EditorialGrenzgänger, die Le Pen wählen

Editorial / Grenzgänger, die Le Pen wählen
Schengen und die EU sind Marine Le Pen ein Dorn im Auge: Trotzdem wurde sie von französischen Grenzgängern, die in Luxemburg arbeiten, gewählt Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Wahl von Emmanuel Macron sei wichtig für Europa, heißt es in vielen Kommentaren nach der Stichwahl am Sonntag. Die Frage ist, wie wichtig die Europäische Union den Wählern in Frankreich ist. Auch jenen, die im Grenzgebiet zu Luxemburg leben und im Großherzogtum arbeiten.

Marine Le Pen hat mit der EU nicht viel am Hut und eine erklärte Freundin Luxemburgs scheint sie auch nicht zu sein. Das hat Franzosen entlang der Grenze, von Longwy über Audun-le-Tiche bis nach Apach, jedoch nicht davon abgehalten, sie zu wählen. Mit mal besserem, mal mit schlechterem Ergebnis, insgesamt aber erschreckend oft – auch bereits im ersten Wahlgang.

In den Départements Meurthe-et-Moselle sowie Moselle konnte sich Le Pen im ersten Wahlgang in einigen Gemeinden vor Macron behaupten, in anderen lagen beide hinter Jean-Luc Mélenchon (France insoumise). Im zweiten Wahlgang hatte Macron die Nase vorn. Recht deutlich, wie in Longwy, wo er fast zwei Drittel der Stimmen erhielt, oder sehr knapp, wie in Rettel, wo er eine einzige Stimme mehr verbuchen konnte. In Florange unterlag er mit 49,40 Prozent (alle Resultate finden sich im Internet).

Es sind Ergebnisse, die zu denken geben, hüben wie drüben. Was läuft falsch, dass auch Grenzgänger Le Pen wähl(t)en? Undank? Das dürften sich auch einige Luxemburger Politiker nach den beiden Wahlgängen irritiert gefragt haben.

Vielleicht sollte man, beim Nachdenken über die Ergebnisse, vom Gedanken ablassen, dass ein Grenzgänger automatisch pro-europäisch eingestellt sein muss. Oder dass er stets ehrfürchtig vor der EU kniet – dankbar für den Job in Luxemburg.

Könnte ja gut sein, dass es ihn nervt, dass sein Land ihn wegen Mangels an Arbeitsplätzen und niedrigerer Löhne quasi dazu zwingt, ins Ausland zu fahren und täglich lange Staus sowie Verspätungen bei der Bahn auf sich zu nehmen. Vielleicht hat er einfach keine andere Wahl, wenn er die Familie ernähren und in einem Haus leben möchte, welches er sich in Luxemburg kaum leisten könnte. Und wenn er dann abends aus Luxemburg nach Hause zurückkehrt, werden ihm mitunter die Unzulänglichkeiten des eigenen Landes und der EU bewusst. Nicht abwegig, dass dann jemand nach Veränderung sucht und auf die Idee kommt, nicht unbedingt Macron wählen zu müssen.

Das alles ist nachvollziehbar. Erschreckend aber bleibt es, auch, weil die Wähler von Le Pen in Kauf nehmen, den Ast abzusägen, auf dem sie selbst sitzen.

Dies alles sollte man bedenken, wenn in rund zwei Wochen, am 9. Mai, der Europatag begangen wird. Beispielsweise im Dreiländereck von Schengen. Dort wird ein großes Volksfest veranstaltet, allerdings bereits am 8. Mai. An einem Sonntag, weil der 9. Mai nur in Luxemburg ein Feiertag ist.

Hoffentlich bleiben Besucher von öden Sonntagsreden verschont. Viele Grenzgänger, aber auch Menschen in Luxemburg wollen und können sie nicht mehr hören. Dabei kann die EU durchaus die bessere Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit sein. Für Le Pen ist sie es nicht. Das muss man ernst nehmen und darüber diskutieren  – ohne gleich die Rechtsextremen- oder Rassisten-Keule zu schwingen. 

bennyray
27. April 2022 - 18.12

jung.luc.lux / Där Meenung sin ech och.

jung.luc.lux
27. April 2022 - 8.34

Alle die Le Pen wählten sollen da bleiben wo der Pfeffer wächst.

Grober J-P.
26. April 2022 - 14.41

Wie sagte Lionel aus Florange als ich ihn fragte warum er Marine gewählt habe, ohne es zu wissen. Wir wollen drüben auch mal was vom Kuchen abbekommen. Was verdient denn dein Kollege drüben? Wenn er gut ist, fast 3/4 vom hiesigen Lohn. Und wenn Marine jetzt entscheiden könnte, würde dann das Monatsgehalt angepasst und würdest du dann wieder zurück? Keine Antwort mehr.

H.Horst
26. April 2022 - 10.22

Es mag im Moment noch ziemlich weit entfernt scheinen aber es ist möglich, dass französische Soldaten in einem Krieg in Europa mitkämpfen müssen. Auch in Afrika ist eine militärische Konfrontation mit russischen Staats-Söldnern eher wahrscheinlich. Dann eine Partei bzw. Kandidatin zu wählen welche von den Zuwendungen/Krediten des potenziellen Feindes lebt ist aberwitzig.

HTK
26. April 2022 - 9.19

"..dass dann jemand nach Veränderung sucht und auf die Idee kommt, nicht unbedingt Macron wählen zu müssen." Wie gesagt,man soll die Grippe nicht durch die Pest ersetzen. Man hätte ja auch Mélenchon o.ä. wählen können. Durch die Phrasen der Populistin lassen sich viele,hauptsächlich Jugendliche, verblenden.Als würde das Programm von Le Pen,wenn man es denn so nennen kann,irgend etwas an ihrer Situation ändern. Mehr Jobs in Frankreich wenn die Grenzen wieder dicht sind? Man kann sich ja ein Beispiel an den Brexiteers nehmen.Geht es den Briten besser oder schlechter nach dem Austritt? Macron hat gute Arbeit geleistet in den Krisenjahren und die sind noch nicht vorbei. Was hätte Le Pen anders gemacht? An der Union führt kein Weg mehr vorbei,jetzt in Kriegszeiten kann sie sich bewähren.