ÖsterreichFPÖ-Demagoge Kickl ringt mit Parteichef Hofer um die Macht

Österreich / FPÖ-Demagoge Kickl ringt mit Parteichef Hofer um die Macht
FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl (im Bild) ist dabei, den Parteichef Norbert Hofer zu demontieren Foto: Roland Schlager/APA/AFP

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Österreichs Rechtspopulisten kämpfen wieder einmal untereinander: Der schrille Demagoge Herbert Kickl liegt im Dauerclinch mit dem zumindest nach außen hin gemäßigten Parteichef Norbert Hofer.

Vor fast genau zwei Jahren schockte „Ibizagate“ die Republik. Die nach der Veröffentlichung des Skandalvideos mit dem damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache und dem Bruch der türkis-blauen Koalition schwer angeschlagene FPÖ setzte auf eine Doppelstrategie, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen: Der „nette Rechte“ Norbert Hofer, der 2016 mit seiner Softie-Attitüde beinahe die Hofburg erobert hätte, übernahm die Partei, während der demagogische Brachialrhetoriker Herbert Kickl Chef der Parlamentsfraktion wurde. Die Arbeitsteilung hat Kickl einmal so beschrieben: „Ich bin mit Hofer ein patriotischer Doppelpack, ich bin der, wenn es Hofer nicht macht, der rechte Haken und Geraden verteilt.“

Corona entzweit FPÖ

Doch neuerdings treffen Kickls rechte Haken immer öfter den Vorsitzenden. Befeuert wird der Konflikt nicht zuletzt durch die Corona-Krise, welche die schizophrene Parteitaktik schonungslos entlarvt. Denn auch im Umgang mit der Pandemie ist die FPÖ hin- und hergerissen zwischen Hofers staatstragendem Ansatz und Kickls kompromissloser Radikalopposition. Schon im April hatte ein Streit um FFP2-Masken zu einem FPÖ-internen Schlagabtausch geführt: Hofer rief alle Abgeordneten zum im Nationalratsplenum vorgeschriebenen Tragen der Schutzmasken auf, Kickl verweigert dies partout. Das Match gewann Kickl klar: Die Parlamentsfraktion stellte sich geschlossen hinter ihn und düpierte damit Hofer, dessen Autorität offenbar äußerst begrenzt ist. Die Partei nützt ihn als sympathische Schaufensterpuppe, die bürgerliche Wähler davon ablenken soll, was in diesem Laden in erster Linie angeboten wird: politische Rechtsaußenware.

Kickl, der schon immer im rechtsextremen Lager fischte und auch keine Berührungsängste mit radikalen Querdenkern und Corona-Leugnern zeigt, setzt nicht nur mit der Maskenverweigerung einschlägige Duftmarken. Während sich Hofer bereits gegen Covid impfen ließ, lehnt Kickl das demonstrativ ab, was sich auch in den Redebeiträgen der blauen Abgeordnetenriege niederschlägt: Nicht nur Masken werden für sinnlos erklärt, sondern auch die Impfung mit bisweilen pseudowissenschaftlichen Argumenten infrage gestellt. Auch vom Testen und vom Grünen Pass hält die FPÖ-Fraktion wenig bis gar nichts.

Neuwahl-Spekulation

Der türkis-grünen Koalition bereiten freilich weniger die Diskussionen über ihr Pandemie-Krisenmanagement Kopfzerbrechen. Vielmehr machen ihr die Nachwirkungen des Ibiza-Skandals zu schaffen. Denn die parlamentarischen Untersuchungen zu der Causa bringen die Grünen immer wieder in die undankbare Situation, der ÖVP aus Koalitionstreue zähneknirschend die Stange halten zu müssen. Am Donnerstag haben SPÖ, Neos und FPÖ im Parlament eine Verlängerung des im Juli endenden Ausschusses beantragt. Eine solche wäre angesichts der von ÖVP-Ministerien erst nach langem Tauziehen verspätet gelieferten Akten zwar angebracht, wird aber nicht stattfinden, weil die Grünen auf Wunsch der ÖVP gegen eine Fortsetzung der Untersuchungen im Herbst stimmen werden.

Die nicht zum ersten Mal zur Selbstverleugung gezwungenen Grünen tun sich immer schwerer, die ihnen von Kanzler Sebastian Kurz zugefügten Demütigungen wegzulächeln. Sollte Kurz, wie er selbst erwartet, wegen Falschaussage im Ausschuss angeklagt werden und nicht zurücktreten, werden die Grünen vor der nächsten koalitionären Gretchenfrage stehen. Angesichts der erwartbaren Turbulenzen geistert durch Wien bereits das N-Wort.

Wer wird Spitzenkandidat?

Die Neuwahl-Spekulationen wiederum befeuern den Machtkampf in der FPÖ. Denn obwohl die nächste Parlamentswahl regulär erst 2024 ansteht, will Kickl schon jetzt für den Fall der Fälle gerüstet sein – und gibt Hofer den nächsten rechten Haken: Er erklärte seine Bereitschaft, die FPÖ als Spitzenkandidat in die nächste Wahl zu führen. „Natürlich würde ich zur Verfügung stehen“, sagte Kickl diese Woche in mehreren Interviews. Allerdings hat auch Hofer schon vor längerem seinen Anspruch auf den ersten Listenplatz angemeldet. Damit nicht genug, richtete Kickl seinem Chef auch noch aus, dass dieser im Fall einer Anklage als Dritter Nationalratspräsident zurücktreten müsse. Gegen Hofer ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geschenkannahme im Zuge der Vergabe eines Aufsichtsratspostens bei der staatlichen Straßenbauholding Asfinag, für die der FPÖ-Politiker als Infrastrukturminister der türkis-blauen Koalition zuständig war. Ein Rücktritt wäre im Fall einer Anklage unausweichlich, da die FPÖ dies ja auch von Kanzler Kurz erwartet. Dass die Forderung danach aber schon jetzt von Kickl prophylaktisch erhoben wird, wirft ein weiteres Schlaglicht auf diese rechtspopulistische Beziehungskiste.

Kreide schmeckt Kickl nicht

Kickl hat nicht nur die blaue Parlamentsfraktion hinter sich, sondern auch einige Landesorganisationen. An der Parteibasis hat er sich mit seinen scharfzüngigen Rundumschlägen gegen die Kurz-Regierung ohnehin längst Kultstatus erarbeitet. Eines kann Kickl aber nicht: Kreide fressen und die FPÖ damit auch für Bürgerliche und Konservative wählbar machen. Das ist Hofers Part. Doch diese Doppelstrategie funktioniert auf Dauer nicht.