Rück- und AusblickHandelskammer: Luxemburger Wirtschaft hat sich gut gehalten

Rück- und Ausblick / Handelskammer: Luxemburger Wirtschaft hat sich gut gehalten
Christel Chatelain und Carlo Thelen wünschen sich weitere Unterstützung, um die Unternehmen bei den aktuellen Herausforderungen zu stützen Foto: Chambre de commerce

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Die ursprüngliche Hoffnung auf einen starken wirtschaftlichen Aufschwung zum Ende des laufenden Jahres ist zwar nicht eingetreten – aber die Luxemburger Wirtschaft hat sich 2020 gut gehalten. Nichtsdestotrotz stehen die Unternehmen auch weiter vor vielen Herausforderungen, meinte die Luxemburger Handelskammer am Dienstag vor Journalisten.

Die am Tag zuvor vorgestellten Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung Luxemburgs im dritten Quartal 2020 seien „ermutigend“, so Carlo Thelen, Direktor der Handelskammer. In den Monaten Juli bis September hat sich die Luxemburger Wirtschaft laut einer ersten Schätzung des Statistikamts Statec derart gut entwickelt, dass die Wirtschaftsleistung des Landes zum Ende des Zeitraums bereits 0,5 Prozent über der des Vorjahreszeitraums lag.

„Luxemburg hat sich bewährt“, meint Thelen weiter. Als Gründe für diese Entwicklung sieht er die Tatsache, dass „die Luxemburger Staatsfinanzen vor der Krise besser waren als in anderen Ländern“. Das habe es ermöglicht, unterstützende Maßnahmen anzubieten. Zudem gebe es im Großherzogtum einige „resistente Sektoren“, etwa den Finanzbereich, die Logistik, das Bauwesen, die exportierende Industrie und andere Dienstleistungen.

„Sollte sich die Konjunktur im vierten Quartal gleich gut entwickeln als im dritten, dann wäre das eine gute Überraschung“, so Carlo Thelen. Das würde bedeuten, dass man das Jahr mit einem Minus von nur 1,4 Prozent abschließen könnte – deutlich besser als der Einbruch von 3,5 Prozent, mit dem das Statec aktuell (laut optimistischem Szenario) rechnet.

Entwicklung hängt an den Lockdowns

Ob diese optimistische Überlegung jedoch eintreffen wird, ist ungewiss. Immerhin ist das Land aktuell wieder im „confinement“, sagt der Sprecher der Unternehmen weiter. „Es herrscht immer noch keine normale Situation. Die Herausforderungen für die Betriebe bleiben hoch.“ Er gibt zu bedenken, dass es nach der Stahlkrise ganze zehn Jahre und nach der Finanzkrise fünf Jahre gedauert habe, ehe die Krise vorüber war. Auch sei aktuell noch nicht bekannt, wie es mit Pandemie und Lockdowns weitergeht. Es sei immer noch schwierig, Vorhersagen zu machen, so Thelen. Er erwartet noch einige unsichere Monate und hofft dann auf positive Folgen der Impfung. Wie die Wirtschaft wächst oder schrumpft, hänge an der Entwicklung der „confinements“, so der Direktor.

Klar ist aber bereits heute, dass die verschiedenen Sektoren ganz unterschiedlich durch die Krise kommen. Manche Sektoren, etwa Restaurants, Veranstalter oder Reisebüros, werden die Krise wohl noch bis 2024 spüren, davon ist Thelen überzeugt. „Der verzeichnete wirtschaftliche Einbruch ist für sie sehr stark.“ Pleiten werden folgen, warnt er. Auf der anderen Seite gebe es jedoch auch Sektoren, die sich „sehr stark“ entwickelten.

Unter Berufung auf eine von der Kammer im September durchgeführte Umfrage fügt Christel Chatelain hinzu, dass der „Mangel an Fachkräften“ als erste Sorge der Unternehmen durch „Sorgen vor den Kosten der Arbeit“ abgelöst worden seien. Zudem machten sich immer mehr Firmen Gedanken über die Rückzahlung der Darlehen, die sie im Rahmen der ersten Corona-Welle aufgenommen hatten.

Nicht vergessen werden dürften derweil auch die 30.000 Selbstständigen, so Chatelain. Sie seien schon in normalen Zeiten einem Armutsrisiko ausgesetzt, das doppelt so hoch sei wie bei Angestellten. Ihr Zugang zu Hilfen für Firmen sei jedoch begrenzt. Zudem arbeiten viele in Sektoren, die dieser Krise besonders ausgesetzt sind. Aus diesem Grund würde sich die Kammer Ausgleichsmaßnahmen, ähnlich wie für Arbeitnehmer, wünschen.

Gewinne der Banken bleiben vorerst stabil

Mit Spannung schaut die Kammer auf die Entwicklung im Finanzsektor. „Aktuell trägt er noch zur Lösung der Krise bei“, so Thelen. Jedoch geht er davon aus, dass der Sektor die Rückstellungen erhöhen wird, für den Fall, dass manche Unternehmen ihre Darlehen nicht mehr zurückzahlen können. Das würde die Steuereinnahmen mindern, warnt er. Bereits vor Corona sei der Sektor von steigenden Kosten (unter anderem durch Regulierung) und einem zunehmenden Konkurrenzkampf getroffen gewesen. Wie es weitergeht, hänge nun viel von der Dauer der Krise ab, meint der Vertreter der Kammer. 2021 riskiere kein so gutes Jahr mehr zu werden.

Neue Zahlen der Luxemburger Finanzaufsicht bestätigen diese Sicht: Das Ergebnis vor Rückstellungen des luxemburgischen Bankensektors beläuft sich bisher, für die ersten neun Monate des Jahres 2020, auf 3,7 Milliarden Euro. Das entspricht einem kleinen Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Derweil werde das Nettoergebnis für das Jahr 2020 „von der Höhe der Rückstellungen für Kreditrisiken aufgrund der Covid-19-Pandemie abhängen“, so die CSSF am Dienstag. Letztere seien bis Ende September auf fast 500 Millionen Euro angestiegen.

Damit die Unternehmen die Herausforderungen möglichst gut meistern können, sei es wichtig, ihnen dabei zu helfen, ihre Substanz zu erhalten, schlussfolgert Carlo Thelen. Daher sei es weiterhin unabdingbar, den betroffenen Sektoren Hilfen zukommen zu lassen. Die Investitionen (etwa in Immobilien und in die 5G-Infrastruktur) müssten weiter hochgehalten und die Wirtschaft weiter diversifiziert werden. Zudem müsse die Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs im Blick bleiben. „Die Kosten sind zu hoch“, so der Direktor der Kammer. Dabei redet er nicht nur von dem höheren Mindestlohn, sondern auch von beispielsweise den Kosten für Sozialpläne.

Nicht aus dem Blick verlieren dürfe man derweil auch die Entwicklung der Staatsfinanzen. Eine antizyklische Entwicklung sei wohl der richtige Weg, sagt Thelen. Doch gelte es, auch an die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zu denken, das Kreditrating AAA zu wahren und neue Reserven aufzubauen. Auch für die nächste Krise müsse das Land gerüstet sein.