch förmlich die Zustimmung sowohl des Rates der Staats- und Regierungschefs als auch des Parlamentes. Das unterscheidet die EU dann doch erheblich vom Weißen Haus.

Viele Details des Kiew-Gipfels noch unklar

Sowohl die Ukraine als auch die EU-Kommission tun jedoch alles, damit es nicht so weit kommt. Nahezu alle EU-Repräsentanten haben in der Ukraine bereits Zeiten in Luftschutzkellern verbracht, wenn während ihrer Besuche Alarm ausgelöst werden musste. Zudem hält sich die Kommission über viele Details noch bedeckt: Wer nun genau mitreist, wann die Reise wie verläuft, wo letztlich die Treffen stattfinden und zu welchen Uhrzeiten diese sein sollen – alles vertraulich. Auch die Tagesordnung war am Dienstag noch nicht veröffentlicht. Dem Vernehmen nach soll aber die EU-Mitgliedschaft der Ukraine zu den Themen des Austausches gehören. Schließlich wird der gesamte Gipfel an diesem herausfordernden Ort als großes Symbol für die Anbindung der Ukraine an die EU inszeniert. Daneben dürften auch neue Finanzhilfen für die Ukraine, humanitäre Unterstützung und die Flüchtlingsentwicklung eine Rolle spielen.

Timmermans seinerseits hatte zuvor bereits angedeutet, dass sein Verbleib in Brüssel weniger mit Designated-Survivor-Überlegungen als ranghöchster Kommissar nach von der Leyen zu tun habe, als vielmehr damit, dass er gerade erst in Kiew gewesen sei. Deshalb könne er nun darauf verzichten, bei dieser Reise zusätzliche Sicherheitsanforderungen nötig zu machen.