„High Five!“ versammelt englischsprachige Texte von fünf Autorinnen aus Luxemburg

„High Five!“ versammelt englischsprachige Texte von fünf Autorinnen aus Luxemburg

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„High Five!“ ist die vierte Veröffentlichung und zweite Textsammlung von Black Fountain Press, dem Verlagshaus für englischsprachige Literatur aus Luxemburg. Fünf Autorinnen erzählen darin von der Demenz des Vaters, dem Leid des Blumenschenkens, dem sozialen Druck der Fortpflanzung oder einer Autofahrt durch den vernebelten Heimatort. Eine eklektische, manchmal ungleiche, aber durchaus vielversprechende Textsammlung.

Nach der Veröffentlichung von „Fresh from the Fountain“ – einer Sammlung von 29 Texten, die zeigen sollte, wie vielfältig und qualitativ hochwertig die englischsprachige Literatur hierzulande sein kann – war eigentlich die Publikation eines Romans geplant. „Leider fiel uns auf, dass es schwer ist, einen guten englischsprachigen Roman in Luxemburg zu finden“, so Anne-Marie Reuter, eine der drei Verlagsleiter von Black Fountain Press.

Die Alternative: eine Textsammlung, die einzelnen Autoren mehr Platz einräumt, sodass sich der Leser zwar nicht auf Romanlänge, dafür aber doch länger als in der vorigen Anthologie mit einigen der Autoren auseinandersetzen kann. Die Wahl, sich dabei auf fünf Autorinnen zu konzentrieren, sieht Anne-Marie Reuter nicht per se als feministisch an – obschon sie einräumt, dass dies die erste literarische Textsammlung hierzulande ist, die nur aus Werken von Autorinnen besteht.

„Aber ist es eigentlich von Relevanz, dies zu erwähnen? Niemand würde es hervorheben, wenn eine Textsammlung Werke von fünf Männern umfassen würde – abgesehen von einigen Menschen, die man dann als feministisch bezeichnen würde. Wir empfinden es als normal, Texte von fünf Frauen zu veröffentlichen, wenn wir Lust haben, Texte von fünf Frauen zu veröffentlichen. Aber vielleicht ist das feministisch. Damit habe ich kein Problem.“

Kein unbeschriebenes Blatt

Die englische Sprache ist in der Luxemburgensia seit kurzem stärker vertreten – das liegt einerseits daran, dass sich viele junge Autoren mittlerweile auch öfter auf Englisch ausdrücken, andererseits aber auch an der Pionierarbeit, die Black Fountain Press seit einigen Jahren leistet. So rückt ein Aspekt der luxemburgischen Literatur ins Rampenlicht, der bisher eher peripher wahrgenommen wurde.

„Die Luxemburgensia war sehr lange auf die drei Landessprachen konzentriert. Wechselt man allerdings die Perspektive, dann merkt man, dass sich Autorinnen wie Wendy Winn oder Cecile Somers, unter Expats bekannte Figuren, hierzulande ein Renommee in den englischsprachigen literarischen Kreisen aufgebaut und zudem bereits Texte in ausländischen Literaturzeitungen veröffentlicht haben.“ Larisa Fabers zweiter Theatertext, der die Textsammlung eröffnet, wurde am 30. September im Camden People’s Theater in London aufgeführt, der Text war von einer Jury für junge Autoren gewählt worden. Joanna Easter unterrichtet kreatives Schreiben in Schottland. Und Fabienne Faust hatte bereits 2014 mit „Tu veux danser?“ einen Lyrikband bei den Editions Phi herausgebracht. „Wenn die englischsprachige Literatur hierzulande noch als peripher gilt, dann hat das damit zu tun, dass die Veröffentlichungsmöglichkeiten bisher begrenzt waren. Das Englische hat aber in den letzten Jahren konstant an Wichtigkeit gewonnen, es gibt nun systematisch Veröffentlichungen in dieser Sprache – auch wenn wir als kleines unabhängiges Verlagshaus, das wir nicht hauptberuflich betreiben, eine beschränkte Anzahl an Büchern veröffentlichen können – und wenn ich sehe, dass in den literarischen Wettbewerben immer mehr Autoren die englische Sprache wählen, kann ich nur hoffen, dass die englischsprachige Literatur in den kommenden Jahren einen anderen Stellenwert haben wird.“

Es gibt bereits eine ganze Reihe an englischsprachigen Book und Writing Clubs, erklärt Anne-Marie Reuter. „Der bekannteste davon ist Jess Bauldrys ’Luxembourg Writers Who Talk‘. Daneben gibt es Theaterclubs wie ’Story in Motion‘ und den ’New World Theatre Club‘ sowie die Diskussionsgruppe ’Luxembourg Writing Saloon‘. Literaturbegeisterte Menschen finden zueinander, so oder so.“

Drei verschiedene Genres

In der Textsammlung „High Five!“ finden fünf literaturbegeisterte Autorinnen zueinander. Die fünf Texte könnten unterschiedlicher nicht sein, was man bereits an den praktizierten Genres merkt: „High Five!“ besteht aus einem dramatischen Monolog, einer Kurzgeschichte und drei kurzen Lyriksammlungen. Der erste Text, „stark bollock naked“ von der Schauspielerin Larisa Faber, befasst sich mit dem sozialen Druck zur Reproduktion.

Eine junge Frau steht nackt auf der Bühne. Während ihres Monologs wird ihr Körper mithilfe von Video-Mapping als Projektionsfläche genutzt – eine formale Umsetzung der im Text entwickelten Idee, dass der weibliche Körper in der kollektiven Wahrnehmung so sehr mit Vorstellungen und Erwartungen überladen wird, dass sich die Erzählerin ihren Weg zur Selbsterkenntnis zäh und langsam bahnen muss.

So erzählt die Figur von ihren alljährlichen Besuchen beim Frauenarzt sowie dem Druck, der Kommentaren wie „You’re not getting any younger“ innewohnt und dem sie irgendwann erliegt, bis sie dann (zu spät) feststellt, dass sie eigentlich gar kein Kind bekommen will – der Leidensweg der Figur wird mit (manchmal etwas zu aufgesetzt und leicht überdreht wirkendem) ironischen Unterton beschrieben.


Das Buch

High Five!High Five!

Black Fountain Press, 2019
ISBN: 978-99959-998-3-4

„High Five!“ ist die vierte Veröffentlichung von Black Fountain Press


Für Larisa Faber wird der Erwartungsdruck, dass man als Frau eine rein biologische Funktion erfüllen zu habe, heutzutage durch die Sakralisierung des Individuums verstärkt. „Die soziale Konditionierung beginnt sehr früh – mit Babypuppen und Kinderwagen ermutigt das Spielwaren-Marketing Mädchen (und nicht etwa Jungen), das Familienleben ’nachzuspielen‘. Dies spiegelt sich später in der Familienpolitik wider: Solange eine Familie mit Kindern finanziell favorisiert wir und die Familie mit Kindern sowie die kinderlose Familie nicht gleich wahrgenommen werden, wird dieser Druck nicht wirklich abnehmen.“

Fabienne Fausts Gedichtsammlung „Journeys“ malt in teils abstrakten, manchmal aber auch äußerst prosaischen Versen Szenen, in denen vom Geschehen oftmals nur noch Spuren der Abwesenheit bleiben. Im Gegensatz zu den anderen beiden Gedichtsammlungen ist Fausts Lyrik weniger erzählerisch, obschon Themen wie Einsamkeit und Wortkargheit im Zeitalter des 5G („one hundred and ten Facebook friends/and the black cormorant of loneliness“), Drogenabhängigkeit oder das Leben im postkolonialen Zeitalter (das schöne „Shaping a Habitat“) aufgearbeitet werden.

Verschiedene Beobachtungen über die Tinder-Generation wirken leicht oberflächlich, in den besten Gedichten wird die Wut der Autorin aber in kurzen, präzisen Versen transzendiert: „glaciers are calving right under our window/not many have managed/to invent love//here in the cathedral cities yellow with stolen Inka Gold/watch me as I play with water//which for you is rationed//then go and tell me – that lie which we hold as self-evident –/that we share/the same journey“.

Männer in Garagen

Wendy Winns Sammlung „thicker than water“ beginnt mit „Guys in garages working on cars“ – das Gedicht ist eine Art ethnologische Auseinandersetzung mit einem sehr männlichen Ritual (in einer Garage neben seinem Auto zu hocken), legt dann aber den Schwerpunkt auf Erinnerungen aus dem Familienleben – das Großziehen der Kinder, die Demenz des Vaters. Geschrieben sind diese Gedichte manchmal in freiem Vers, manchmal aber auch nach klassischeren Reimschemen.

Die formale Variation geht leider auch einher mit einer schwankenden Textqualität: Wendy Winns Texte befinden sich auf einem schmalen Grat zwischen Kitsch und Einfühlsamkeit. Einige der Texte über den dementen Vater sind bewegend, Winn findet den richtigen Ton zwischen Emotionalität und Distanzierung („Wake up and smell the coffee“ oder „Eye opener“), anderswo gelingt es der Autorin dann aber nicht, sprachliche Klischees zu vermeiden („gliding forward to the future/dipping my toes in the water of the past“).

Blumenschenken

Cecile Somers’ „Dr. Alzheimer’s Jukebox or The Randomness of Forgotten Thoughts“-Gedichte erzählen kurze Alltagsepisoden und sind humorvoll – das erste, längste Gedicht „Lately“ verdichtet das Ende einer Beziehung, macht sich übers Blumenschenken lustig und schafft einen überzeugenden Gegenpart zur larmoyanten Gefühlslyrik. Einige Gedichte funktionieren vielleicht besser bei Lesungen als auf dem Papier – dass Somers ihre Gedichte überzeugend vortragen kann, hat sie während der Buchvorstellung von „High Five!“ auf jeden Fall unter Beweis gestellt. Die Autorin arbeitet zurzeit an einem künftigen Kultroman über Menschen, die im Cactus-Supermarkt der „Belle Etoile“ leben.

In Joanna Easters „Driving Through My Home Town At Night“ kehrt die Erzählfigur, wie der Titel es bereits verdeutlicht, in ihre Heimat zurück, fährt mit ihrer „metallenen Kiste“ durch die Dunkelheit (es kommt ihr vor, als wäre sie „on a treadmill, driving on the spot“), verzeichnet Änderungen („pebble-dash atrocities in grey and beige“), aber auch den Stillstand, der Erinnerungsfragmente auslöst. Ob die Handlungswendung, die der Erzählung einen etwas aufgesetzt wirkenden dramatischen Bogen verleiht, wirklich notwendig gewesen wäre, kann man bezweifeln – oder sich an der sprachlichen Genauigkeit und den nebligen Bildern, die Easters Erzählung hervorruft, ergötzen. Als „Nation-Branding“-Text über die Schönheit der schottischen Landschaft wird diese Erzählung zum Glück nicht zweckentfremdet werden.

Auch wenn „High Five!“ manchmal etwas unausgewogen ist, bietet die Textsammlung einen vielversprechenden Einblick in das Schaffen von fünf Autorinnen und das englischsprachige Schreiben in Luxemburg.