Luxemburger gründet grenzüberschreitenden Tauschkreis

Luxemburger gründet grenzüberschreitenden Tauschkreis

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In Athus wurde kürzlich der erste grenzüberschreitende Tauschkreis in der Großregion ins Leben gerufen. Gründungsmitglied Dirk Haas erklärt das Ziel und die Funktionsweise der Initiative.

Dirk Haas ist 36 Jahre alt und arbeitet als Psychologe im „Lycée technique d’Esch“. Als der Franzose Daniel Cano aus Mont-Saint-Martin kürzlich auf einem Do-it-yourself-Festival in Luxemburg die Idee eines grenzüberschreitenden „Système d’échange local“ (SEL) vorstellte, fühlte er sich angesprochen. Mit zwei Belgiern und drei Franzosen gründete Haas vor einigen Wochen den lokalen Tauschkreis „SEL’échange des 3 frontières“ (SEL3F). Obwohl er mittlerweile in Athus wohnt, übernimmt der einzige Luxemburger im Vorstand der gemeinnützigen Vereinigung die Aufgabe, den Tauschkreis insbesondere im Kordall bekannt zu machen.

Beim SEL gehe es darum, in einer individualisierten Gesellschaft die Menschen zusammenzubringen und den sozialen Zusammenhalt wiederherzustellen, erläutert Haas. Konkret stellt die Vereinigung eine gemeinschaftliche Tauschplattform im Internet zur Verfügung, auf der Menschen bestimmte Dienste und Fertigkeiten anbieten können. Diese Dienste können sehr vielfältig sein: „Stricken, mit dem Hund Gassi gehen, Gesellschaftsspiele spielen, Internetkurse, kleinere Maurerarbeiten oder Dachreparaturen, im Garten helfen, eigentlich gibt es keine Grenzen. Nur den eigenen Beruf sollte man nicht anbieten, denn sonst riskieren wir in einen unlauteren Wettbewerb mit den Betrieben zu treten“, betont Haas. Wer einem anderen einen Dienst leistet, erhält als Belohnung eine sogenannte „Fi’Sel“. Dabei handelt es sich um eine Art „Währung“, dessen Wert nicht hierarchisch nach Art der Leistung, sondern einzig an der Dauer des geleisteten Dienstes bemessen wird. Wer genug „Fi’Sel“ gesammelt hat, kann diese gegen eine andere Leistung eintauschen.

Verbindung zwischen den Generationen

Der Tauschhandel wird auf der Online-Plattform der Initiative registriert. Jeder Teilnehmer erhält, ähnlich wie bei Facebook, ein eigenes Nutzerprofil, anhand dessen er mit anderen Mitgliedern in Kontakt treten und Dienste tauschen kann. Der „Fi’Sel“-Kontostand ist dem Nutzerprofil angegliedert. Der Umgang untereinander ist mittels einer Charta geregelt, die jeder Teilnehmer annehmen muss.

Zu Beginn sei es schwierig, sich bewusst zu werden, über welche Fähigkeiten man eigentlich verfügt, sagt der Psychologe: „Wir sind aber überzeugt, dass alle Menschen etwas können und ihre Kenntnisse und Fertigkeiten auch weitergeben sollten.“ Viele seien sich dessen aber nicht bewusst. Wenn der Wert eines Menschen an die Arbeit gebunden sei und er in Rente gehe, stelle er sich möglicherweise die Frage, was er zu dieser Gesellschaft noch beitragen kann.

Viele ältere Menschen seien aber im Besitz von Fähigkeiten, über die Jüngere nicht mehr verfügen. Im Gegenzug seien die Jüngeren beispielsweise oft geschickter im Umgang mit Computer und Internet, wovon die Älteren, die nicht in der digitalen Welt aufgewachsen seien, wiederum profitieren könnten. „Auf diese Weise kann eine Verbindung zwischen den Generationen wiederhergestellt werden und gleichzeitig erfahren die Menschen Wertschätzung und können stolz auf sich sein, dass sie neue Dinge gelernt haben“, erläutert Haas.

Das Besondere am Tauschkreis „SEL’échange des 3 frontières“ ist, dass er grenzüberschreitend funktioniert. Sein Epizentrum liegt im belgischen Athus, wo sich auch der Sitz der gemeinnützigen Vereinigung befindet. Von dort aus wurde ein etwa zehn Kilometer langer Radius gezogen, auf den sich der Tauschkreis erstreckt. Diese Raumbegrenzung soll vermeiden, dass die Initiative lokal bleibt und die Teilnehmer nicht zu lange Wege zurücklegen müssen. Insbesondere aus den Gemeinden Differdingen, Petingen, Sanem und Käerjeng erhofft Haas sich aktive Mitarbeit am Projekt. Die Teilnahmegebühr beträgt 10 Euro im Jahr.

Gesellschaftskritische Grundhaltung

Das Bedürfnis, diesen lokalen Tauschkreis mit zu gründen, rührt bei Haas aus einer konsum- und gesellschaftskritischen Grundhaltung. Um diese Haltung zu illustrieren, zitiert er den Titel eines Kommentars des Tageblatt-Journalisten Lucien Montebrusco, der vor einigen Tagen veröffentlicht wurde: „Ich shoppe, also bin ich.“ Diese Formulierung bringe es ganz gut auf den Punkt, meint der 36-Jährige. „Der Wert des Menschen und ihrer Beziehungen untereinander nehmen immer weiter ab. Die Menschen isolieren sich zu Hause und fühlen sich nur noch für ihre eigenen vier Wände verantwortlich. Vieles läuft schief, doch die Isolation führt dazu, dass keiner sich mehr fähig fühlt, etwas zu verändern. Diesen Zustand der Isolation wollen wir aufbrechen, indem wir etwas Dynamisches und Lebendiges schaffen“, führt Hass weiter aus. Auch der Wert des Geldes soll infrage gestellt werden. Der Mensch sei mehr als das, was sein Kontostand anzeige.

Dass er bislang der einzige Luxemburger im Verwaltungsrat des „SEL’échange des 3 frontières“ ist, stört Haas nicht. „Vielleicht fällt es dem Luxemburger schwerer, den Weg über die Grenze zu gehen. Ich weiß es nicht“, meint Haas. Jetzt gehe es erst einmal drum, das Projekt mit Leben zu füllen und danach sehe man weiter.

Am Donnerstag, 29. März, wird „SEL’échange des 3 frontières“ um 19.30 Uhr auf einer öffentlichen Versammlung im „Centre culturel“ von Athus vorgestellt. Weitere Infos gibt es auf der Facebook-Seite der Vereinigung, unter Tel.: 691 780 649 oder per E-Mail an sel3f@riseup.net.