FPÖ-Historikerkommission bringt statt Persilschein nur Peinlichkeiten

FPÖ-Historikerkommission bringt statt Persilschein nur Peinlichkeiten

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Der Versuch, die braun-befleckte Weste der FPÖ mittels Historikerkommission weißzuwaschen, ist gründlich danebengegangen. Der pseudo-wissenschaftliche Aktionismus gerät immer mehr zur Peinlichkeit.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Wie naiv und/oder eitel muss ein mit politischen Spielchen eigentlich vertrauter Historiker sein, wenn er in diese Falle tappt: Der Wiener Geschichtswissenschaftler Michael Wladika setzte sich zusammen mit FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, dem FPÖ-Parteiideologen Andreas Mölzer und dem früheren FPÖ-Nationalratspräsidenten Wilhelm Brauneder an einen Tisch, um den Journalisten ein paar Häppchen aus dem seit Monaten überfälligen Bericht jener ominösen Historikerkommission hinzuwerfen, die die Frühgeschichte der österreichischen Rechtspopulisten aufarbeiten soll. Und hinterher wunderte sich Wladika, dass er in manchen Medien als FPÖ-Parteihistoriker rübergekommen ist.

Das war dem Staatspreisträger dann so unangenehm, dass er in einem Gastkommentar im Standard nicht nur langatmig seine wissenschaftliche Unabhängigkeit darlegte, sondern sich auch gleich inhaltlich von der FPÖ-Lesart seines Inputs distanzierte. Sein unfertiger Bericht sei „von zwei Personen im Umfeld der FPÖ für den sogenannten ‚Rohbericht‘ auf zwei Seiten gekürzt“ worden. Dies sei „ohne mein Zutun“ geschehen. Bei der Zusammenfassung des Beitrags sei „vieles aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben worden“.

Ganzer Bericht noch geheim

Ob die FPÖ-Lektoren einfach geschlampt oder aus den 1.100 Seiten des Berichts bewusst eine beschönigende Kurzfassung von 32 Seiten extrahiert haben, lässt sich leider nicht überprüfen. Denn der vollständige Bericht ist weiter Verschlusssache. Und das, obwohl die Veröffentlichung schon mehrfach in Aussicht gestellt worden war. Irgendwann sollen die 1.100 Seiten zur Gänze publik gemacht werden, versichert Parteichef Norbert Hofer. Ob das bis zur vorgezogenen Nationalratswahl Ende September geschehen wird, kann er aber leider nicht versprechen.

Vor eineinhalb Jahren tat die FPÖ zumindest so, als hätte sie es sehr eilig mit der Aufarbeitung der eigenen braunen Vergangenheit. Anfang 2018 war im niederösterreichischen Landtagswahlkampf aufgeflogen, dass der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer auch stellvertretender Vorsitzender der schlagenden Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“ war. Dort war ein Liederbuch mit Strophen wie dieser aufgetaucht: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ‚Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‘.“ Landbauer will von alledem nichts gewusst haben, trat zurück, kehrte aber bald als Fraktionschef der Blauen im niederösterreichischen Landtag zurück. Da dieser „Einzelfall“ nicht der einzige war, gelobte die FPÖ eine schonungslose Durchleuchtung ihrer Geschichte durch eine Historikerkommission unter Vorsitz Wilhelm Brauneders.

Keine renommierten Zeithistoriker

Der emeritierte Universitätsprofessor für Rechts- und Verfassungsgeschichte ist zwar selbst über jeden Extremismusverdacht erhaben, veröffentlichte allerdings seine doch weit rechts der Mitte angesiedelten Ansichten auch in der inzwischen eingestellten rechtsextremen Zeitschrift Aula, einem Sprachrohr der schlagenden Burschenschaften.

Auch sonst gelang es der FPÖ nicht gerade, für ihr Projekt ein Team aus der Crème de la Crème der Historikerzunft zu bilden. Unter den 16 Autoren des Berichtes finden sich keine Koryphäen. Und es sind sogar aktive FPÖ-Spitzenfunktionäre wie Klubdirektor Norbert Nemeth und Generalsekretär Hafenecker darunter. Wirklich renommierte Zeithistoriker wie Oliver Rathkolb sehen das FPÖ-Projekt daher höchst kritisch. Der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien bewertet die Vermischung von Wissenschaftlern und aktiven Parteimitarbeitern in der Autorenschaft als „unüblich“.

Von Nazis gegründet

Für „völlig daneben“ hält Rathkolb die bearbeitete Fragestellung, ob die FPÖ eine Nachfolgepartei der NSDAP sei. Denn das habe noch nie ein professioneller Historiker behauptet. Das ist aber die zentrale Conclusio des Berichtes: Die FPÖ ist nicht Nachfolgepartei der Hitler-Partei.

Genau darum geht es aber nicht, sondern um die Frage, wie sehr nationalsozialistisches Gedankengut in der FPÖ noch salonfähig ist bzw. lange war und wie sehr die Partei und ihre Vorgängerorganisation, der „Verband der Unabhängigen“ (VdU), von Nazis unterwandert waren. Immerhin war die FPÖ 1955 unter anderen von zwei Ex-Nazis gegründet worden: dem früheren SS-Brigadeführer und NSDAP-Reichstagsabgeordneten Anton Reinthaller sowie dem SS-Mann Friedrich Peter. Ihre Rolle im Nazi-Apparat sieht Rathkolb in dem Bericht „wissenschaftlich bedenklich relativiert“.

Warum so viele Einzelfälle?

Interessant wäre auch gewesen, die dominante Rolle der deutschnationalen Burschenschaften in der FPÖ und deren braune Flecken näher zu beleuchten. Zwar befasst sich ein Teil des Berichtes auch mit diesen Verflechtungen, doch Erhellendes war schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Burschenschaften zum „großen“ Bedauern der FPÖ nicht zur Öffnung ihrer Archive bereit waren. Auch die rechtsextremen Identitären waren nicht kooperativ. Immerhin gibt es aber das Eingeständnis, dass nach 1945 anteilsmäßig mehr Nazis bei der FPÖ als bei anderen Parteien gelandet sind.

Dass die FPÖ offiziell braunes Gedankengut ablehnt, ist hinlänglich bekannt. Nach jedem Einzelfall – die SPÖ zählte während der eineinhalb Jahre türkis-blauer Koalition 64 rechtsextreme, antisemitische und rassistische Vorfälle – gab es stets pflichtgemäße Distanzierungen der FPÖ-Spitze. Aber damit hatte es sich auch. Die wissenschaftlich interessante Frage ist, warum derartige „Einzelfälle“ im Umfeld der FPÖ häufiger als bei anderen Parteien passieren und ob das etwas zu tun haben könnte mit rhetorischen Grenzüberschreitungen der Parteigranden.

Alt- und Neonazis

Wer wie der über den Ibiza-Skandal gestolperte, aber nach wie vor von vielen Blauen verehrte Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache von „Bevölkerungsaustausch“ spricht oder wer wie Ex-Innenminister Herbert Kickl Migranten „konzentrieren“ möchte, hat formal nichts mit Nationalsozialismus zu tun. Aber Alt- und Neonazis fühlen sich in einem derartigen sprachlichen Umfeld durchaus wohl.

Diese schonungslose Analyse enthalten die bisher bekannten 32 Seiten nicht und sie wird wohl auch nicht auf den restlichen 1.070 Seiten zu finden sein. Der Wiener Polit-Berater Thomas Hofer sieht das ganze Projekt ohnehin nur „getrieben vom Marketinggedanken“. Doch genau das hat auch nicht funktioniert. Die Reinwaschung der FPÖ ist misslungen.