Geschichte„Frankreich ist doch kein Nachttopf“

Geschichte / „Frankreich ist doch kein Nachttopf“
„Les Luxembourgeois en France de 1940 à 1945, Résistants, réfractaires, juifs, maquisards, déserteurs, émigrés …“  (Marc Trossen) Foto: CV

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Gleich zwei Neuerscheinungen befassen sich mit dem Thema der Luxemburger in Frankreich in den Jahren 1940-1945. Ausgehend vom Tagebuch seines Vaters beschreibt Claude Vandivinit die Evakuierung tausender Luxemburger nach Frankreich Anfang 1940; Marc Trossen beschäftigt sich mit denjenigen Landsleuten, die während des Krieges im Nachbarland in der Resistenz aktiv waren.

Als die Deutschen am Freitag, dem 10. Mai 1940, Luxemburg überfielen, befand sich der 21-jährige Jos Vandivinit gerade in Esch/Alzette, wo er bei einem Friseur in die Lehre ging. Zurück nach Hause nach Welfringen wollte er nicht: Er zog es vor, zu flüchten.

Dass sein Vater während des Zweiten Weltkrieges eine Zeit lang in Frankreich war, erfuhr der heute 74-jährige Claude Vandivinit erst 1995, als ihm nach dem Tod seines Vaters dessen Tagebuch in die Hände fiel. „Eréischt ab 2016 hunn ech ugefaangen, mech méi intensiv domat ausenanerzesetzen an ze verstoen, wat mäi Papp do Spannendes erlieft hat.“ Die Erlebnisse des Vaters hat er nun in seinem Buch „Evakuatioun a Frankräich Mee-August 1940“ veröffentlicht.

Jos Vandivinit war kein Einzelfall: Ausgehend von seinem Einzelschicksal beschreibt sein Sohn die Massenflucht von Tausenden vor den anrückenden Deutschen. Ab dem 10. Mai 1940 haben im Lauf von wenigen Tagen um die 100.000 Luxemburger, die meisten davon Einwohner aus den Gemeinden entlang der Grenze zu Frankreich, ihre Häuser verlassen. Ein Teil flüchtete vor den Deutschen, andere seien von den Besatzern ins Hinterland evakuiert worden, schreibt Claude Vandivinit. „Am Buch probéieren ech duerzeleeën, firwat déi eng a Frankräich, déi aner zu Lëtzebuerg evakuéiert waren. Mäi Papp war ënnert de 27.000 Escher Bierger, déi a Frankräich geflücht waren.“ Seine Recherchen haben ergeben, dass das damals gar nicht so chaotisch ablief, wie oft angenommen wird. Die Franzosen hatten Pläne, um ihre Landsleute, die entlang der Maginot-Linie lebten, in Sicherheit zu bringen. In einigen Dokumenten habe er auch Hinweise gefunden, dass die Franzosen auch schon Routen für die Luxemburger vorgesehen hatten, sagt Vandivinit.

Resistenz

Zeitgleich hat ein anderer Laienhistoriker, Marc Trossen, ein Buch zu einem ähnlichen Thema geschrieben. „Les Luxembourgeois en France de 1940 à 1945“ setzt dort an, wo Vandivinits Buch aufhört, nämlich im September 1940. Ab da seien rund 1.000 Luxemburger ins Exil gegangen: Resistenzler, Gewerkschaftler, Geheimdienstler und Menschen jüdischen Glaubens hätten das Land in Richtung Frankreich verlassen, schreibt Marc Trossen.

Dort waren sie allerdings nicht immer willkommen. Trossen lässt hierzu den Zeitzeugen Léon Thoss zu Wort kommen, der sich dem Dienst in der Wehrmacht durch eine Flucht entzog. Dieser berichtet, wie er im „freien“ Teil Frankreichs in Châteauroux festgenommen und auf die Wache gebracht wurde. „La France n’est quand même pas un pot de chambre“ soll der Gendarm herablassend über den Flüchtling gesagt haben.

Seit 1979 beschäftigt Marc Trossen sich mit der nationalen Geschichte; bereits vier Bände von „Verluere Joeren“ hat er veröffentlicht. Einige Zeitzeugen konnte er im Laufe der Jahre noch selbst interviewen. In seinem neuesten Werk beschreibt er die Schicksale von 71 Resistenzlern; dabei basiert er sich zum Teil auf die Erzählungen der Betroffenen, zum Teil auf das Privatarchiv von Jules Stoffels, das erst kürzlich von dessen Witwe dem Nationalarchiv übergeben wurde.

Die „Unioun vun de Lëtzebuerger Resistenzler“, deren Präsident Marc Trossen ist, ist Herausgeber beider Werke. Zeitgleich zur Veröffentlichung habe sie sieben größere luxemburgische Gemeinden angeschrieben, um Straßen nach besonders verdienstvollen Widerstandskämpfern zu benennen. Bisher habe es nur Absagen auf ihr Gesuch gegeben, sagt ein enttäuschter Trossen.

Info

„Evakuatioun a Frankräich Mee-August 1940“ von Claude Vandivinit und „Les Luxembourgeois en France de 1940 à 1945, Résistants, réfractaires, juifs, maquisards, déserteurs, émigrés …“ von Marc Trossen sind im Buchhandel oder direkt bei der Union contact@unioun.lu zum Preis von 58 Euro das Stück erhältlich.

„Evakuatioun a Frankräich Mee-August 1940“ (Claude Vandivinit)
„Evakuatioun a Frankräich Mee-August 1940“ (Claude Vandivinit)