„Beispielloser Moment der Schande“Großbritannien lässt Tausende von Ortskräften zurück, rettet aber Hunde und Katzen

„Beispielloser Moment der Schande“ / Großbritannien lässt Tausende von Ortskräften zurück, rettet aber Hunde und Katzen
Paul Farthing, 57-jähriger Betreiber des Kabuler Tierheims, schaffte es, seine Vierbeiner aus Afghanistan zu evakuieren Foto: Nowzad/PA Media/dpa

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Großbritannien lässt Tausende von Ortskräften zurück, rettet aber Hunde und Katzen. Für viele kommt das einer Schande gleich. Gab es Unterstützung von höchster Stelle?

Die ohnehin bittere Nachlese der Evakuierung aus Afghanistan bekommt in Großbritannien auch noch einen tierischen Beigeschmack. Zu den letzten Geretteten gehörten nämlich der Leiter sowie der Arzt eines Kabuler Tierheimes samt mindestens 150 ihrer Insassen; hingegen wurden die Ortskräfte des Heims zurückgelassen. „Wir haben Soldaten dazu verwendet, Hunde ins Land zu holen“, beschwerte sich der konservative Außenpolitiker und Afghanistan-Veteran Tom Tugendhat. „Und die Familie meines Übersetzers schwebt in Lebensgefahr.“

Bis Samstagabend flogen britische Flugzeuge mehr als 15.000 Menschen vom Kabuler Flughafen aus in Sicherheit. Man habe „mindestens 150 Briten und rund 1.000 afghanische Helfer“ britischer Organisationen zurücklassen müssen, teilte Verteidigungsminister Ben Wallace mit. Genaue Zahlen gibt es schon deshalb nicht, weil das Vereinigte Königreich nicht einmal über seine Staatsbürger im Ausland Buch führt, geschweige denn über jene, die während des 20-jährigen Engagements am Hindukusch für Armee und Hilfsorganisationen tätig waren.

Viel Druck und eine geschickte PR-Kampagne

Die Gesamtzahl der Betroffenen dürfte deutlich höher liegen, nämlich bei „vielen Tausend“, glaubt Labour-Sprecherin Lisa Nandy: Dass so viele Unterstützer Großbritanniens zurückgelassen wurden, stelle „einen beispiellosen Moment der Schande“ für die konservative Regierung von Premier Boris Johnson dar.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht vor allem das Foreign Office (FCDO). Außenminister Dominic Raab hatte mit großer Verspätung seinen Kreta-Urlaub abgebrochen, der beamtete Staatssekretär kehrte erst am Donnerstag an seinen Schreibtisch zurück. Unterdessen scheint das zuständige FCDO-Team völlig überfordert gewesen zu sein. Einem Whistleblower zufolge blieben Tausende von E-Mails besorgter Abgeordneter, die auf das Schicksal ihrer Wahlkreis-Angehörigen und deren Familien aufmerksam machen wollten, tagelang unbeantwortet.

Hingegen befassten sich Medien und Offizielle tagelang mit dem Schicksal von Paul Farthing, dem 57-jährigen Betreiber des Kabuler Tierheims. Geschürt von einer geschickten PR-Kampagne auf sozialen Medien gerieten Minister Wallace und seine Leute unter hohen Druck durch tierliebe Briten, dem Ex-Soldaten und seinen Schützlingen zu helfen. Dabei gingen die Tierfreunde nicht zimperlich vor.

Die Sunday Times veröffentlichte den Wortlaut einer Nachricht, die Farthing auf dem Telefon eines engen Wallace-Beraters hinterlassen hatte. Darin fordert der Veteran der Royal Marines ultimativ Hilfe bei der Bewältigung der nötigen Bürokratie, um sich selbst und sein Team aus dem Land zu bringen. „Wenn nicht, werde ich den Rest meiner Tage damit verbringen, Dich fertig zu machen“, droht Farthing inmitten einer heftigen Schimpfkanonade.

Der Telefonterror des Tierschützers und seiner Londoner Helfer bewegte den Ex-Offizier Wallace höchstpersönlich zu einer Stellungnahme. „Das Mobbing, die falschen Behauptungen und Drohungen gegen unsere Leute sind inakzeptabel“, schäumte der Minister. „Unsere Priorität sind Menschen, nicht Tiere.“ Dennoch gelang Farthing die Ausreise in letzter Minute – womöglich mithilfe von höchster Stelle.

In den Londoner Medien wird jedenfalls eine Verbindung zwischen Farthings PR-Verbündeten Dominic Dyer und dessen guter Freundin Carrie Johnson, der Gattin des Premierministers, hergestellt. Es wäre nicht das erste Mal, dass die erfahrene PR-Frau und Tierfreundin ihren Einfluss geltend gemacht hätte.

Pit
31. August 2021 - 5.41

Tiere, die ich der humanen Spezies vorziehe ,sind die besseren Menschen .

Leila
30. August 2021 - 15.19

Mein Gott Walter (Jemp)... und Daumen hoch Marcel Gillander für die ausführliche Information!!!

Marcel Gillander
30. August 2021 - 8.14

Mit diesem Titel übernimmt das "tageblatt" ohne zu hinterfragen die Rufmordkampagne des britischen Kriegsministeriums. Bei den von Paul Farthing, einem ehemaligem Royal Marine und dekoriertem Kriegshelden, unter grossem Risiko evakuierten 170 Hunden und Katzen handelt es sich um Tiere die von den Streitkräften eingesetzt wurden oder die ein bisschen Menschlichkeit und Wärme in den oft brutalen Alltag der Soldaten brachten. Sie wurden an Heimkehrer vermittelt die nach ihrem Einsatz an Depressionen oder Trauma litten. Die Evakuierung wurde von Tierschutzorganisationen organisiert und finanziert, die das dafür benutzte Zivilflugzeug charterten und bezahlten. Die Tiere reisten im Laderaum und nahmen keinem Menschen den Platz weg. Paul Farthing stellte die 200 Sitze im Flugzeug zur Evakuierung von Flüchtlingen zur Verfügung, ein Angebot das von den Verantwortlichen im Verteidigungsministerium ignoriert wurde. Dass er die Geduld in einem Telefongespräch verlor dürfte wohl nur für einen empathie- und fantasielosen Bürohengst im sicheren London erstaunlich sein. Paul Farthing war der letzte britische Zivilist der Kabul verliess. Seine "Operation Arche" hat die Evakuierung von Schutzsuchenden nicht beeinträchtigt, sie hat niemandem geschadet oder an der Ausreise gehindert, dafür aber die Intrigen und Schwächen der offiziellen Stellen blosgelegt. Sie ist keine Schande für Grossbritannien sondern eher das Gegenteil und eine Geschichte die an das Gute im Menschen erinnert...

Leila
30. August 2021 - 0.32

Saßen die 150 Hunde und Katzen auf den Sitzen? Oder wurden sie in Käfigen im Frachtraum transportiert, wie das allgemein üblich ist? Was ist dabei, wenn Hunde im Frachtraum mitgenommen werden? Sie stehlen somit keinem Menschen den Platz - wo ist/war das Problem wirklich?

Jemp
29. August 2021 - 23.55

Als Präsident des Vereines für den Schutz aller Nacktschnecken, und Wähler aller grünen, tierlieben und Tierfreundinnen kann ich ihren Artikel nur als inakzeptabel bezeichnen. Wir spinnen alle und sie allein sind normal. Das ist jetzt vorbei. Wir sind jetzt alle normal und unsere blöde Katze bei einer reichen Tierfreundin ist medizinisch besser dran als ein krankes Kind in Südeuropa. Go England!