WeltgästeführertagHeide Walch zeigt Touristen die versteckten Schätze von Luxemburg-Stadt 

Weltgästeführertag / Heide Walch zeigt Touristen die versteckten Schätze von Luxemburg-Stadt 
Gästeführerin Heide Walch (75) in der Altstadt der Hauptstadt  © Editpress / Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der 21. Februar jeden Jahres ist ihr Tag. An diesem Datum ehrt der Weltverband der Gästeführer (WFTGA) die Arbeit dieser Menschen. Heide Walch (75) führt seit 31 Jahren Besucher durch die Hauptstadt. Auf einer Tour mit ihr verfliegt schnell das subjektive Gefühl, die Stadt gut zu kennen. 

„Ziehen Sie sich warm an“, sagt Heide Walch (75) am Telefon, als wir uns verabreden. An diesem Tag ist es kalt. Mit zwei Touristinnen aus Deutschland steht sie mit Pudelmütze, dickem Wintermantel und warmen Schuhen im Büro des „Luxemburg City Tourist Office“ (LCTO) und wartet. Das Badge um ihren Hals weist sie als Gästeführerin aus. Draußen auf der place Guillaume bzw. auf dem „Knuedler“, wie er im Volksmund heißt, ist Wochenmarkt. Zwischen Blumen und Honig vom heimischen Imker gibt es die Antwort darauf, warum der Platz so heißt. An der Stelle des heutigen Rathauses stand ursprünglich ein Kloster der Franziskaner, erzählt die Gästeführerin. „Sie hatten einen ungewöhnlichen Knoten, um ihre Kutte zusammenzuhalten“, sagt sie. Der luxemburgische Name für Knoten ist „Knuet“, daher der Name.

Die gebürtige Deutsche aus der Gegend von Cuxhaven hat 1967 einen Luxemburger geheiratet und lebt seitdem im Land. Sie hat die luxemburgische Nationalität, spricht Luxemburgisch und Französisch. Ihre Führungen macht sie ausschließlich auf Deutsch. „Man muss in der Sprache zu Hause sein, wenn man erklärt“, sagt sie. Zwei Kinder bekommt das Paar, sie bleibt zu Hause. Als sie erwachsen sind und Walch mal wieder Besuch aus Deutschland durch die Stadt führt, entsteht die Idee: „Mach das doch beruflich!“ Jede ihrer Führungen gerät zur Liebeserklärung an die Stadt, in der sie lebt. „Eine schöne Stadt schön präsentieren“, sagt sie zu ihrem Arbeitsethos.

Goldenes Licht und eine zeitlose Robe 

Der „Palais“ ist eine obligatorische Station jeder Führung. Die architektonischen Erklärungen Walchs zur Entstehung des Gebäudes unterscheiden sich wenig von denen ihrer Kollegen anderer europäischer Städte.  Bis sie auf ein interessantes Detail hinweist. Fünf Lampen auf hohen schmalen Ständern gegenüber des Palastes tauchen die Sehenswürdigkeit abends in goldenes Licht. Kaum jemand macht sich die Mühe, zu schauen, von wo es kommt. Die Beleuchtungskörper sind nicht zu sehen, stattdessen schauen oben von den Ständern goldene Gesichter auf die Besucher herab. Eines zwinkert, ein anderes strahlt, ein wieder anderes schaut auf das Gebäude. Wer das entdeckt, fühlt sich beobachtet. Einzig die darunter Hacken knallend ihren Dienst verrichtenden Palastwachen scheinen sich daran gewöhnt zu haben.  

So obligatorisch der Palast ist, so obligatorisch ist das Denkmal für Grande-Duchesse Charlotte im Regierungsviertel. Ihre 45 Jahre als Staatsoberhaupt Luxemburgs zwischen 1919 und 1964 sind bewegt. Vor allem die Radioansprachen an die Bevölkerung, während des Zweiten Weltkriegs unter der deutschen Besatzung durchzuhalten, sind im kollektiven Gedächtnis des Landes tief verwurzelt. Die großherzogliche Familie ist damals im Londoner Exil. Nach ihrem Tod 1985 aber beschäftigt eine andere Frage: Wie setzt man eine berühmte Frau den meist Uniform tragenden und auf einem Pferd reitenden berühmten Männern in einem Denkmal gleich? Mit fußlanger Robe und Stola bekleidet hat ihr der französische Bildhauer Jean Cardot in Bronze gegossen ein gleichwertig zeitloses Denkmal gesetzt. Und jegliches Rätselraten über die Mode der damaligen Zeit vorweggenommen. 

Ein unerschöpflicher Fundus an Detailwissen

Wenn sie über die Hauptstadt spricht, greift Walch auf einen unerschöpflich wirkenden Fundus mit Details über „ihre“ Stadt zurück. „Es darf auf einer Führung nicht langweilig werden“, sagt sie. 160 Quadratmeter groß ist die Glasfassade des Luxembourg City Museum. 110 Brücken bauen Wege in der Stadt, um den Höhenunterschied von 150 Metern zwischen den Tälern von Pétrusse, Alzette und den drei Plateaus zu überwinden. 17 der insgesamt 23 Kilometer langen Kasematten sind heute für Besucher zugänglich und zwischen 1443 und 1867 wechselt das Land 20 Mal den Besitzer. So geht es weiter und weiter …

Zu verdanken hat sie das Detailwissen ihrem Schwiegervater. „Er hatte sehr viele Geschichtsbücher über das Land“, sagt sie zu ihren Quellen. „Vor allem seine Anmerkungen mit Bleistift neben den Texten haben mich sehr inspiriert.“ Das Basiswissen hat sie im Kopf, aus der Zeitung entnimmt sie die Aktualität, jede Gruppe hat andere Ansprüche. Bei ihrer ersten Führung lotst sie 1989 eine Schulklasse durch die Stadt. Da hatte sie gerade ihre Ausbildung, die damals mit einem schriftlichen Test und einer Prüfungs-Führung endet, in der Tasche und war schrecklich aufgeregt. 169 Gästeführer arbeiten aktuell für das LCTO, im Jahr 2018 gab es nach eigenen Angaben rund  7.100 Stadtführungen. 30 Thementouren in 25 verschiedenen Sprachen hat das LCTO im Angebot. 

Vorurteile abbauen

Nach den vielen Details fehlt ein Überblick. Den besten vermittelt eine Fahrt mit dem Lift im Luxembourg City Museum. Besucher schweben auf sechs Etagen durch die Jahrhunderte der Stadtentwicklung. Alle Gästeführer des LCTO dürfen den wegen seines hydraulischen Antriebs und seines Fassungsvermögens – er kann 65 Menschen gleichzeitig befördern – einzigartigen Lift kostenfrei benutzen. Corniche, Grund, Rham-Plateau oder Kirchberg, die unterschiedlichen Viertel gleiten je nach Stockwerk an einem vorbei. 

Am Kirchberg arbeitet Walch sich ab. Das ehemals landwirtschaftlich genutzte Viertel hat nach seinem Ausbau zum Finanzplatz Vorurteile geweckt. Wenn sie nach der Begrüßung ihre Gruppen fragt, was sie denn über Luxemburg wissen, kommen „Geld, Europa, Jean-Claude Juncker und Radio RTL“ als Antworten. Das will die Gästeführerin so nicht stehen lassen. „Ich will Vorurteilen über das Land entgegenwirken“, sagt sie. „Wir haben hier doch so viel mehr als den Finanzplatz.“

Gästeführer werden

Die Gästeführer des LCTO absolvieren alle eine Ausbildung. Sie besteht aus 16 Seminaren, die mit einem schriftlichen und praktischen Examen enden. Voraussetzungen gibt es keine, jedoch werden ein geschichtliches Interesse an der Stadt sowie gute Sprachkenntnisse vorausgesetzt.