Myanmar„Gefährliche Zeiten“: Wie ein junger Luxemburger Unternehmer die Situation erlebt

Myanmar / „Gefährliche Zeiten“: Wie ein junger Luxemburger Unternehmer die Situation erlebt
Polizisten gegen Demonstranten: Vor mehr als einem Monat, am 1. Februar, putschte in Myanmar das Militär Foto: AFP

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Georges ist 38, Luxemburger und ist seit fünf Jahren eng mit Myanmar verbunden. Fünf Wochen dauert der Militärputsch jetzt an – schwierige Zeiten für den Unternehmer und sein Team, mit dem er täglich in Kontakt steht.  

Bereits mehr als einen Monat ist Myanmar nach einem Militärputsch im Ausnahmezustand. Millionen Menschen demonstrieren seitdem für Demokratie. Die Junta antwortet mit zunehmender Härte. Zahlreiche Videos in sozialen Netzwerken belegen schlimmste Misshandlungen. Polizei und Militär schießen immer öfter scharf. Dutzende Menschen sind bei den Protesten bereits ums Leben gekommen.

Das alles geht auch nicht spurlos an einem Luxemburger vorbei. Der 38-jährige Georges, der seinen Namen nicht ganz in der Zeitung lesen will, arbeitet in Singapur an der Schnittstelle zwischen Finanzbranche und Entwicklungsarbeit – mit einem Schwerpunkt auf Myanmar, wo er ein Team aus acht Mitarbeitern leitet. Jetzt drückt Georges seinen Mitarbeitern und dem ganzen Land die Daumen, dass es noch einen Ausweg aus der Krise gibt – und richtet einen Appell an die internationale Gemeinschaft: Bitte keine Sanktionen, die die Bevölkerung treffen!

„Damit hat niemand gerechnet“

Jahrelang verbrachte der Mann aus Howald jede zweite Woche in Myanmar. Erst Corona und jetzt der Putsch haben das unmöglich gemacht. Mit seinem burmesischen Team ist Georges weiterhin täglich in Kontakt – aber die Situation sei „sehr heikel“, so der Luxemburger, der mit viel Erstaunen und einigem Erschrecken feststellen muss, wie schnell die scheinbar gefestigte Lage in einem Land wie Myanmar kippen kann. „Mit dem Militärputsch hat niemand gerechnet“, sagt Georges, „auch die Business-Community nicht“.

Die Aufgabe des Luxemburgers: Mit öffentlichen Entwicklungsgeldern abgesicherte Projekte in der wirtschaftlichen oder ländlichen Entwicklung mit privaten Auslandsinvestitionen auf ein anderes Level heben. Eine Fischfutterfabrik, die so anfing, wurde demnach inzwischen von einem europäischen Fischfutterproduzenten übernommen. Insgesamt seien aus 700.000 US-Dollar Entwicklungshilfe dank zusätzlicher Auslandsinvestitionen schließlich mehr als 14 Millionen Investition geworden.

Millionen Burmesen organisieren sich im „Civil Disobedience Movement“ (CDM) gegen die Militärjunta
Millionen Burmesen organisieren sich im „Civil Disobedience Movement“ (CDM) gegen die Militärjunta Foto: AFP/Sai Aung Main

Das aktuelle Projekt soll Elektrizität bis in die hintersten Ecken des südostasiatischen Landes bringen. Mit sogenannten Mini-Grids, einer lokalen Stromversorgung durch Solarpaneele mit Diesel-Backup, werden Menschen in entlegenen Dörfern erstmals zu Stromkonsumenten. Georges’ Rolle besteht wiederum darin, ein solches Projekt mit klarem Entwicklungsziel – nämlich Menschen ein erstes Mal mit Elektrizität zu versorgen – attraktiv für Investoren zu machen.

Auswirkungen bis ins weite Hinterland

Seit 2016, damals war Georges noch MBA-Student und machte ein Praktikum, wächst die Beziehung des Luxemburgers zu Myanmar und den Burmesen. Die Projekte seines Teams würden auch jetzt weiterlaufen, sagt der 38-Jährige am Telefon im Tageblatt-Gespräch. „Die sind politisch nicht sensibel, wir unterstützen den wirtschaftlich schwächsten Teil der Gesellschaft und wir brauchen dafür auch keine Genehmigungen von hochrangigen Ministern.“ Da die Investitionen mit Entwicklungsgeldern laufen, sei immer klar gewesen, dass nicht mit dem Militär zusammengearbeitet würde.

Einige haben jahrelang Geschäfte mit der Armee gemacht und hofften, dass vergessen wird, mit wem sie arbeiten

Georges, Luxemburger Unternehmer

Trotzdem ist das Land seit dem 1. Februar nicht mehr dasselbe. „Alles dreht sich langsamer“, sagt Georges, „sehr viele streiken und demonstrieren“. Andere, auch aus seinem Team, arbeiteten weiter – um die Protestierenden mit Essen versorgen zu können. Ins Projekt-Dorf zu gelangen, ist zurzeit jedoch quasi unmöglich. Die Leute wollten jetzt bei ihren Familien bleiben und bei all den Militär-Checkpoints keine tausend Kilometer ins Hinterland reisen. „Das sind gefährliche Zeiten“, sagt Georges.

Nur einen Mitarbeiter hat der Luxemburger noch vor Ort – und der berichtet auch für den Myanmar-Kenner Erschreckendes. Sogar dort, im burmesischen Hinterland, wo Menschen das erste Mal Strom in ihrem Alltag haben, wurde der Dorfgruppen-Vorsteher bereits abgesetzt und durch einen Armee-nahen Vertreter ausgetauscht. Der Militärputsch ist nicht auf Großstädte wie Yangon oder die Hauptstadt Naypyidaw begrenzt – er zieht sich in Windeseile bis in die letzten Winkel Myanmars.

Keine Sanktionen gegen Bevölkerung

Trotz dieser Entwicklungen und trotz der brutalen Härte des Militärregimes will Georges sein Projekt so gut es geht weiterführen. Nur die Unternehmen, die zuvor eng mit dem Militär zusammengearbeitet haben, müssten sich jetzt zurückziehen – alles andere würde ihren internationalen Ruf schädigen. „Einige haben jahrelang Geschäfte mit der Armee gemacht und hofften, dass vergessen wird, mit wem sie arbeiten“, sagt der Luxemburger.

Die anderen, findet Georges, sollten bleiben und weiterarbeiten. Das sei das Beste, um der burmesischen Zivilgesellschaft zu zeigen: „Wir sind noch immer da, wir rennen nicht weg.“ Auch deswegen richtet der Mann aus Luxemburg den Appell an die internationale Gemeinschaft, von weitflächigen Sanktionen abzusehen. Träfen sie etwa die Meeresfrüchte-Industrie oder die Textilproduktion, würden besonders die Ärmsten unter den Armen leiden. „Da hängen enorm viele Haushalte dran“, sagt Georges. Die Armee treffe das nicht, die habe ihren Staat im Staat, ihre Wirtschaft in der Wirtschaft.