HomeschoolingGenervt oder gelassen: Wie Schüler und Eltern mit der Ausnahmesituation umgehen

Homeschooling / Genervt oder gelassen: Wie Schüler und Eltern mit der Ausnahmesituation umgehen
Hier scheiden sich die Geister: Manche Schüler und Eltern sind richtig genervt, wenn es um Homeschooling geht. Andere nehmen es eher gelassen.  Foto: AFP/Eric Baradat

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Die Schüler in Luxemburg machen Homeschooling, ihre Eltern Home-Office. Nach nun fast zwei Wochen in dieser Ausnahmesituation erhitzen sich bei manchen die Gemüter. Andere sehen das allerdings gelassener.

Die Schüler sind genervt, die Eltern gestresst und die Lehrer arbeiten mehr denn je. Ein Facebook-Eintrag, der mit zahlreichen Kommentaren belegt wurde, weckt diesen Eindruck. Ein Vater, der selber Lehrer ist, hat am Mittwoch folgenden Eintrag gepostet: „Wat déi nerven!“ – „Ween, deng Schwësteren?“ – „Nee, déi Proffen, déi permanent eppes vun engem wëllen an een zoukippe mat Aufgaben!“ – … seet mäi Bouf just dee Moment, wou ech am Gaang sinn, eppes fir eng Klass ze preparéieren. Vu datt meng 3 zimmlech genuch, voire, ze vill ze dinn hunn, mat all deem, wat hir Proffen hinnen zoukomme loossen, froen ech mech, ob mir (Enseignanten) eis nik ee bësse mussen zréckhale mat eisem Internetteaching. Eis Kanner (a mir) kréie sou wahnsinneg vill E-Mailen an aner Messagen, wat si alles solle maachen, datt ech mech froen, wéi Kanner eens ginn, déi keng Enseignants-Elteren hunn, déi hinnen hëllefen.

Das Homeschooling der eigenen Kinder wäre schon ein ganzes Arbeitspensum für sich, schreibt eine Kommentatorin dieses Eintrags. Manche Eltern berichten davon, dass ihre Kinder in der „Précoce“ und in der „Spillschoul“ einen eigenen IAM-Zugang („Identity and Access Management“) bekommen haben. Dieser Zugang erlaubt es den Schülern, sich bei den Online-Plattformen des Bildungsministeriums einzuloggen. Aufgrund ihres noch sehr jungen Alters müssten das dann die Eltern für sie übernehmen.

Eine Lehrerin schreibt, dass Eltern ihr berichtet haben, dass ihre drei Kinder sich einen Computer teilen müssten, da die Eltern selbst Home-Office machen und dafür jeweils einen eigenen PC brauchen. Allein die Verwaltung über die Aufteilung der drei unterschiedlichen IAM-Zugänge würde den Tagesablauf der Kinder bestimmen. Andere Schüler hätten als digitale Ausstattung lediglich das Handy von Papa oder Mama. Dies sei bedenklich, so der Kommentar.

Arbeitspensum kaum zu bewältigen

Eine andere Mutter, die selber Lehrerin ist, regt sich über das kaum zu bewältigende Arbeitspensum auf, das man ihren Kindern der Klassen 7e und 5e täglich aufbürden würde. Dazu gehören ihrer Aussage nach acht Stunden und mehr an täglichen Hausaufgaben, Livestreams, Tests sowie neuer Lernstoff, der auf unterschiedlichen Internetplattformen bewältigt werden müsse. „Kinder, Eltern und Lehrer müssen ab jetzt IT-Spezialisten sein“, regt sich die Mutter auf.

So haben die Schüler die ganze Woche Zeit, ihre Aufgaben zu tun, und können sich frei einteilen

Patrick Diederich, Mathelehrer und Vater

Diese Einträge lassen vermuten, dass manche Akteure sich überfordert fühlen mit dem momentanen Homeschooling. Andere sehen das gelassener. Patrick Diederich, Mathelehrer und selber Vater von zwei Kindern, sagt, dass er seinen Schülern wöchentliche Aufgaben über Teams oder OneDrive austeile. Dies passiere meist am Wochenende oder Anfang der Woche. „So haben die Schüler die ganze Woche Zeit, ihre Aufgaben zu tun, und können sich frei einteilen.“ Bei einer Klasse, die beispielsweise fünf Wochenstunden Mathematikunterricht bei ihm hat, teilt er Aufgaben aus, für die sie in etwa vier Stunden brauchen.

Mit dem iPad arbeite er erst seit Februar, weil er da eine iPad-Klasse übernommen habe. „Ich bin kein Informatikfreak, musste mich also auch in diese Programme mal einarbeiten.“ Seine Frau, Christelle Diederich, sagt, dass ihr Kind, das in der „Spillschoul“ ist, sich jeden Tag freue, wenn es eine lustige Aufgabe über WhatsApp von der Lehrerin bekomme.

Ein anderer Lehrer, der selber zwei Kinder hat, teilt sich die Home-Office-Stunden mit seiner Frau auf. Vormittags macht der eine Home-Office, nachmittags der andere. Jeweils der nicht Arbeitende betreut dann in dieser Zeit die Kinder.

Erste Geigen-Stunde per Skype

Bei der 13-jährigen Tochter unseres Redaktionskollegen Philip Michel klappt das Lernen zu Hause ganz gut. Mehr als eine Stunde pro Tag müsse die 7e-Schülerin nicht dafür aufwenden. Deshalb nennt Michel es auch nicht Homeschooling. Seine Tochter nehme ebenfalls an Chatgruppen teil. Er könne sich vorstellen, dass dort auch Aufgaben zusammen gemacht werden. In seinem Home-Office sitzt er dann in unmittelbarer Nähe eines Druckers, den seine Tochter zum Ausdrucken und Einscannen von Aufgaben benutzt. „Das kann schon richtig stören.“ Die meisten Drucker funktionieren heute über WLAN, was bei dem zurzeit recht instabilen Netz zu Aussetzern führen kann. Gut geklappt habe die Zusammenarbeit mit den Lehrern des Escher Conservatoire: „Meine Tochter hatte nun ihre erste Geigen-Stunde über Skype.“

Unser Redaktionskollege Marco Goetz sagt, dass bei ihm eher die Kinder genervt sind, weil sie nicht vor die Tür dürfen und ihre Freunde besuchen können. Genervt seien sie auch, weil sie lernen sollen, aber eigentlich nicht wissen, ob sie überhaupt noch dieses Schuljahr wieder in die Schule gehen dürfen. „Sie spüren eine gewisse Ungewissheit“, so Goetz. Den Eltern gehe es aber gut.

Ech sinn elo Prof

René Hoffmann, Tageblatt-Journalist

René Hoffmann, Tageblatt-Journalist, befindet sich zurzeit im „Congé“. Haushalt und Kinderbetreuung sind aktuell seine Domäne. Ständig kommen die Kinder zu ihm mit irgendwelchen Schulfragen. „Ech sinn elo Prof“, sagt er. Ab nächster Woche wird er wieder arbeiten, im Home-Office. „Dann müssen wir uns anders einteilen.“

Unterschiedliche Erfahrungen hat ein anderer Redaktionskollege gemacht. Seine Tochter ist in der 5. Klasse und bekommt relativ viele Aufgaben. Diese werden ihr zugeschickt. Gearbeitet werde auf OneDrive. „Alles klappt sehr professionell.“ Die Aufgaben könne man sich über die Woche einteilen. Bei seinem Sohn, der die 6. Klasse besucht, funktioniere dies leider anders. Mal müsse er ein Buch vorstellen, mal ein anderes lesen und dazu Formulare ausfüllen. Die Aufgabenstellungen würden nach und nach geschickt werden. Feedback oder eine Aufforderung, diese Aufgaben irgendwo hinzuschicken, gebe es keine. Deshalb sei es dementsprechend schwierig, seinen Sohn zu motivieren, etwas für die Schule zu tun.