ÖsterreichFüllhorn gegen die Teuerung: Türkis-grüne Regierung schnürt Milliarden-Paket

Österreich / Füllhorn gegen die Teuerung: Türkis-grüne Regierung schnürt Milliarden-Paket
Österreichs Kanzler Karl Nehammer stellte gestern die finanziellen Wohltaten der Regierung vor Foto: Hans Punz/APA/dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die türkis-grüne Regierung überrascht die Österreicher mit einem Anti-Teuerungspaket, dessen Ausmaß so nicht erwartet worden war. Allerdings wird der Geldregen selbst die Inflation befeuern.

Nach zwei insgesamt vier Milliarden Euro schweren Paketen zum Ausgleich für steigende Energiepreise blasen die Koalitionsparteien nun zum Generalangriff auf die Inflation. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) präsentierten am Dienstag das sogenannte „Geld-zurück-Paket“, welches vor allem für die unteren, von der Geldentwertung besonders hart getroffenen Einkommensgruppen angenehme Überraschungen enthält: Im August werden 180 Euro für jedes Kind zusätzlich zur Familienbeihilfe ausbezahlt, im September gibt es 300 Euro für Sozialhilfebezieher, Arbeitslose und Mindestpensionisten. Im darauffolgenden Monat kommt ein Klimabonus von 500 Euro für jeden in Österreich lebenden Erwachsenen, sowie 250 Euro pro Kind. Das alleine macht für eine vierköpfige Familie 1.500 Euro Zusatzeinkommen. Der als Ausgleich für die ebenfalls ab Oktober geltende CO2-Bepreisung vorgesehene Klimabonus war ursprünglich nur mit 100 bis 200 Euro je nach Öffi-Verfügbarkeit am jeweiligen Wohnort veranschlagt.

Zusätzlich werden die für 2023 geplante Erhöhung des Familienbonus von 1.500 auf 2.000 Euro und der erhöhte Kindermehrbetrag von 550 Euro auf dieses Jahr vorgezogen. Darüber hinaus gibt es einen Teuerungsabsetzbetrag von 500 Euro für alle.

Insgesamt haben diese kurzfristigen Maßnahmen einen Umfang von fünf Milliarden Euro. Eine weitere Milliarde geht an die Wirtschaft in Form von Kompensation für hohe Strompreise. Energieintensive Unternehmen sollen mit Direktzuschüssen unterstützt werden.

Aus für kalte Progression

Das ist nicht alles. Zusammen mit den mittelfristig beschlossenen Maßnahmen wiegt das Paket sogar 28 Milliarden Euro. Der größte Brocken ist dabei die weitgehende Abschaffung der kalten Progression, also der mangels Indexierung der Steuerstufen überproportional wachsenden Steuerlast auf Arbeitseinkommen. Vor allem die ÖVP hatte seit vielen Jahren eine Abschaffung dieser „Inflationssteuer“ versprochen, aber dann doch lieber aus den Mehreinnahmen alle paar Jahre wählerwirksam vermarktbare Steuerentlastungspakete geschnürt. Jetzt aber wird Ernst gemacht: Erstmals am 1. Januar 2023 und dann jährlich werden die Steuerstufen an die Inflation angepasst. Nur der ab einer Million Euro Jahreseinkommen geltende Spitzensteuersatz von 55 Prozent wird von der Indexierung ausgenommen.

Mit dem Milliardenpaket befeuert die Regierung freilich zusätzlich die Inflation. Denn die so angekurbelte Nachfrage stößt in manchen von Lieferproblemen und Fachkräftemangel geplagten Branchen sogar auf ein schwächelndes Angebot. Die Regierung hofft aber, mit dem laut Kanzler Nehammer „Riesenvolumen“ an Entlastung die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Dafür wäre freilich Zurückhaltung der Gewerkschaften bei der im Herbst anstehenden Lohnrunde erforderlich. Die Bundesregierung will die Arbeitnehmer dazu auch mit völlig steuer- und abgabenfreien Boni bis zu 3.000 Euro jährlich ermuntern, die Unternehmen ihren Mitarbeitern auszahlen können. Der Gewerkschaftsbund ÖGB begrüßte diese Option auch, warnte aber davor, im Gegenzug Zurückhaltung bei den Lohn- und Gehaltsforderungen zu erwarten. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sieht in den Einmalzahlungen keine nachhaltige Lösung und fordert eine Mietpreis-Regulierung, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und der Mineralölsteuer sowie eine Besteuerung von Übergewinnen der Energiebetriebe.

Auch die oppositionelle SPÖ kritisiert, dass das Anti-Teuerungspaket zu 85 Prozent durch Steuern auf Arbeit und Konsum, also von arbeitenden Menschen selbst finanziert wird. Alleine die teilstaatlichen Energiekonzerne OMV und Verbund hätten „sechs Milliarden Euro an Übergewinnen, die ihnen nicht zustehen“, beklagt SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Eigentlich hatte Kanzler Nehammer selbst vor Kurzem eine Abschöpfung der Gewinne von Strom- und Gaskonzernen angekündigt. Nachdem auch eigene Parteifreunde verschnupft auf diese „sozialistische“ Forderung reagiert hatten, ist es allerdings darum schnell wieder still geworden.