CoronavirusHier eine Sorge, vielerorts eine Bedrohung: Wie die Delta-Variante die Welt in Atem hält

Coronavirus / Hier eine Sorge, vielerorts eine Bedrohung: Wie die Delta-Variante die Welt in Atem hält
Diplomüberreichung in Wuhan: Dort, wo alles losging, ist inzwischen vieles besser, doch auch China kämpft gegen die Delta-Variante an Foto: AFP

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In Europa laufen die Impfkampagnen seit Wochen auf Hochtouren und der Sommer naht. Doch jetzt trübt die Delta-Variante des Coronavirus die Stimmung. Aber besonders in armen Ländern mit Impfstoffmangel geht die Sorge um – und China packt mal wieder den Holzhammer aus.

Boris Johnson musste am Montag geplante Lockerungen um einen Monat verschieben – eine Botschaft, die keinem Regierungschef leicht über die Lippen geht. Schuld ist die Delta-Variante, jene Mutation des Coronavirus, die zuerst in Indien festgestellt wurde und dort noch vor wenigen Wochen großes Leid auslöste. In England steige die Zahl der Fälle um 64 Prozent je Woche und es müssten immer mehr Patienten auf den Intensivstationen behandelt werden, erklärte Johnson, der bisher nicht wirklich bekannt war für einen besonders vorsichtigen Umgang mit der Pandemie.

Doch die Delta-Variante ist besorgniserregend, so sieht das auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – und hat sich inzwischen weltweit verbreitet.

Jüngsten Forschungen zufolge soll die Mutation um ein Vielfaches ansteckender und auch gefährlicher sein als vorherige Varianten. Eine Infektion mit der Delta-Variante verdoppele laut einer Studie das Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Zudem scheinen Impfungen etwas weniger wirksam gegen die Mutation zu sein, wie aus der im Fachblatt Lancet veröffentlichten Untersuchung schottischer Forscher hervorgeht.

Auch würden bis zu zwölf Prozent der Patienten innerhalb von drei bis vier Tagen nach dem Auftreten der Symptome schwer oder kritisch krank, sagte Guan Xiangdong, Direktor der Intensivmedizin an der Sun-Yat-sen-Universität in der Stadt Guangzhou, im chinesischen Staatsfernsehen. In der Vergangenheit habe der Anteil bei zwei oder drei Prozent gelegen, gelegentlich aber auch bei bis zu zehn Prozent. Ärzte in Großbritannien und Brasilien haben von ähnlichen Trends berichtet.

Flotte aus 60 Drohnen

Im Südosten Chinas war es vor kurzem zu einem Ausbruch mit der Delta-Variante gekommen, als eine 75-jährige Frau in Liwan, einem Stadtteil von Guangzhou, am 21. Mai zum ersten bestätigten Fall der Delta-Variante in China wurde. Sie besuchte ein Restaurant und steckte schließlich ihren Ehemann an. Die jüngsten Infektionen gingen von dort aus und haben sich seitdem auf andere Gebiete der knapp 15 Millionen Einwohner zählenden Stadt ausgebreitet.

Die Folge sind strenge Abriegelungen für bestimmte Straßen. In einigen Gegenden werden keine Menschen in und aus einer bestimmten Zone gelassen und die Bewohner dürfen ihr Gebäude nicht verlassen. Es wurden 24 Stunden lang Kontrollpunkte eingerichtet, um die Bewegung in und aus diesen Gebieten zu überwachen. Fahrerlose Autos liefern dort das Essen aus, und zu den strengen Kontrollen über Kameras und Smartphones kam vor wenigen Tagen noch eine Flotte aus 60 Drohnen hinzu, die die Menschen aus der Luft kontrollieren.

Am bedrohlichsten ist die Lage aber nicht für China und auch nicht für die USA oder Europa – sondern für jene Teile der Welt, in denen die Menschen noch kaum oder gar nicht geimpft sind, wodurch sich die Delta-Variante dort ungebremst zu verbreiten droht.

So hat Afghanistan mehr Corona-Tote binnen einem Tag verzeichnet als je zuvor seit Beginn der Pandemie. Am Sonntag meldeten die Behörden 50 Todesopfer seit dem Vortag. Die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich viel höher, da der Großteil der Erkrankten nicht in Krankenhäusern, sondern zu Hause stirbt. Als Treiber der dritten Welle wird die Delta-Variante gesehen. Es gibt keine Reisebeschränkungen nach Afghanistan. Täglich landen fast ein Dutzend Flüge aus Indien.

Auch in Teilen Südostasiens, wo die Corona-Pandemie scheinbar nie richtig ausgebrochen war, ist es jetzt anders. Ob Thailand, Vietnam oder Malaysia: Viele Länder erleben ihre bisher schwersten Wellen. Das aufstrebende Schwellenland Malaysia ist seit dem 1. Juni nach tagelangen Rekord-Infektionen mit mehr als 7.000 Fällen pro Tag im „totalen Lockdown“. Andere Teile Asiens, wie etwa die Mongolei, erleben ebenfalls ihre bisher schlimmsten Ausbrüche. Auch die Inselrepublik Taiwan bemüht sich, die steigenden Fallzahlen unter Kontrolle zu halten. Derzeit sind das täglich einige Hundert. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass Taiwan 2020 für 250 Tage überhaupt keine neuen Infektionen gemeldet hatte.

Sechs Länder ohne Impfung

Afrika kämpft ebenfalls mit rasant steigenden Infektionszahlen und Impfstoffmangel. Angesichts der Lage warnte die WHO vor wenigen Tagen, dass Afrika nicht auf eine dritte Pandemie-Welle vorbereitet sei. Besonders besorgt zeigte sich die WHO wegen „exponentiell“ steigender Corona-Zahlen in der Demokratischen Republik Kongo. „Die dritte Welle von Covid-19 ist bereits da“, sagte ein Vertreter des kongolesischen Gesundheitsministeriums. Es handele sich um die Delta-Variante und die Beta-Variante aus Südafrika.

In Uganda stieg die Zahl der Fälle innerhalb einer Woche um 131 Prozent, mit Ausbrüchen in Schulen und einem Anstieg der Fälle unter Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Auch in Angola und Namibia stiegen die Zahlen an. Südafrika, offiziell das am stärksten betroffene Land des Kontinents, verschärfte zuletzt die Corona-Beschränkungen wieder.

Nur zwei Prozent der Afrikaner haben bis heute mindestens eine Impfung erhalten, während 24 Prozent der Weltbevölkerung geimpft sind. Sechs Länder haben noch gar nicht mit der Impfung begonnen, vier davon liegen in Afrika: Tansania, Burundi, Tschad und Eritrea.

Auch die allermeisten Staaten Südamerikas kämpfen zurzeit gegen dritte Wellen an. Nicht nur in Brasilien gibt es weiterhin hohe Fall- und Todeszahlen. In den vergangenen Wochen scheinen vor allem Peru und Argentinien die Kontrolle über die Ausbrüche verloren zu haben. Fast überall wurde auch die Delta-Variante bereits nachgewiesen. (*mit Material aus den Agenturen)