Kommunalpolitik„Gemeinden brauchen Vollzeitbürgermeister“: Michael Gloden (Schengen) im Gespräch

Kommunalpolitik / „Gemeinden brauchen Vollzeitbürgermeister“: Michael Gloden (Schengen) im Gespräch
Mit seiner Vespa besucht Michel Gloden die neun Dörfer seiner Gemeinde Schengen. Alles in allem sei sein Amt mehr als ein Vollzeitposten. Aufgrund der Regelung des politischen Urlaubs muss der Mosel-Bürgermeister aber noch zwei Tage die Woche im CNS-Büro in Mondorf arbeiten. Das sei nicht mehr zeitgemäß, sagt er und plädiert für die Schaffung von Vollzeitbürgermeisterposten in allen 102 Kommunen des Landes. Foto: Editpress/Claude Lenert

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102 Gemeinden zählt das Land. 102 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Die wenigsten von ihnen können sich voll und ganz auf dieses Amt konzentrieren. Je nach Größe der Kommune müssen sie nämlich noch den einen oder anderen Tag einer anderen Arbeit nachgehen. Das wird den an die Gemeinden gestellten Herausforderungen nicht mehr gerecht. Darauf hat auch das Gemeindesyndikat Syvicol vergangene Woche hingewiesen. Es ist höchste Zeit, etwas zu ändern, sagt der Bürgermeister von Schengen. Er verfügt über insgesamt 24 Stunden politischen Urlaub pro Woche. Zwei Tage wöchentlich muss er für die CNS arbeiten. Nicht optimal. Im Tageblatt-Gespräch plädiert Michel Gloden deshalb für die Schaffung von Vollzeitbürgermeistern in allen Gemeinden.

Einen halben Tag ist Michel Gloden unterwegs, wenn er alle neun Dörfer seiner Gemeinde besuchen will. Nicht zu Fuß, sondern mit seiner hellblauen Vespa. Mit ihr tuckert er an der Mosel entlang durch die Weinberge und sieht nach dem Rechten. Vor zehn Jahren haben sich Bürmeringen, Schengen und Wellenstein zur Fusionsgemeinde Schengen zusammengeschlossen. Seit 2017 ist Michel Gloden dort Bürgermeister.

„Es ist mehr als ein Vollzeitjob, wenn man Arbeit und Bürger ernst nimmt“, sagt er. Doch als Bürgermeister der weltbekannten Moselgemeinde muss er noch einer zweiten Beschäftigung nachgehen. Zwei Tage die Woche muss er in der Zweigstelle der Gesundheitskasse in Bad Mondorf sein. Schuld daran ist die Regelung des politischen Urlaubs. Je nach Einwohnerzahl oder Größe des Gemeinderates beträgt der „Congé politique“ zwischen 9 und 40 Stunden – die Woche. Für den Bürgermeister von Schengen, mit rund 5.000 Einwohnern und elf Ratsmitgliedern, sind das 20 Stunden. Eine halbe Arbeitswoche. Gloden vertritt die Gemeinde aber auch noch in einigen Syndikaten, was ihm zusätzlich vier Stunden politischen Urlaub einbringt. Insgesamt also 24. Bleiben 16 Stunden übrig. Und die muss er dann halt in der CNS abarbeiten. Das ist eine nicht gerade glückliche Situation, wie man Michel Gloden im Gespräch verstehen kann. Nicht wegen der Arbeit bei der CNS, die sei gut, aber weil man den Kopf oft nicht freihabe.

Tageblatt: 16 Stunden die Woche ruht das Bürgermeisteramt sozusagen. Dann sind Sie Bürochef der CNS in Mondorf. Wie geht das?

Michel Gloden: Das geht … schlecht. Es geht allgemein überhaupt nur, wenn der Arbeitgeber mitspielt und Verständnis zeigt. Das ist bei mir der Fall. Aber es ist kompliziert, alles unter einen Hut zu bekommen und den Kopf quasi auf Knopfdruck freizubekommen – entweder für den Job in der Verwaltung oder für die Bürger, die ins Rathaus kommen. Da musste ich erst mal lernen, klar zu trennen und beispielsweise auch den Mitarbeitern in der Gemeinde mitteilen, dass sie mir an den beiden CNS-Tagen nur im Notfall anrufen sollen.

In der Tat ein suboptimaler Zustand. Bis auf Weiteres werden Sie damit haushalten müssen. Wer in die Politik geht, weiß ja auch, worauf er sich einlässt, und dass das kein normaler Beruf mit festen Arbeits- und Ruhezeiten ist.

Das ist richtig. So naiv sollte auch keiner sein. Mit einem politischen Amt kann man sich geregelte Arbeitszeiten abschminken. Das weiß man. Wer sich für seine Gemeinde und seine Bürger engagiert, wer Verantwortung übernimmt und etwas verändern will, blickt nicht auf die Uhr. Wichtig ist, dass man es gerne macht. Trotzdem ist es durch die doppelte Arbeitsbelastung oft unnötig schwer.

Wohl auch, weil man nicht frei aufspielen kann und abgelenkt wird von dem jeweils anderen Job. Was wäre in Ihren Augen denn da die richtige Lösung?

Persönlich bin ich der Meinung, dass wir kaum drum herumkommen, Vollzeitbürgermeisterposten in allen Gemeinden zu schaffen. Es ist für mich unrealistisch, so weiterzumachen wie jetzt. Vor allem auch, weil die Aufgaben, die an die Gemeinden herangetragen wurden und noch zusätzlich unterwegs sind, immer komplexer werden.

Es gibt immer mehr Anforderungen, berechtigterweise auch vonseiten der Bürger, und um dem gerecht zu werden, auch als Bürgermeister, der für viele der Ansprechpartner ist und bleibt, braucht man einfach Zeit. Man muss präsent sein und den Kopf freihaben. Ein Rathaus ist ja irgendwie so etwas wie ein Betrieb. Wir haben um die 50 Beschäftigte, verschiedene Dienste, einen Finanzplan, Ziele usw. Das erledigt man nicht einfach so auf die Schnelle, mal so nebenbei, vor allem nicht als Teilzeitbürgermeister.

Das schreckt viele vielleicht auch davon ab, sich politisch zu engagieren?

Ja. Vielleicht, weil sie sich den Aufgaben unter den Bedingungen nicht gewachsen fühlen. Vielleicht auch, weil sie sich nicht trauen oder weil sie wissen, dass ihr Arbeitgeber nicht mit auf den Weg geht – jedenfalls nicht wirklich gerne und weil möglicherweise Ungemach droht. Das schreckt ab. Was schade ist. Nicht nur auf kommunaler Ebene. Auch auf nationaler Ebene zögern Menschen, sich aus Sorge um eventuelle negative Konsequenzen politisch einzubringen. Das erklärt auch, warum oft Beamte in die Politik gehen. Da stellen sich weniger Fragen.

Wenn wir nun von Vollzeitbürgermeistern reden, was wäre denn deren Gehalt? Fix festgelegt für jeden oder unterschiedlich berechnet aufgrund des früheren Arbeitsverhältnisses?

Das ist eine berechtigte Frage. Und vermutlich eine Frage, über die viel diskutiert werden wird. Aber sicherlich auch eine, über die man sich einigen wird. Zunächst einmal müsste etwas auf dem Tisch liegen, worüber man diskutieren könnte, um endlich voranzukommen.

Die Diskussion um Ausdehnung des politischen Urlaubs hin zum Vollzeitbürgermeister ist in der Tat ja nicht neu. Warum dauert das denn so lange?

Ich weiß es nicht. Ich sehe auch nicht hinter die Kulissen, um zu verstehen, woran es bisher scheiterte. Es wäre aber dringend Zeit, etwas zu ändern. Auch im Hinblick auf die nächsten Kommunalwahlen und als Signal an alle Frauen und Männer, die sich 2023 engagieren wollen. Ich hoffe wirklich, dass sich in dem Bereich etwas tut.

Scheitert es bisher vielleicht an den „députés-maires“, also an jenen, die Abgeordnete/r und Bürgermeister/in sind?

Das ist eine der Fragen, die sich stellen. Kann ein Parlamentsvertreter weiterhin gleichzeitig auch Bürgermeister sein? Das ist ja auch ein Punkt, über den seit langem diskutiert wird. Eine wirklich klare Meinung zu dem Punkt habe ich bisher aber nicht gehört. Meine persönliche Meinung ist allerdings, dass es zu einer Trennung beider Ämter kommen muss.

Was ist die Alternative zu einem solchen Schritt? Weitermachen wie bisher?

Das ist die Frage, die ich mir selbst oft stelle. Eine Alternative habe ich aber trotz viel Nachdenken bisher nicht gefunden. Der Bürgermeister braucht einfach Zeit, und das sind mehr als 40 Stunden, um seinen Aufgaben nachzukommen. Er muss sich ja auch in Dossiers einarbeiten können und sich mit seinen Kollegen und Kolleginnen aus den Nachbargemeinden, und wie in meinem Fall auch auf deutscher und französischer Seite, austauschen. Es muss in Richtung Vollzeitbürgermeister gehen, alles andere ist halbherzig. Einige Stunden politischen Urlaub zusätzlich würden nicht viel bringen.

Wie sieht denn eigentlich die Arbeitswoche des Bürgermeister Gloden mit den aktuellen Gegebenheiten aus?

Wie gesagt, zwei Tage die Woche, montags und freitags, bin ich in Mondorf im Büro der CNS. Die übrigen drei Tage, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, bin ich im Rathaus. Mittwochs haben wir den ganzen Tag Schöffenrat. An den anderen Tagen beschäftige ich mich unter anderem mit Bauvorhaben und Baustellen. Dazu gehören viele Termine, Gespräche und Besichtigungen, auch abends und am Wochenende. Alles ist ziemlich strukturiert.

Außerdem haben wir rund 60 Vereine in der Gemeinde. Die erwarten, dass der Bürgermeister zur Generalversammlung kommt. Dann haben wir um die 25 Hochzeiten pro Jahr. Oft wollen die Menschen vom Bürgermeister getraut werden und das auch am Samstag. Und dann sind wir ja auch noch die Gemeinde, in der die Abkommen von Schengen unterzeichnet wurden. Diese europapolitische Dimension lockt viele Journalisten an und die wollen dann auch mit dem Bürgermeister reden. Sie sehen, es mangelt nicht an Arbeit. Auch nicht an der Freude daran. Aber an der dafür nötigen Zeit.

Was würde Michel Gloden tun, würde er bei den nächsten Wahlen nicht mehr gewählt werden?

Dann würde ich wie früher wieder ganz bei der CNS arbeiten. Dann hätte ich auch wieder ganz viel frei verfügbare Freizeit. 

Wann hatten Sie ein letztes komplett freies Wochenende? Also außer im Urlaub.

Ganz ehrlich, da erinnere ich mich jetzt nicht daran. Das muss lange her sein. Vor meiner Zeit als Bürgermeister. Im Urlaub war ich auch seit langem nicht mehr. Pandemiebedingt. Und wenn die Leute wissen, dass man eigentlich nur um die Ecke ist, dann melden sie sich.

Harry
10. Juni 2021 - 19.25

de Prolet; komplett richtig, nur Ausgaben mit schlafender Belegschaft, es stinkt bis zum Himmel.

de Prolet
10. Juni 2021 - 15.34

Vollzeitbürgermeister wozu? Hängt das nicht auch von der Grösse resp. der Einwohnerzahl der Kommune ab? Ausserdem haben die heute so viele Büroangestellte wie noch nie zuvor , idem das technische Personal und dann müssen sie noch auf private Firmen zurückgreifen bei einfachen Arbeiten wozu die Belegschaft des technischen Dienstes überqualifiziert oder sich zu schade ist.Überdies gibt es eine Vielzahl Gemeindeoberhäupter im Rentenalter, die neben ihrer Pension dann auch noch ein lukratives Bürgermeistergehalt beziehen würden. Weshalb nicht auch noch ein Dienstwagen samt Chauffeur und Leibwächter?

alleboesccheisser
10. Juni 2021 - 14.20

Eng gudd sach, amtsburgermeschter awer dann sollen mei Gemengefusionen anmindestens +-10000 bierger well annescht den unreitz an bezuehlen zeviel ongerechtegketen entstinn an bezuhlen no proportz sowei gehaelter och beim statt verschieden sin, awer limitationen no uewen

Mimmi
10. Juni 2021 - 13.56

Wer besetzt dann all die Bürgermeisterposten? es sind fast nur Staatsangestellte,wo das Gehalt und Arbeitsplatz erhalten bleibt,wenn das Gemeinde- Amt voll beansprucht wird und kein Nebenjob mehr ist,solls auch honoriert werden, aber nicht beides,die Politik müsste schon längst etwas unternehmen anstatt weiter zu dösen und laabern.

Baerchen
10. Juni 2021 - 12.33

Dann Get et Awer Leschteg dann Awer ich net Mei an Chamber Geld ? schleppen goen Wei Mischo an Co

Nomi
10. Juni 2021 - 11.15

@ Romain : Awer ohni Stei'erfrei'betraag !

Romain
10. Juni 2021 - 10.02

Dann müsse auch ein einheitliches Gehalt festgelegt werden.