SozialpolitikGemeinsame Regeln für Mindestlohn in der EU

Sozialpolitik / Gemeinsame Regeln für Mindestlohn in der EU
V.l.: der Vorsitzende des Beschäftigungsausschusses im EP, Dragos Pislaru, die EP-Abgeordneten Agnes Jongerius und Dennis Radtke sowie EU-Sozialkommissar im EU-Parlament in Straßburg Foto: European Union 2022 – Source: EP

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Vertreter des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten haben sich am frühen Dienstagmorgen auf eine neue Richtlinie geeinigt, die gemeinsame Regeln für Mindestlöhne und die Förderung von Kollektivverträgen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern festlegen.

So manches in dieser Richtlinie ist unverbindlich und selbst einen einheitlichen europäischen Mindestlohn wird es nicht geben. Dennoch zeigten sich die an den abschließenden Verhandlungen über die neue EU-Richtlinie beteiligten EU-Parlamentarier und EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Von einem „wichtigen Moment für die Beschäftigten in der EU“ sprach der Vorsitzende des Beschäftigungsausschusses im EP, Dragos Pislaru. „Die Arbeiter sind die größten Gewinner“, meinte die niederländische Sozialdemokratin und Berichterstatterin im EP Agnes Jongerius. Der EU-Sozialkommissar wies seinerseits darauf hin, dass bei der Konferenz über die Zukunft Europas, angemessene Löhne eine der Hauptforderungen der teilnehmenden EU-Bürger war. „Dies ist eine klare und starke Botschaft an die EU-Bürger“, meinte daher Nicolas Schmit.

Es ist eines der großen Dossiers des luxemburgischen EU-Kommissars, mit dem er sich bereits als luxemburgischer Arbeitsminister befasst hat. Zwar kann auf EU-Ebene kein Mindestlohn festgelegt werden, doch werden mit der neuen Richtlinie gemeinsame Regeln eingeführt, die zu einer Stärkung des Systems der Mindestlöhne sowie der kollektivvertraglichen Festlegung von Löhnen führen. Es sind „klare Empfehlungen für einen fairen und gerechten Mindestlohn“, wie der Ko-Berichterstatter und EVP-Abgeordneter Dennis Radtke erklärte. Dazu zählt etwa die Vorgabe, dass ein Mindestlohn zumindest 60 Prozent des Median- und 50 Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen EU-Landes umfassen soll. Agnes Jongerius wies darauf hin, dass aufgrund dessen in ihrem Land der Mindestlohn von derzeit zehn bis elf Euro auf dann 14 Euro pro Stunden gehoben werden müsste. In 22 weiteren EU-Staaten müsste dann ebenfalls der Mindestlohn erhöht werden, sagte die niederländische S&D-Abgeordnete.

Die EU-Staaten sind gehalten, festzustellen, ob ihre Mindestlöhne einen „angemessenen Lebensstandard“ im Land ermöglichen. Dabei sollen unter anderem die vorherrschende sozioökonomische Situation sowie die Kaufkraft im Land berücksichtigt werden. Zudem könnten eine Auswahl an Waren und Dienstleistungen als Maßstab herangezogen werden. Die EU-Staaten werden weiter dazu verpflichtet, die Einhaltung der Mindestlohnbestimmungen schärfer zu kontrollieren.

Kollektivverträge fördern

Wenig Anklang findet die neue Richtlinie in Ländern wie Schweden und Dänemark, die sich bereits dagegen ausgesprochen haben. In diesen Ländern, wie in vier weiteren EU-Staaten (Österreich, Finnland, Italien und Zypern), werden die Löhne über Kollektivverträge festgelegt, die vor allem in den nördlichen EU-Staaten fester Bestandteil der Arbeitswelt sind. Nicolas Schmit lobte denn auch das „sehr gute System“ in Dänemark und wünschte sich, dass andere EU-Staaten dieses übernehmen würden. Der EU-Kommissar versicherte aber, dass diese EU-Staaten nicht gezwungen würden, ihr System zu ändern.

Dieses System soll vielmehr über die neue Richtlinie in der EU gefördert werden. So wird es den EU-Staaten, die eine Kollektivvertragsquote von unter 80 Prozent haben zur Auflage gemacht, gemeinsam mit den Sozialpartnern einen Aktionsplan auszuarbeiten, um diese Quote zu heben. Der Plan muss der EU-Kommission vorgelegt und veröffentlicht werden.

Die EU-Parlamentarier werden über die am Dienstag getroffene Einigung voraussichtlich im Juli, die EU-Sozialminister bereits kommende Woche am 16. Juni während ihrer Tagung in Luxemburg darüber abstimmen. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Rund 24 Millionen Arbeitnehmer seien in der EU von der neuen Richtlinie betroffen, sagte Agnes Jongerius. Die Höhe der Mindestlöhne in der EU sind sehr unterschiedlich und reichen laut Angaben des europäischen Statistikamtes Eurostat (Angaben 1. Semester 2022) von 332 Euro in Bulgarien bis zu 2.256 Euro in Luxemburg. In den luxemburgischen Nachbarländern liegt der Mindestlohn für Belgien bei 1.658 Euro, in Frankreich bei 1.603 Euro und in Deutschland bei 1.621 Euro.