/ Fotografien, die nicht nur die Welt veränderten: „Ich tötete den General mit meinem Bild“
Fotografien können Leben beeinflussen, zum Guten wie zum Schlechten. Sie können sogar das Motiv für einen Selbstmord sein oder auch das Leben des Abgebildeten nachhaltig beeinflussen. Eine kurze Geschichte von Bildern, die die Welt veränderten.
Das Foto, auf dem der südvietnamesische General Nguyen Ngoc Loan am 1. Februar 1968 auf offener Straße den festgenommenen Vietcong Nguyen Van Lem erschießt, war Wasser auf die Mühlen der Antikriegsbewegung in den USA. Es untermauerte deren Credo, dass die USA die Falschen unterstützt. Es wurde zum Symbol der südvietnamesischen Brutalität (das Land war alles andere als eine Demokratie). Dass Van Lem anscheinend Mitglied einer kommunistischen Terrorgruppe war, die auch Kinder umgebracht haben soll, wurde damals verschwiegen.
Der Fotograf Eddie Adams sagte später in einem Interview: „Zwei Menschen starben auf dem Bild: das Todesopfer und der General Nguyen Ngoc Loan: Der General tötete den Vietcong, ich tötete den General mit meinem Bild.“ Der General war gebrandmarkt. Als er verletzt wurde, habe kein Krankenhaus ihn aufnehmen wollen, erzählte Kunsthistoriker Christian Mosar vorgestern anlässlich einer Konferenz in Differdingen unter dem Titel „Bilder, die die Welt veränderten“. Er konnte in die USA ausreisen, wo er eine Pizzeria betrieb, bis 1991 jemand herausfand, wer er war. Dieser hatte auf eine Toilettenwand die Worte „We know who you are“ gekritzelt.
Mosar hielt sich nicht mit einer Beschreibung der ausgewählten Bilder auf, sondern erzählte über die Geschichten hinter diesen Bildern, die die Welt veränderten. Die Epoche, in der Zeitungsfotos das Weltgeschehen beeinflussten, sieht er allerdings als vorbei. Als Grund hierfür nennt er die schnelle Verbreitung von Filmen in den sozialen Medien, die jeder mit seinem Smartphone machen kann. Ein Foto fixiere einen Moment, und wenn der Fotograf Glück hat – viele von den erklärten Fotos waren Zufallsaufnahmen –, gelingt es ihm, einen entscheidenden Moment der Geschichte festzuhalten. Geschichte – in einem einzigen Bild wiedergegeben. Ein Foto sei zudem mehr mit Emotionen verbunden, bei einem Film sei die Erinnerung eher „fluide“.
Eines der wohl bekanntesten, weil beeindruckendsten Fotos, welche die Meinung einer ganzen Generation beeinflusst haben, stammt ebenfalls aus dem Vietnamkrieg. Es ist das Bild des „Napalm-Mädchens“ Phan Thi Kim Phuc vom Fotografen Nick Ut aus dem Jahre 1972, das als Pressefoto des gleichen Jahres gewählt wurde. Das Bild, auf dem terrorisierte Kinder zu sehen sind, die nackt über eine Straße laufen, soll die Betrachter vor die Frage stellen: Ist das der Feind, gegen den wir kämpfen?
Fotografien entfalten ihre Wirkung auf den Betrachter nicht nur auf einer emotionalen Ebene. Oft liefern sie uns Anhaltspunkte für geschichtliche Ereignisse. Auf die Frage, wann in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit aus dem Protest der 1960er Jahre Terror wurde, gibt es eine klare Antwort: ab dem Moment, als der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde – am 2. Juni 1967. Jürgen Henschel war zur Stelle und hielt den Moment im Bild fest.
Doch Fotos haben nicht nur eine Wirkung auf den Betrachter, oder, wie im Falle des südvietnamesischen Generals, Folgen für den Abgebildeten. Zweiter wichtiger Protagonist beim Fotografieren ist selbstverständlich der Fotograf selbst. Ein gutes Foto kann ihm Preise und Ruhm bringen. Ob er damit glücklich wird, steht auf einem anderen Blatt.
Selbstmord wegen eines Fotos
Kevin Carter war ein südafrikanischer Fotojournalist, der 1994 für sein Bild „The Vulture and the little Girl“ (Der Geier und das kleine Mädchen) den Pulitzerpreis für Fotografie erhielt. Zwei Monate danach beging er durch Kohlenmonoxidvergiftung in seinem Auto Selbstmord. Er hinterließ eine kurze Notiz: „Es tut mir wirklich, wirklich leid, der Schmerz des Lebens überschreibt die Freude so sehr, dass es keine Freude mehr gibt.“ Was war geschehen?
1993 begab sich Carter zusammen mit anderen Journalisten in den Sudan, um die Aktion „Überlebensbrücke Sudan“ der Vereinten Nationen zu dokumentieren. Dort fotografierte er u.a. ein Kind, das erschöpft zusammengebrochen war, ein Geier hatte sich in seiner Nähe niedergelassen und wartete offensichtlich auf den Moment, in dem er zuschlagen konnte. Ein bewegendes Bild, das am 26. März 1993 von der New York Times veröffentlicht wurde und wie kein anderes die Tragödie im Sudan in einer Momentaufnahme festhält.
Im Nachhinein wurde Carter heftig kritisiert: Er habe das Schicksal des Kindes für seinen Ruhm benutzt. Ganz besonders wurde ihm seine eigene Angabe dazu, wie er das Foto schoss, angekreidet: Minutenlang habe er darauf gewartet, bis der Geier die Flügel ausbreitete, was dieser aber nicht tat. Nachdem er das Foto gemacht hatte, habe er den Vogel verscheucht.
Aus der Aktualität in die Popkultur
Bilder können die Welt um uns noch auf eine andere Art verändern, nämlich indem sie zu einer eigenen Geschichte werden. 1960 machte Alberto Korda ein Foto von Ernesto „Che“ Guevara. Er schenkte es dem italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli, der es aber erst nach dem Tod des Revolutionärs 1967 veröffentlichte. Richtig bekannt wurde das Bild als Popart-Poster des Grafikers Jim Fitzpatrick in den Farben Weiß, Rot, Schwarz und mit einem gelben Stern auf Ches Mütze.
Am 6. Mai 1937 verunglückte das Luftschiff „Hindenburg“ beim Landemanöver im amerikanischen Lakehurst. Das Unglück zerstörte den Mythos einer unfehlbaren Technik.
Der Fotograf Sam Shere sollte an dem Tag die Prominenten fotografieren, die aus der Hindenburg steigen. Stattdessen fotografierte er ein Inferno und Menschen, die aus dem brennenden Luftschiff sprangen.
Eine der ersten Hardrock-Gruppen wählte Ende der 1960er Jahre nicht nur ihren Namen „Led Zeppelin“ in Anspielung auf dieses Unglück, sondern ebenfalls das Bild von Sam Shere als Illustration ihres Debütalbums.
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Es ist eines der aussagekräftigsten und schrecklichsten Schnappschüsse, dieses Foto auf dem ein General einen jungen wehrlosen Vietcong auf offener Strasse hinrichtet. Es veranschaulicht auf eine krasse Art und Weise die Sinnlosigkeit und die Grausamkeit des Krieges. Man weiss nicht, ob man den Fotografen bewundern oder verachten soll. Jedenfalls hat er eine abscheuliche Tat, als abschreckendes Beispiel für die Nachwelt im Bild festgehalten. War es doch nicht eher die Sensationsgier als die abschreckende Brutalität als Motivation, die ihn dazu veranlasste im rechten Augenblick auf den Auslöser zu drücken? Wie auch immer, es bleibt dem Betrachter überlassen, wie er das Foto interpretiert und was er dabei empfindet. Im Gegensatz zu einem Film bietet diese Schwarzweissaufnahme die Gelegenheit länger und genauer hinzusehen und das Fürchterliche des Augenblicks quasi mitzuerleben, das mutwillige Auslöschen eines Menschenlebens.