Freundschaften fürs Leben: Darum sind Städtepartnerschaften wichtiger denn je

Freundschaften fürs Leben: Darum sind Städtepartnerschaften wichtiger denn je

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Was genau bedeuten eigentlich diese Städtepartnerschaften, die hierzulande „Jumelages“ genannt werden? Welche Partnerstädte hat Esch überhaupt? Als wir diese Frage in unserem Escher Bekanntenkreis stellen, bleiben die Antworten doch recht vage. Sie reichen von „Ach ja, da war einer meiner Enkel bei einer Sportveranstaltung in Offenbach“ über „Das hat etwas mit Schüleraustausch zu tun“ bis hin zu „Es geht um Freundschaften mit ausländischen Städten“. Dabei zählt Esch immerhin stattliche elf Städtepartnerschaften – eine zwölfte soll in Kürze hinzukommen. Grund genug für uns, den zuständigen Schöffen für internationale Angelegenheiten Pim Knaff um Aufklärung zu bitten.

Von Christiane Wagner

„Die Initiative der Städtepartnerschaften stammt aus der Nachkriegszeit. Es ging darum Freundschaften zwischen europäischen Städten zu fördern, Völkerverständigung von unten aufzubauen und die Bürger einander näher zu bringen. Das Unterfangen sollte dazu beitragen, den Frieden in Europa aufrecht zu erhalten und den europäischen Aufbau zu begünstigen. Im Mittelpunkt stand daneben der kulturelle und wirtschaftliche Austausch“, erläutert Kulturschöffe Pim Knaff, in dessen Ressort die Städtepartnerschaften fallen.

Bereits 1956 schloss Esch „im kleinen Ring“ Partnerschaftsverträge mit Offenbach (DE), Moedling (AT), Velletri (IT), Puteaux (FR) und Zemun (SR). 1958 kamen dann „im großen Ring“ Köln (DE), Lille (FR) Lüttich (BE), Rotterdam (NL) und Turin (IT) hinzu. Der große Ring entstand unmittelbar nach der Gründung der EWG und wurde im Geiste der europäischen Einigung ins Leben gerufen. Die sechs beteiligten Städte verkörpern die sechs EWG-Gründungsmitglieder.

Großer Anklang bei der Bevölkerung

Ringpartnerschaft bedeutet übrigens, dass alle beteiligten Städte untereinander eine Partnerschaft eingegangen sind. Im Laufe der Zeit gesellte sich, zur Freude ihrer in Esch lebenden Landsleute, noch die portugiesische Stadt Coimbra zu den Partnergemeinden. Zurzeit laufen fast spruchreife Gespräche mit der 25 Kilometer von Prag entfernten tschechischen Stadt Kladno.

Bereits zu seinen Anfängen fand das „Jumelage“-Projekt großen Anklang bei der Bevölkerung der Minettemetropole. „Ein eigener Gemeindedienst wurde geschaffen. Dieser teilte sich Räumlichkeiten unter dem Dach des Stadthauses mit dem Stadtarchiv“, erinnert sich eine Mitarbeiterin der ersten Stunde.

Zahlreiche Aktivitäten, in deren Mittelpunkt meist die Jugend stand, wurden ins Leben gerufen. So erfreute sich besonders der Schüleraustausch großen Zuspruchs. Doch auch bei Sportveranstaltungen in den Partnerstädten waren Escher Jung- und Altsportler willkommen und gerne wurden ausländische Mitstreiter in Esch empfangen. Musikvereine freuten sich, vor nicht heimischem Publikum aufzutreten und an ausländischen Wettbewerben teilnehmen zu können. Für viele Vereine wurden die Städtepartnerschaften mehr und mehr zu einer unentbehrlichen Einrichtung. Und so manch einer wird sich noch an seinen Urlaub in der Bretagne erinnern. Hier am Atlantik besaß die Partnerstadt Puteaux ein Feriendorf, das auch den Eschern offen stand. Im Vordergrund stand der soziale Gedanke: Weniger begüterte Familien sollten sich Ferien im Ausland leisten können.

Kein Ersatz für menschliche Kontakte

Wer nun glaubt, die Begeisterung sei im Laufe der Jahrzehnte abgeflaut, der irrt. Besonders in der rezenten Vergangenheit wurden allerseits große Anstrengungen unternommen, die „Jumelage“- Philosophie an die moderne Zeit anzupassen und neue Aktivitäten zu entwickeln. Neue Formen der Zusammenarbeit würden angestrebt.

„Städtepartnerschaften wurden und werden meist unter Städten geschlossen, die von der Größe oder der historischen Entwicklung her grundlegende Gemeinsamkeiten aufweisen“, erklärt Pim Knaff. „Viele unserer Partnerstädte sind ehemalige Industriehochburgen, die sich, ähnlich wie Esch, dem Strukturwandel stellen müssen. Heute wird deshalb zusätzlich auf den Erfahrungsaustausch in Sachen Stadtplanung, innerstädtische Wirtschaftsentwicklung oder Universitätsaufbau gesetzt.“

In der Tat haben sich ehemalige Industriestädte wie Köln, Lille oder Rotterdam in sogenannten neuen Wirtschaftssektoren fest etabliert oder sind zu Universitätsstädten mutiert. Ihre konkreten praktischen Erfahrungen seien für Esch Gold wert. Jetzt, da der Süden Luxemburgs auch touristisch erschlossen würde, kämen der Stadt auch in diesem Bereich die Erkenntnisse verschiedener Partnerstädte zugute.

„Mein Team und ich bemühen uns, regelmäßige Arbeitsvisiten und gegenseitige lockere Besuche in der ‚Jumelage‘-Agenda zu verankern, nicht zuletzt um den Zusammenhalt zu festigen“, sagt Knaff. „Erste Versuche in diese Richtung haben sich als vielversprechend erwiesen. Die Städtepartnerschaften sind ein wichtiges Netzwerk und die persönlichen Treffen der Beteiligten unentbehrlich für das Aufrechterhalten von freundschaftlichen Kontakten.“ Diese würden oft Generationen überdauern.

Netzwerk von unschätzbarem Wert

Im Sinne der Kontaktförderung nutzte Bürgermeister Georges Mischo im vergangenen Jahr einen Privatausflug nach Turin, um sich spontan mit seinem dortigen Amtskollegen zu beraten. Vor einigen Monaten dann war Schöffe Pim Knaff mit einer Escher Delegation im österreichischen Mödling, einerseits um die langjährige Freundschaft zu bekräftigen, andererseits um neue gemeinsame Konzepte auszuarbeiten.

Außerdem weilten Knaff und Mischo vor einem knappen Monat im portugiesischen Coimbra. In der Tat hatte die künftige Kulturhauptstadt 2028 Esch um Hilfestellung gebeten. Esch steckt bekanntlich nach Annahme des Bidbook für 2022 voll in den Vorbereitungen zur Europäischen Kulturhauptstadt. „Übrigens werden wir den kulturellen Aspekt der ‚Jumelage‘-Initiative ausbauen. Wir merken, dass es hier noch großes Potenzial gibt. Und dabei denke ich nicht nur an den Austausch im Rahmen von Künstlerresidenzen. Wir werden den Begriff Kultur im weitesten Sinne interpretieren und auch hier großzügig auf die Jugend setzen“, fügt Knaff hinzu.

Was die kommerzielle und anderweitige Belebung der Stadtzentren anbelange, könnten die „Best Practice“-Erfahrungen von Nutzen sein. Man wolle weitere Städtepartnerschaften, möglicherweise in der Großregion, ins Auge fassen. Diese sollten sich aber keinesfalls den gleichen Themen und Problemen widmen, die bereits in anderen grenzüberschreitenden Gremien diskutiert werden. Auch gedenke man, weniger aktive Partner wieder zu motivieren und zu verstärkter Mitarbeit zu bewegen.

Ob solche Städtepartnerschaften heute in einer globalisierten Welt eigentlich noch Sinn machen, fragen wir den sehr engagierten Schöffen. „Absolut“, meint Pim Knaff. „Besonders in Zeiten des aufkommenden Nationalismus muss der ursprüngliche ‚Jumelage‘-Geist, das hehre Friedens- und Freundschaftsideal, an die Jugend weitergegeben werden. Durch den direkten Kontakt auf lokaler Ebene wird Fremdsein vermieden. Nicht unterschätzen sollte man auch die freundschaftlichen Bindungen sowohl unter den Gemeindepolitikern als auch unter den Bürgern. Auch im digitalen Zeitalter bleiben persönliche Beziehungen und direkter Kontakt von unschätzbarem Wert.“


 

Die Partnerstädte der Stadt Esch

Offenbach am Main (Deutschland)
Grenzt direkt an Frankfurt am Main.
An die 129.000 Einwohner.
Früher Zentrum der Lederindustrie, ist Offenbach heute ein wichtiges Dienstleistungszentrum und ein Hochschulstandort mit hoher Clusterbildung im Designbereich.
Distanz zu Esch: 260 km
Partnerstadt seit 1956

Puteaux (Frankreich)
Liegt in der Region Île-de-France westlich von Paris (nur durch die Seine von der französischen Hauptstadt getrennt).
An die 45.000 Einwohner.
Galt früher als Wiege der französischen Automobilindustrie. Heute verlagert sich der wirtschaftliche Schwerpunkt zunehmend in den Dienstleistungsbereich.
Distanz zu Esch: 350 km
Partnerstadt seit 1956

Velletri (Italien)
Liegt in der Region Latium,
40 km südöstlich von Rom.
An die 53.000 Einwohner.
Die heutige Gerichts- und Schulstadt lebt vom Tourismus, kleineren Industrieansiedlungen und dem Handel mit lokalen Produkten.
Distanz zu Esch: 1.280 km
Partnerstadt seit 1957
www.commune.velletri.rm.it

Zemun (Serbien)
Liegt in der Provinz Zentralserbien und ist ein selbstverwalteter Stadtbezirk von Belgrad.
An die 153.000 Einwohner.
Zemun hat besonders in wirtschaftlicher Hinsicht infolge der Auflösung Jugoslawiens gelitten. Heute profitiert die Stadt von Belgrad als Industrie- und Handelsstadt. Die Universität Belgrad unterhält ein naturwissenschaftliches Institut in Zemun. Die sanierte Altstadt sowie eine Reihe von historischen Sehenswürdigkeiten ziehen immer mehr Touristen an.
Partnerstadt seit 1968
www.zemun.rs

Coimbra (Portugal)
Liegt in Zentralportugal, etwa 150 km von Porto entfernt.
 An die 144.000 Einwohner.
 Mit der 1290 gegründeten Universität beheimatet Coimbra eine der ältesten Universitäten in Europa. Diese konnte sich dank ihrer ständigen Anpassung an die zeitgemäßen Anforderungen bis heute als hochwertige wissenschaftliche Einrichtung behaupten. Sie zählt 30.000 Studenten. Auch der Tourismus gewinnt dank des kulturellen Angebots der Stadt an Bedeutung.
Distanz zu Esch: 1.900 km
Partnerstadt seit 2004
www.cm.coimbra.pt

Köln (Deutschland)
Liegt im Bundesland
Nordrhein-Westfalen.
Über 1 Million Einwohner.
Köln zählt zu den wichtigsten Standorten der Chemie- und Automobilindustrie weltweit. Die Stadt hat ebenfalls als Kulturmetropole internationale Bedeutung. Besonders zahlreiche Medienunternehmen haben hier ihren Sitz. Daneben hat sie sich als Kongress- und Messestadt einen Namen gemacht. Dank ihrer 2.000-jährigen Geschichte und des bedeutenden Kölner Doms ist sie eines der wichtigsten Reiseziele Europas.
Distanz zu Esch: 230 km
Partnerstadt seit 1958
www.koeln.de

Lüttich (Belgien)
Liegt in der wallonischen Region Belgiens (25 km Luftlinie südlich von Maastricht und 39 km südwestlich von Aachen).
An die 179.000 Einwohner.
 Lüttich, eine Wiege der europäischen Kohle- und Stahlindustrie, geriet durch den Niedergang des Kohlebergbaus und der anschließenden Stahlindustrie in Bedrängnis. Sie stellte sich dem Strukturwandel und mauserte sich zu einer kulturell bedeutenden Stadt der Großregion. In Lüttich gibt es eine Universität und zahlreiche Hochschulen.
Distanz zu Esch: 160 km
Partnerstadt seit 1958
www.liege.be

Lille (Frankreich)
Liegt im Norden Frankreichs an der Grenze zu Belgien.
An die 232.000 Einwohner.
Die ehemalige Industriestadt ist heute Dienstleistungs- und Universitätsstandort mit ungefähr 100.000 Studenten und vier Universitäten sowie zahlreichen Hochschulen. Auch das kulturelle Angebot der Stadt ist hochwertig.
Distanz zu Esch: 310 km
Partnerstadt seit 1958
www.lille.fr

Rotterdam (Niederlande)
Liegt in der Provinz Zuid-Holland.
An die 646.000 Einwohner.
Rotterdam ist die führende Industrie- und Handelsstadt der Niederlande. Dort befindet sich der größte Seehafen in Europa. Daher konzentriert sich Rotterdams Wirtschaft auf die Bereiche Transport, Logistik und Industrie. Sie ist aber auch eines der kulturellen Zentren der Niederlande und verfügt über eine traditionsreiche Universität.
Distanz zu Esch: 360 km
Partnerstadt seit 1958
www.rotterdam.nl

Turin (Italien)
Liegt in der Region Piemont.
An die 883.000 Einwohner.
Die ehemals krisengeschüttelte Stadt, die von der Autoindustrie lebte, hat den Umbruch geschafft. Man spricht von einer Wiedergeburt und nennt Turin gar Wissensfabrik. Forschung, Roboterbau, Nanotechnologie, Luftfahrt, Kultur- und Tourismusindustrie haben sich ihren Platz erobert und der Stadt zu neuem Glanz verholfen.
Distanz zu Esch: 740 km
Partnerstadt seit 1958
www.commune.torino.it

Moedling (Österreich)
Liegt in Niederösterreich, 16 km von Wien entfernt.
An die 24.000 Einwohner.
Die ehemalige Industriestadt ist heute Bezirkshaupt- und Schulstadt. Sie wird auch „Stadt der kurzen Wege“ genannt. Dies ist dem Ausbau der Rad- und Fußgängerwege zu verdanken. Das historische Altstadtzentrum bildet einen besonderen Anziehungspunkt für Touristen.
Distanz zu Esch: 940 km
Partnerschaft seit 1956
www.moedling.at

 

 

Jemp
13. August 2019 - 1.41

Reisen und feiern auf unsere Kosten! Mehr ist es nicht.