KunsteckeFreiheit in Kunst und Medien im Gespräch

Kunstecke / Freiheit in Kunst und Medien im Gespräch
21.10.2020, Frankreich, Montpellier: Polizeibeamte stehen Wache, während bei einer landesweiten Gedenkveranstaltung an den ermordeten Lehrer Samuel Paty Karikaturen der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo auf die Fassade des „Hôtel de Région“ in Montpellier projiziert werden Foto: AFP/dpa/ Pascal Guyot

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Vor einem Jahr haben wir uns in dieser Rubrik die Frage gestellt, ob die freie Meinungsäußerung in Gefahr sei. Zwölf Monate später schicken sich scheinbar dafür Berufene an, das Wesen der Meinungsfreiheit sowie der artistischen Freiheit zu hinterfragen.

Derweil im Mudam die subjektiv auserwählten „Freigeister“ losgelassen sind, geht ein anderes Museum dem freien Kunstsommer 69 recht fragmentarisch auf die Spur, kurzum, das Thema Meinungsfreiheit in unserer „postkapitalistischen“ globalisierten Gesellschaft im Allgemeinen, sowie in Medien und Kunst im Besonderen, ist so oder so wieder in aller Munde. Als vor Jahren die Karikaturisten und Redakteure eines Pariser Satiremagazins auf feigste Weise getötet wurden, gingen viele Bürger- und Bürgerinnen empört und berechtigterweise auf die Straße und sprachen von Meinungsfreiheit als Säule der Demokratie. Dass diese seither in Frankreich und anderswo weiterhin schleichend von potenten Medienmachern und/oder aus Staatsräson sozusagen tagtäglich bedroht wurde, schert viele nicht. Ihre Analyse der Dinge ist kurzsichtig. Sie nehmen kleine aber wichtige Indizien nicht zur Kenntnis, reagiert wird ja von bestimmten Leuten nur, wenn es öffentlichkeitsträchtig ist und wenn es gilt, im Mainstream mitzuschwimmen.

Wenn Medien verschwinden, wenn Meinungsmonopole aufgebaut und verstärkt werden, wenn Mediengesetze ausgehebelt werden, wenn selbst bei Erinnerungsausstellungen kritische Stimmen nicht zugelassen sind, wenn Journalisten sich unter Druck zu „Fake News“ hinreißen lassen und daraus ein neues Wertesystem entsteht …, die Liste der zu verfolgenden Denkansätze ließe sich fortsetzen, selbst kleine unscheinbare Lügen und Machenschaften können diesbezüglich verheerende Folgen haben. Sogar im kleinen, wirtschaftlich glänzend dastehenden Großherzogtum häufen sich entsprechende Anzeichen, sodass für manchen Zeitgenossen das hohe Gut der Meinungsfreiheit auch hierzulande riskiert, in Schieflage zu geraten. Noch sind wir weit entfernt von einer katastrophalen Lage wie in anderen Staaten, doch gilt es, wachsam zu bleiben, denn nicht nur Verhinderungen tun das Ihre dazu, auch perfide und offene Manipulationen, aus welcher Motivation auch immer heraus, erweisen der freien Meinung keinen guten Dienst.

Wenn jetzt von der Freiheit der Kulturschaffenden die Rede geht, so gilt es erneut, deutlich zu unterstreichen, dass man nicht mit allem einverstanden sein muss, das von Künstlerhand kreiert wurde, doch sollte man es deswegen weder verdammen noch verbieten wollen. Wie bei der Meinungsfreiheit gilt bei der Freiheit in der Kunst, jedem seine Freiheit, solange der Künstler die elementaren Menschenrechte, die Menschenwürde des Einzelnen respektiert, Mitmenschen nicht rassistisch und diskriminierend angeht. Für uns gelten noch immer die vor über 70 Jahren „universell“ verbrieften Menschenrechte, die es zu beachten gilt. Die anfangs der Pandemie zum Ausdruck gebrachte Angst, die aus gesundheitlichen Imperativen heraus beschlossenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens könnten auch das freie kulturelle Schaffen in Frage stellen, haben sich zwar insofern bewahrheitet, als es objektiv wohl keine anderen Möglichkeiten gab, auch den „Kulturbetrieb“ etwas langsamer drehen zu lassen, doch die sich seit einigen Monaten wiederholenden Bekenntnisse zur Absicherung der Kulturszene zeugen – zumindest hierzulande – von der hehren Absicht der Oberen im Kulturbereich, die Kultur nicht fallen zu lassen, sie als gesellschaftliche Grundfeste weiterhin zu unterstützen und abzusichern. Hierbei stellt sich natürlich die übliche Frage: wie, was und wen?

Was für die Presseleute seit Jahrzehnten unabdingbar ist, soll nun auch bald für den Kultursektor gelten. Es geht die Rede von einem Ethikkodex, einer Art Deontologie für Künstler, Künstlerinnen und Kulturbetriebe. Medienleute wissen, ein solches Regelwerk enthält zwangsläufig Rechte und Pflichten, wobei die Rechte gerne von den Betroffenen als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden, man aber für bestimmte Pflichten nicht gleich Jubelgeschrei ausstößt und manche Medienmenschen sich auch mal zieren, diesen Pflichten nachzukommen. Diese Ebene sollte in einer Debatte über unabdingbare Freiheiten nicht fehlen, vor allem nicht, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Außenstehende nicht unbedingt das erwartete Verständnis für die von Künstlern zu Recht eingeforderte erforderliche kreative Freiheit aufbringen. Es könnte so zu unliebsamen Entwicklungen kommen. Es fängt mit Kopfschütteln an, geht in offene Ablehnung über, endet gar in Feindseligkeit. Es ist gut und richtig, über Meinungsfreiheit zu reden, nur sollte dieser Diskurs nicht rein akademisch bleiben. Den Worten müssen bekanntlich Taten folgen!