Nach Asselborn-InitiativeGemeinsame Erklärung: 25 EU-Staaten stemmen sich gegen Israels Annexionspläne

Nach Asselborn-Initiative / Gemeinsame Erklärung: 25 EU-Staaten stemmen sich gegen Israels Annexionspläne
Jean Asselborn machte früh gegen Israels Annexionspläne und Trumps „Friedenspan“ mobil – das Statement jetzt sieht Luxemburgs Außenminister als großen Erfolg Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

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Bis auf Ungarn und Österreich machen alle mit. Bei einer Videokonferenz haben sich 25 EU-Außenminister bereit erklärt, eine von Jean Asselborn und seinem irischen Amtskollegen Simon Coveney ausgearbeitete Erklärung mitzutragen. Die EU-Staaten stellen sich darin gegen Israels Annexionspläne des Westjordantales und fordern ein Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung. 

Die Außenminister der EU-Staaten haben am Freitagnachmittag in einer Videokonferenz über die jüngsten Entwicklungen im Nahost-Konflikt beraten. Thema bei den Gesprächen waren vor allem die Absichten von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, Siedlungen und das Jordantal im Westjordanland zu annektieren.

Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen – insbesondere aus Sicht des Luxemburger Außenministers Jean Asselborn, der seit Monaten alles in die diplomatische Waagschale wirft, um eine Annexion palästinensischer Gebiete durch Israel zu verhindern. 25 der 27 EU-Staaten haben sich nach den Videogesprächen auf ein Statement geeinigt, das sich gegen eine solche Annexion richtet und weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung fordert. „Dass 25 Staaten da mitmachen, hat meine Vorstellungen bei weitem übertroffen“, sagte Asselborn am Freitagnachmittag gegenüber dem Tageblatt.

Asselborn und sein irischer Amtskollege Simon Coveney hatten die vergangene Woche an diesem Schriftsatz gearbeitet, wie ein erleichterter Asselborn sagte. Die Diplomaten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell würden das Statement jetzt aufsetzen. Am Montag soll die Erklärung die israelische Regierung erreichen, die am Sonntag neu vereidigt wird. Netanjahu will künftig mit Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß regieren, der ihn in eineinhalb Jahren als Ministerpräsident ablösen soll.

Asselborn hatte sich bereits zuvor dafür ausgesprochen, Israels Pläne „präventiv“ scharf zu verurteilen, und an die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 erinnert. „Wenn man ein Territorium annektiert, das einem nicht gehört, dann ist das ein schwerwiegender Verstoß, eine Verletzung des internationalen Rechts“, sagte der dienstälteste EU-Außenminister der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Das habe man in der EU auch so gesehen, als Russland die Krim annektierte.

Erst mit Krim-Vergleich auf Konfrontationskurs

Damit war Asselborn schon am Morgen auf entgegengesetzten Kurs zum deutschen Außenminister Heiko Maas gegangen. Auch Maas hält Israels Pläne zur Annexion besetzter Palästinensergebiete für völkerrechtswidrig, will aber keinen Vergleich mit der Krim-Annexion durch Russland ziehen. Er sehe nicht, dass man Israel mit einem solchen Vergleich konfrontieren sollte, sagte der SPD-Politiker am Freitag zu entsprechenden Äußerungen seines luxemburgischen Amtskollegen. Man befinde sich in einem Dialog mit den Verantwortlichen in Israel. Es sei nun wichtig, dass die Europäische Union mit einer Stimme spreche.

Ganz eine Stimme wurde es dann nicht. Nachdem sich Österreich neben dem notorischen Konsensverweigerer Ungarn eingereiht hatte, blieben 25 EU-Staaten, die das Statement mittragen – welches sich indirekt auch gegen die Absichten der USA richtet. Washington trieb die drohende Annexion der Westbank durch Israel bislang voran, wenngleich US-Außenminister Mike Pompeo sich zuletzt eher verhalten in dieser Frage gezeigt hatte.

Asselborn, der als dienstältester Außenminister in der Vergangenheit bereits mit Italiens ehemaligem extrem rechten Premier Matteo Salvini sowie Ungarns Regierungschef Viktor Orban aneinandergeraten war, ging jetzt einen Schritt weiter. Nach Asselborns Krim-Vergleich musste sein deutscher Amtskollege aus der Deckung heraus. Vor allem Deutschland war es, das die harten Sanktionen gegen Russland nach der Krim-Annexion durchsetzte. Nicht jeder in der EU war mit diesem Schritt einverstanden gewesen.

Der Krim-Vergleich stellte die EU nun aber vor ein Glaubwürdigkeitsproblem – wenn sie gegen Russland vorgeht, wie soll sie dann Israel einen Freifahrtschein ausstellen können? Deutschland wird keine Sanktionen gegen Israel mittragen, das verbietet die Staatsdoktrin. Von Sanktionsdrohungen wollte auch Asselborn nicht reden. Sollte die EU allerdings eine mögliche Annexion von Palästinensergebieten wie die Annexion der Krim bewerten, müsste Israel weitreichende Strafmaßnahmen fürchten. Gar nicht zu handeln, ging jetzt aber auch nicht mehr.

Israels Annexionspläne wurden vergangenes Jahr durch einen Plan von US-Präsident Donald Trump für den Nahen Osten neu befeuert. Diesem „Friedensplan“ zufolge könnten die Palästinenser einen eigenen Staat bekommen, allerdings unter harten, für die Palästinenser unannehmbaren Auflagen. Jerusalem soll demnach die ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weist den Plan zurück. Die Palästinenser boykottieren die US-Regierung, seit Trump Ende 2017 Jerusalem einseitig als Israels Hauptstadt anerkannt hat.

Alles andere ende in „Apartheidstaat“ 

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat – mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Die EU vertritt wie zahlreiche andere internationale Akteure die Auffassung, dass die Siedlungen nach dem Völkerrecht illegal sind und ein Friedenshindernis darstellen.

Israel sieht in seiner Siedlungspolitik hingegen keinen Rechtsbruch und betrachtet das Westjordanland nicht als besetztes Land. Die israelische Bezeichnung des Gebiets lautet Judäa und Samaria, nach den in der Bibel erwähnten hebräischen Namen. Israel erhebt historische und juristische Ansprüche auf das Land und argumentiert, es habe vor seiner Eroberung 1967 keinem Staat gehört. Damit sei es lediglich „umstrittenes Gebiet“.

Die Zahl der israelischen Siedler in den eroberten Gebieten ist seit 1967 rasant gestiegen. Heute leben im Westjordanland und in Ost-Jerusalem nach Angaben der israelischen Organisation Peace Now deutlich über 600.000 Israelis. Die Zahl der Palästinenser in den Gebieten beträgt nach Angaben des Palästinensischen Statistikamts 3,2 Millionen. Im Gazastreifen, aus dem Israel sich 2005 zurückgezogen hat, leben weitere zwei Millionen Palästinenser.

Nun werden sich nach der Initiative von Asselborn und Coveney insgesamt 25 EU-Staaten für die Beibehaltung der Zwei-Staaten-Lösung starkmachen. Asselborn zufolge wird das auch höchste Zeit. Sollte Israel einfach Gebiete annektieren, „ist die Zwei-Staaten-Lösung kaputt“, so Luxemburgs Außenminister. „Alles andere als eine Zwei-Staaten-Lösung“, so Asselborn, „endet in einem Apartheidstaat“.

Auch der jordanische König Abdullah II. warnte Israel eindringlich vor den Konsequenzen einer Annexion palästinensischer Gebiete. „Falls Israel im Juli wirklich das Westjordantal annektiert, würde dies zu einem massiven Konflikt mit dem Haschemitischen Königreich Jordanien führen“, sagte Abdullah dem Magazin Der Spiegel (Freitag). „Was würde geschehen, wenn die palästinensische Autonomiebehörde zusammenbricht?“, fragte der König. „Es gäbe noch mehr Chaos und Extremismus in der Region.“ (mit Material der dpa)

Camille GONDERINGER
21. Mai 2020 - 11.50

Dass sich Österreich hier nicht angeschlossen hat, ist völlig unverständlich. Hier hat H. Kurz sehr viel Kredit verspätet, und hat damit Österreich auf eine Höhe gestellt mit dem in der EU mittelfristig wohl kaum noch tragbaren Ungarn.

Klaus
20. Mai 2020 - 19.57

Ich bin - wieder einmal - entsetzt, dass ein Herr Heiko Maas Deutschland außenpolitisch vertritt. Aber wer bei einem Israelbesuch mit einem Militärhubschrauber über das besetzte Westjordanland fliegt - und das mit Ajelet Shaked, die schon mal zur Tötung von Palästinenserinnen in Gaza aufruft ("sie sind es, die die Schlangen gebären") - hat sich für mich in diesem Amt endgültig disqualifiziert.

Victor
20. Mai 2020 - 17.33

Schmeißt Ungarn endlich raus.

Philipp Nessling
17. Mai 2020 - 21.49

Das Bestreben der israelischen Regierung muss international verhindert werden, wenn die Statengemeinschaft nicht eine neue Intifada, die zur Vernichtung der Palästinenser führen wird, inkauf nehmen will.

Jochi Weil-Goldstein
17. Mai 2020 - 19.07

Schande über Ungarn und Österreich dafür, dass diese beiden Länder sich gegen die Asselborn-Initiative betr. Israels-Annektionspläne stemmen. Von Ungarn erwarte ich nichts anderes.

Charriot Martine
16. Mai 2020 - 16.05

Bravo herr minister..die Eu muss reagieren und Masnahmen treffen..Israël muss das Volkerrcht respektieren..