Ein Luxemburger erzählt über Covid-19 in den USAGeorge Zens lebt seit 20 Jahren in Middleton

Ein Luxemburger erzählt über Covid-19 in den USA / George Zens lebt seit 20 Jahren in Middleton
George Zens aus Ermsdorf, Luxemburg, ist Herausgeber der „Middleton Review“ im US-Bundesstaat Wisconsin. Zeitung und öffentliches Leben sind auch dort im Ausnahmezustand. Foto: George Zens

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Auch Middleton im mittleren Westen der USA ist wegen Covid-19 im Ausnahmezustand. Dort lebt seit 20 Jahren der Luxemburger George Zens. Die aktuelle Situation sei nicht wesentlich anders als in Luxemburg, erzählt der Journalist, der seine eigene Zeitung, die „Middleton Review“, herausgibt. Wegen Corona zurzeit allerdings nur online. Gut, dass es Senf, Wein und Bier aus der alten Heimat gibt.

George Zens, Jahrgang 1962, stammt aus Ermsdorf nahe Diekirch, wo er auch zur Schule ging. Heute lebt der Luxemburger in seiner Wahlheimat, den Vereinigten Staaten. Er ist Herausgeber, Gestalter und Journalist der Middleton Review. Die Zeitung ist wegen Covid-19 zurzeit allerdings nur online verfügbar.

Seit 20 Jahren sind George, seine Frau Andrea und ihre drei Kinder nun bereits in den USA. Im Bundesstaat Wisconsin, in Middleton, einem 22.000 Einwohner zählenden Vorort der Hauptstadt Madison. Wer googelt, findet Bilder, die eine ländliche Gegend zeigen, es gibt viele Kirchen, einen schönen See und sogar ein Senfmuseum. Bis nach Chicago sind es rund 250 Kilometer, bis nach New York um die 1.500.

Herausgeber einer Zeitung

Als AFS-Austauschstudent ist George 1979/1980 in Madison gewesen. „Das hat mir damals gut gefallen!“ Dort lernt er auch seine Frau kennen. Nach der Hochzeit leben sie zwölf Jahre in Luxemburg und entscheiden dann, in die Staaten zu ziehen: „Eigentlich hatten wir das immer schon vor, es war nur eine Frage des Zeitpunkts.“

George, der in Luxemburg bereits als Journalist gearbeitet hat, bleibt dem Beruf auch in den USA treu. Er hat für die Middleton Times Tribune gearbeitet und später eine Zeitung über Nachhaltigkeit sowie Wein, Bier und Spirituosen herausgegeben. Im Oktober 2015 erscheint die erste Ausgabe seiner eigenen Zeitung, der Middleton Review. Es ist eine Gratiszeitung, die zweimal im Monat in einer Auflage von 4.000 Exemplaren gedruckt wird und in Restaurants, Bars, Wartesälen, öffentlichen Bibliotheken, Geschäften und Supermärkten ausliegt.

„Keeping Middleton informed“ steht auf der ersten Seite der Online-Ausgabe der Middleton Review. Es ist eine reine Lokal-Zeitung: „Ich schreibe nur über Themen, die Middleton direkt betreffen“, so George. Covid-19 zum Beispiel.

Das Virus hat natürlich auch den mittleren Westen der USA erreicht und beeinflusst Georges Arbeit. Interviews mache er nun ausschließlich über Telefon oder andere „sichere“ Kanäle und er suche keine potenziellen Anzeigenkunden mehr auf. Ohnehin seien die meisten Veranstaltungen abgesagt oder fänden im virtuellen Raum statt. „Ansonsten geht alles seinen Weg. Mein Büro hatte ich sowieso zu Hause und feste Mitarbeiter habe ich auch keine“, erzählt er.

Die Print-Ausgabe der Zeitung habe er allerdings vorübergehend einstellen müssen, weil das Anzeigengeschäft, seine Haupteinnahmequelle, weggebrochen sei. „Die meisten meiner Kunden haben ihr Geschäft geschlossen, genau wie die meisten meiner 160 Verteilungsstellen.“ Alternativ hat George jetzt eine Facebook-Seite ins Leben gerufen. Und seit dem 27. März ist die Zeitung online verfügbar unter www.middletonreview.com.

Sobald die Situation sich normalisiert, wird die Print-Version aber wieder erscheinen. Die Webseite soll dann parallel weiterlaufen.

Waffengeschäfte haben geöffnet

Wie sieht er die aktuellen Ereignisse? „Ich passe mich an, so wie alle sich an die Krise anpassen, hoffend, dass es bald vorbei sein wird.“

Als Journalist bleibt George kritisch: „Ich frage mich, ob es wirklich sinnvoll ist, jetzt mit allen Mitteln verhindern zu wollen, dass das Virus sich weiter ausbreitet. Ich frage mich auch, ob der wirtschaftliche Preis, den wir dabei sind zu bezahlen, wirklich gerechtfertigt ist.“

Die Situation scheint hüben wie drüben ähnlich. Schulen haben geschlossen, ebenso Geschäfte und Betriebe, die als nicht wesentlich eingestuft werden. „Waffengeschäfte fallen nicht unter die Sperre, Wirtshäuser dagegen schon, wobei ich finde, dass gerade die wesentlich sind“, sagt George. Neben den Waffenläden dürfen Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Tankstellen, Gemischtwaren- sowie Spirituosenläden öffnen. Anders als in Luxemburg aber auch Baumärkte und Gartencenter. Frisöre gelten auch in den Staaten nicht als wesentlich.

„Einen Lockdown gibt es nicht, aber den Menschen wird empfohlen, zu Hause zu bleiben und bei Ausgängen Distanz zu wahren.“ Vieles würde auf lokalem Niveau bzw. auf Bundesstaatsebene entschieden. So sei es auch der Gouverneur von Wisconsin gewesen, der den Notstand ausgerufen habe, um bei der Föderalregierung Finanzhilfen beantragen zu können. Das bedeute auch, dass zurzeit keine Mieter vor die Tür gesetzt oder Häuser gepfändet werden dürfen.

Etwas kontroverser verlaufe die Diskussion, ob die Wahlen vom 7. April verlegt werden sollen. Es handelt sich dabei um Vorwahlen der Demokraten, Wahlen über die Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs und Kommunalwahlen. „Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber es sieht wohl so aus, als ob die meisten Leute die Briefwahl nutzen.“

Allgemein würden die Bewohner von Middleton in diesen Zeiten keine ausgeprägten Panikreaktionen zeigen: „Größtenteils herrscht Vertrauen in die Autoritäten.“

Denkt George nicht dran, wieder nach Luxemburg zurückzukommen, um hier zu leben? „Zu Besuch, ja. Nicht aber, um in der alten Heimat zu leben“, sagt er und fügt hinzu: „Immerhin erhalte ich auch hier in Middleton Luxemburger Bier, Wein und Senf.“