Hunderttausende demonstrieren gegen Madrid

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Im Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien greift der spanische Regierungschef Mariano Rajoy mit harter Hand durch. Mit ruhiger, aber resoluter Stimme kündigte der Ministerpräsident am Samstag die Absetzung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona sowie die Ausrufung von Neuwahlen zum Regionalparlament innerhalb von sechs Monaten an. „Das war weder unser Wunsch noch unsere Absicht, aber wir wurden dazu gezwungen“, sagte Rajoy. Die Gegenseite habe das „wohl so gewollt“.

Der katalanische Präsident Carles Puigdemont hüllte sich lange in Schweigen. Nachdem er aber in Barcelona an einer Protestkundgebung von Hunderttausenden Separatisten teilgenommen hatte, wies er am späten Abend die angekündigten Maßnahmen als „Putsch“ sowie als „inakzeptablen Angriff auf die Demokratie“ zurück. Es handele sich um die „schlimmste Attacke“ gegen Katalonien seit der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975). In seiner TV-Ansprache beteuerte der liberale Politiker, man werde „weiter kämpfen“.

Konkrete Gegenmaßnahmen nannte der 54-Jährige nicht. Er will aber eine Sitzung des Regionalparlaments einberufen, um „eine Antwort“ zu erarbeiten. Bei der Zurückweisung eines letzten Ultimatums aus Madrid hatte Puigdemont am Donnerstag gewarnt, auf die Anwendung von Zwangsmaßnahmen könne Katalonien mit einer Unabhängigkeitserklärung reagieren.

450.000 Demonstranten in Barcelona

Als die Rajoy-Rede am frühen Nachmittag im Fernsehen lief, schlugen unzählige Katalanen aus Protest auf Balkonen und von Fenstern aus spontan auf leere Töpfe. Der Lärm war in vielen Städten überall zu hören. Abends gingen nach Polizeischätzung rund 450.000 Anhänger der Sezessionsbewegung in Barcelona auf die Straße. Bei der schon vor einigen Tagen nach der Inhaftierung von zwei führenden Aktivisten einberufenen Kundgebung skandierten die Demonstranten „Freiheit, Freiheit!“. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie „Help Catalonia!“

Madrid muss die Pläne zunächst dem Senat zur Billigung vorlegen. Das „grüne Licht“ gilt aber als Formsache, da Rajoys konservative Volkspartei (PP) in der zweiten Parlamentskammer über eine Mehrheit verfügt. Die Abstimmung im Senat findet am nächsten Freitag statt.

Vor der Bekanntgabe der Zwangsmaßnahmen – die in dieser Schärfe nicht unbedingt erwartet worden waren – schien ganz Spanien stundenlang den Atem anzuhalten. Viele TV-Sender berichteten schon früh live aus dem Madrider Regierungssitz Palacio de la Moncloa, in Cafés blickten die Menschen aufgeregt und nervös zu TV-Schirmen, sogar mehr noch als vor einem entscheidenden Fußball-Topspiel.

Autonomie Kataloniens wird nicht ausgesetzt

Nach einem gut zweistündigen außerordentlichen Treffen des Ministerrats trat Rajoy vor die Presse und betonte, Puigdemont werde bei den Neuwahlen zum Regionalparlament nicht antreten und auch keine Kandidaten vorschlagen können. Die Befugnisse des Parlaments werden bis zur Auflösung stark eingeschränkt. Zudem will Madrid unter anderem die Kontrolle über die Polizei, über die Finanz- und andere Behörden und auch über amtliche Medien. Diese Maßnahmen bedeuteten aber auf keinen Fall die Aussetzung der Autonomie und der Selbstverwaltung Kataloniens, beteuerte Rajoy.

Rajoy reagiert mit den Zwangsmaßnahmen auf die Weigerung von Puigdemont, am vorigen Donnerstag ein Ultimatum zu erfüllen und das Streben nach Unabhängigkeit zu beenden. Verhandlungsangebote der Gegenseite schlug er erneut aus. Keine Regierung dürfe akzeptieren, „dass das Gesetz verletzt und ignoriert wird“, sagte Rajoy.

Die Regierung Puigdemonts hatte am 1. Oktober ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen Madrids ein „verbindliches Referendum“ über die Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent der Teilnehmer stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei etwas mehr als 40 Prozent. Madrid sprach unter anderem von einem „Putsch“.

Rechtliche Grundlage der Absetzungspläne ist Verfassungsartikel 155, der bisher in Spanien nie zur Anwendung gekommen war. Rajoy hatte am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel gesagt, die Maßnahmen seien mit zwei der drei stärksten Oppositionsparteien abgesprochen worden. Politiker der sozialdemokratischen PSOE und der liberalen Partei Ciudadanos, mit denen das Vorgehen abgestimmt wurde, hatten zuvor Ende Januar als möglichen Wahltermin genannt.

Neben dem Urnengang, mit dem Madrid die Hoffnung auf einen Sieg der Unionisten verbindet, nannte Rajoy als weitere Hauptziele der Zwangsmaßnahmen die Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit und des friedlichen Zusammenlebens in Katalonien sowie die Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums.

König bezeichnet Loslösungspläne als „inakzeptabel“

Seine Regierung hatte am Freitagabend auch Rückendeckung vom spanischen König Felipe VI. erhalten. Der König bezeichnete die katalanischen Loslösungspläne als „inakzeptabel“. Mit Hilfe „seiner rechtmäßigen demokratischen Institutionen“ werde Spanien den Konflikt lösen, sagte er im nordspanischen Oviedo bei der Verleihung der Prinzessin-von-Asturien-Preise. Katalonien sei ein Teil Spaniens und werde es auch in Zukunft bleiben.

Nach der Bekanntgabe Rajoys gab es aber nicht nur Zustimmung in Spanien. Der linke Politiker Pablo Echenique zeigte sich schockiert. Er kritisierte: „Die Demokratie in Katalonien wurde außer Kraft gesetzt. Nicht nur in Katalonien, in ganz Spanien.“ Echenique gilt als eine der wichtigsten Figuren der linken Partei Podemos, der drittstärksten Kraft im Madrider Parlament. Beobachter äußerten derweil Bedenken, wie die Regierung Rajoys Katalonien in den nächsten Monaten „von Madrid aus“ zu verwalten gedenke.

Der Sprecher von Puigdemonts liberaler Partei PDeCAT, Josep Lluís Cleries, bezeichnete die Zwangsmaßnahmen als „Putsch gegen die Demokratie“. Er zog sogar Vergleiche mit der Franco-Diktatur (1939-1975): „Das riecht nach Franquismo. Wir sind zurück in 1975.“

BillieTH
22. Oktober 2017 - 14.39

die Belgische Revolution von 1830 war fur die Niederlande Verfassungswiedrig. Sollen wir uns erneut bei Belgien anschliessien. wenn man Juncker und due EU anhort, siet es so aus.

Jeannosch
22. Oktober 2017 - 12.50

Machen die Katalanen dies? Nein ,sie sind Spanien unterworfen, müssen der spanischen Sprache Vorrang geben.Würden Sie das Deutsche als Nationalsprache in Luxemburg anerkennen?

weit
22. Oktober 2017 - 10.27

Wir sind auch Luxemburger gewollt oder nicht, setzen unsere Sprache aber nicht über die der Nachbarn

Jeannosch
22. Oktober 2017 - 10.25

Kann ein eigenständiges Volk einer Verfassung unterliegen derer es unter Zwang zugestimmt hat?

Jeannosch
22. Oktober 2017 - 10.23

@weit: Die Vergangenheit ist omnipräsent, ein König von Francos Gnaden ,eine Regierung die das Erbe Francos verteidigt. Gerade Sie ,wo Sie Luxemburg als Beispiel zitieren, sollten wissen was Unabhängigkeit bedeutet.Verständlich ,daß man seinen Kinder das Katalanische lehrt, ihnen die Bräuche ihres Volkes näher bringt, ihnen die katalonische Geschichte lehrt.Die kulturelle Identität eines Volkes ist wichtiger Bestandteil der Völker in Europa ergo die Katalanen sind keine Spanier ,ihnen gebührt ihre Eigenständigkeit, ihre Unabhängigkeit.

michel konrad
22. Oktober 2017 - 10.14

So wie Viele hier argumentieren gegen den Unabhängigkeitsbestrebungen von Catalonien, wäre Luxemburg und Belgien nie entstanden

weit
22. Oktober 2017 - 9.48

falsch verstanden:Franko wird aus dem Schrank gezogen um wieder zu beweisen wie die Katalanen einst unterdrückt wurden und Rajoy ist dann auch ein Franko.Aber das war einmal und ist nicht mehr.Man soll nicht in der Vergangenheit leben und wir Luxemburger haben nicht nach dem Krieg die deutsche Sprache verbannt.

TseKa
22. Oktober 2017 - 9.17

Wie bitte? Nicht die Katalanen ziehen Franco aus dem Schrank. Eher ein Rajoy tut das mit einer von Franquismus durchsetzten Verfassung.

Lucy Linburhuc
22. Oktober 2017 - 8.48

Der Wille vom Volke, falls sie eine Mehrheit darstellt, immer über irgendwelche Paragraphen stehen. Daher neues Referendum mit der Legitimität eines EU Urteils. Juncker, werde nüchtern!

Jeannosch
22. Oktober 2017 - 8.40

Som i serem gent catalana, tant si es vol com si no es vol,.....

weit
22. Oktober 2017 - 8.29

Die Katalanen haben die Autonomie missbraucht um ihre Kinder in den Schulen gegen Spanien zu erziehen. Jugendliche die Franko aus dem Schrank nehmen sind das irre Resultat.Wozu könnten die Katalanen eine totale Unabhängigkeit missbrauchen etwa Anspruch auf Perpignan und die Balearen?

Auslander
21. Oktober 2017 - 22.40

Artikel 155 von spanischer Verfassung ist eine Kopie von Artikel 37 der deusche Verfassung: wenn eine Landandregierung untreu zum Bund wird, der Bundeskanzler (also, Rajoy) kann/darf/muss das Gesetz wieder einfuhren, sogar mit Zwang. Separatisten haben den Putsch getan, nicht diejenige, die eine Demokratische Verfassung verteidigen.