Auf den Punkt mit Gerry Schintgen (F91)„Ich würde definitiv keinem Investor sagen, dass wir ihn nicht brauchen könnten“

Auf den Punkt mit Gerry Schintgen (F91) / „Ich würde definitiv keinem Investor sagen, dass wir ihn nicht brauchen könnten“
Gerry Schintgen Foto: Editpress/Tania Feller

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In unserer Rubrik „Auf den Punkt mit …“ fühlen wir Akteuren aus der BGL Ligue etwas anders auf den Zahn. Der Düdelinger Präsident Gerry Schintgen sprach dabei über eine besondere Reise nach Moskau, Investoren und die Note 1 im „Répu“. 

Tageblatt: Man kennt Sie als den Mann am Mikrofon. Was war der schlimmste Versprecher in Ihrer Stadionsprecher-Karriere?

Gerry Schintgen: Ganz ehrlich, es gibt keinen. Aber ich habe trotzdem eine kleine Anekdote, deretwegen mich die Kollegen noch hin und wieder aufziehen. Es war während des Europa-League-Heimspiels gegen Salzburg. Wir haben damals vor 1.576 Zuschauern gespielt, es war damals die komplette Sitzplatz-Kapazität. Ich habe der Presse über Mikrofon die Information durchgegeben und danach auf Englisch gesagt: „The ground is sold out.“ Darüber wird heute noch gelacht, weil eigentlich rund 4.000 Personen ins Stadion passen würden. Ich entdecke die Namen der Spieler meist eine Stunde vor Anpfiff auf dem Spielerbogen und bereite mich nicht speziell darauf vor. Nur bei den Begegnungen der Nationalmannschaft ist das manchmal schwieriger, wie am Mittwoch gegen Aserbaidschan …

Wann haben Sie mit einer Karriere als Verteidiger abgeschlossen und den Job in der Pressekabine angenommen?

Meine Spielerkarriere endete 1996. Ich war noch bei zwei Begegnungen im Europapokal dabei und stand später noch bei den Reserven im Tor. Sonntags bin ich dann noch mit der ersten Mannschaft mitgefahren. Meine größte Angst war damals, dass sich Keeper Serge Rohmann verletzen würde und ich ins Tor müsste. Ich hatte nicht einmal Handschuhe. Das Mikrofon habe ich später mit meinem Kollegen Bob Claude übernommen. Unser erster Einsatz war ein Testspiel gegen den 1. FC Köln, das wir 0:10 verloren haben. Übrigens hat mich damals sein Bruder Pit Claude für das Mikrofon bei den Länderspielen rekrutiert. Fünf Tage vor dem Länderspiel gegen Nordirland rief er mich 2013. Wir haben dann bemerkt, dass die U21 einen Tag früher in Düdelingen spielen würde – das war dann mein erster Einsatz. Ich bin damals sonntags mit meiner Tochter im Stadion gewesen, um die Nationalhymnen abzuspielen. Da haben die Anwohner sich bestimmt gefragt, was los sei. 

War es damals kein Verrat, die Seiten zu wechseln, als Sie Stade Düdelingen in Richtung Alliance verlassen haben?

Ich habe 75 bei Stade begonnen und bin 87 gewechselt. Das war damals kein Problem, denn Stade war gerade in die 1. Division abgestiegen und ich wollte als U21-Nationalspieler weiterhin in der Nationaldivision bleiben. Das ging reibungslos über die Bühne. Es gab im Laufe der Jahre auch Anfragen aus Wormeldingen und Tetingen, aber ich bin immer ein Düdelinger geblieben. Ich habe Vorstopper und „Back“ gespielt, aber jeder meiner Trainer hatte nur eine Ansage: Ich durfte nie über die Mittellinie. Es gab ein paar Eigentore, aber in meiner ganzen Karriere habe ich kein einziges Tor erzielt. 

Tagsüber haben Sie es in den „Human Ressources“ einer Bank mit den Sorgen des Personals zu tun. Wie oft hören Sie abends noch Beschwerden der F91-Mannschaft?

Ich trenne das ganz klar voneinander. Abends setze ich mir erst die zweite Kappe auf und suche das Gespräch mit Trainern oder Spielern. Ich muss sagen, dass das „Gesouers“ sich in Grenzen hält. Unser Sportdirektor Manou Goergen hat in dieser Hinsicht den direkteren Kontakt. Man braucht große Menschenkenntnis. Ich bin verantwortlich für ein halbes Dutzend Frauen, die ich wie eine Fußballmannschaft betreue. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen.

Mischen Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrungen im Job auch in Fußball-Transfergeschäfte ein?

Ich werde vom Trainerstab oder Manou Goergen informiert, wenn es interessante Profile gibt. Dann wird gemeinsam diskutiert, ob das finanziell machbar ist. Ich halte mich aus den Gesprächen komplett raus, höre zu und gebe mein Input, wenn man mich danach fragt. Ich würde dem Trainerstab niemals einen Spieler aufdrängen. Es ist bekannt, dass der Klub vorher andere Wege ging. Flavio Becca und seine Berater haben sich um die Transfers gekümmert. Jetzt sind wir autonom und regeln das selbst.  

Genießt man sportlichen Erfolg als Präsident ohne einen Investor eigentlich mehr?

Ich wäre froh, wenn ein Investor dahinterstehen würde. Dann hätten wir Planungssicherheit. Um auf die Frage zu antworten: Jein. Einerseits ist man autonomer, aber man macht sich mehr Gedanken. Ich würde definitiv keinem Investor sagen, dass wir ihn nicht brauchen könnten.

Sie sind zudem Schatzwart der Jugendkommission des Vereins. Fließt jetzt, wo Sie an der Spitze des Klubs stehen, mehr Geld in den Nachwuchs?

Ich habe diesen Posten aus Zeitgründen aufgegeben. Es fließt nicht weniger Geld. Die Jugendarbeit bleibt das mittelfristige Ziel. Momentan trainieren neun Jugendspieler mit der ersten Mannschaft. Aber in vier oder fünf Jahren müssten noch viel mehr Eigengewächse unter den 16 auf dem Spielerbogen sein. Dafür braucht es Geduld. Wir betreuen 350 Düdelinger Kinder und spielen eine große soziale Rolle. Jedes Kind, egal wie groß sein Talent ist, soll bei uns spielen können. 

Sie sind seit fast 50 Jahren mit dem Düdelinger Fußball verankert. Woher kommt diese Verbundenheit? 

Es sind mittlerweile 46 Jahre. Ich habe im November 1975 als Zehnjähriger bei den Stade-Scolaires begonnen. Die Frage, ob ich wechseln sollte, stellte sich nie. Mein erstes Spiel mit den Senioren bestritt ich mit 17. Es war in Niederkorn, ich war nur wegen Verletzungen und Sperren in den Kader gerutscht. Vor diesem Gegner hatte man großen Respekt. Am Ende hatte mir der „Répu“ die Note 1 gegeben – weniger ging nicht. Im ersten Pokalfinale gegen Beggen (1993) lagen wir 0:2 hinten. Damals spielten dort Leute wie Koch, Weis, Holtz, Scholten und Krings. Plötzlich stand es 2:2 und es entstand eine unglaubliche Euphorie im Stadion. Wir haben 2:5 verloren, aber in Düdelingen gefeiert, als hätten wir die Champions League gewonnen. 

Zu den anderen Highlights gehörte ebenfalls eine Europameisterschaft in Moskau …

1985 sind wir mit der U18 in Moskau angetreten. Eigentlich hatten wir die Qualifikation verloren, doch ein niederländischer Fan hatte einen Bengalo in den Strafraum geworfen. Koch hatte daraufhin nichts mehr gehört und gesehen. Luxemburg legte Protest ein und durfte zur EM. Ich musste erst einmal meine Eltern und die Schule um Erlaubnis bitten, denn ich war gerade auf der „Première“. Wir haben 0:5 gegen Russland verloren, 0:4 gegen die DDR und 0:2 gegen England. Wir standen damals Spielern wie Ulf Kirsten, Thomas Doll und Olaf Marschall gegenüber, bevor sie berühmt geworden sind … 


2 Fragen zum Wochenende

Am Samstag ist Hostert in Düdelingen zu Gast. Dieser Gegner hatte dem F91 im vergangenen Jahr die erste Saisonniederlage zugefügt. Ist die Mannschaft gewarnt?

Gegen Hostert hat es jede Mannschaft schwer. Sie haben gute Spieler und einen guten Trainer. Im vergangenen Jahr haben wir nur einen Punkt geholt. Ich erinnere mich an das Hinspiel. Ich habe Romain Schumacher (Ex-Präsident) in der 90. gesagt, dass ich zufrieden mit einem Punkt wäre – am Ende gingen wir leer aus. Im Rückspiel waren wir besser. Wir nehmen diese Partie jedenfalls sehr ernst.

Sieht man von den beiden Europapokalniederlagen ab, ist Düdelingen seit 13 Meisterschaftsspielen ungeschlagen. Ab wann kann offiziell von der Mission Titelgewinn gesprochen werden?

Es ist noch viel zu früh. Mein Ziel bleibt die Qualifikation für den Europapokal. Es sind viele Teams dabei, die sich gut verstärkt haben. Deshalb will ich nicht über Titel reden. Es war weder gegen die Jeunesse noch gegen Wiltz für uns einfach. Wir wollen erst einmal unser Hauptziel erreichen. Wenn mehr dabei rausspringt, umso besser.