Coronastep-StudieForscher stellen sinkende Virenlast in Luxemburger Kläranlagen fest

Coronastep-Studie / Forscher stellen sinkende Virenlast in Luxemburger Kläranlagen fest
Auch in der Kläranlage in Bereldingen entnehmen die LIST-Forscher Wasserproben Symbolfoto: Editpress-Archiv

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Die Wasserproben, die LIST-Forscher in Luxemburger Klärwerken nehmen, haben Ende der vergangenen Woche weniger Viren-RNA enthalten. Aber: In einigen Klärwerken werden immer noch steigende Werte verzeichnet. 

Ist die Pandemie wieder auf dem Rückzug? In Luxemburgs Kläranlagen wurden Ende der vergangenen Woche wesentlich weniger Coronavirus-Rückstände festgestellt als in der Woche zuvor. Das geht aus dem neuesten Coronastep-Bericht hervor, der am Montag veröffentlicht wurde. Mit dem Coronastep-Programm untersuchen Forscher des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) die Zuflüsse an 13 Luxemburger Kläranlagen nach RNA-Fragmenten des Coronavirus. Anhand der Ergebnisse soll ersichtlich werden, wie sehr das Virus in der Bevölkerung zirkuliert.

In den letzten Proben, die am vergangenen Donnerstag entnommen wurden, haben die Wissenschaftler in den Klärwerken von Schifflingen, Beggen, Petingen, Bettemburg, Mersch, Ulflingen und Böwingen sinkende Werte feststellen können. An den Anlagen in Bleesbrück, Hesperingen, Übersyren, Grevenmacher, Echternach und Wiltz wurden zwar erneut steigende Werte festgestellt. Insgesamt können die Forscher für das landesweite Geschehen jedoch einen Rückgang gegenüber der Vorwoche feststellen. Laut den Grafiken, die das LIST bereitstellt, ist die Virenlast, die am vergangenen Donnerstag verzeichnet wurde, nur noch knapp halb so groß wie die am vergangenen Montag. 

Zwischen der Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen (graue Balken) und den Werten, die in den Kläranlagen gemessen werden (blaue Linie), besteht eine große Übereinstimmung. Die neueste Grafik der LIST-Forscher zeigt einen Rückgang der Konzentration der Viren-RNA.
Zwischen der Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen (graue Balken) und den Werten, die in den Kläranlagen gemessen werden (blaue Linie), besteht eine große Übereinstimmung. Die neueste Grafik der LIST-Forscher zeigt einen Rückgang der Konzentration der Viren-RNA. Quelle: LIST

Dennoch warnen die Forscher in ihrem Bericht: „Die Zuflüsse an SARS-CoV-2-RNA bleiben in jeder Kläranlage auf einem hohen Wert, was auf eine immer noch sehr hohe Prävalenz des Virus im Abwasser hindeutet.“ 

Henry-Michel Cauchie vom LIST ist einer der Forscher, die am Coronastep-Programm mitarbeiten. Er erklärt, wie die Grafik interpretiert wird: „Die grauen Balken zeigen die tatsächlich gemeldeten Neuinfektionen pro Tag – die blaue Linie sind die kumulierten Werte unserer Proben.“ Bereits zu Beginn der ersten Welle hätten die Forscher begonnen, die Ergebnisse aus den Abwasserproben den entdeckten Neuinfektionen zuzuordnen. „Es funktioniert für Luxemburg, denn die Zahl der Infizierten ist hoch“, sagt Cauchie. „Man sieht, dass der Verlauf wirklich übereinstimmt.“ Im April und Mai hatten die Wissenschaftler noch nicht viele Proben gesammelt. Damals gab es deshalb „Diskrepanzen“. Aber als die Neuinfektionen ab Juli wieder stiegen, spiegelte sich das auch in den Kläranlagen wider. Und beim jetzigen Peak? „Was wir sehen, ist wirklich ein starker Anstieg, mehr als bei der ersten Welle“, sagt Cauchie. „Das ist kein Artefakt, das Virus zirkuliert wirklich mehr in der Bevölkerung.“

Sofortige Rückmeldung

Dennoch müssen die Ergebnisse aus den Kläranlagen mit Vorsicht interpretiert werden. Bei den gemeldeten Neuinfektionen gebe es Verzögerungen – alleine deshalb, weil sich nicht jeder sofort testen lässt. Die Abwasserproben geben aber sofort Rückmeldung. „Es ist die Situation der vergangenen 24 bis 30 Stunden“, erklärt Cauchie. Im Kläranlagenbericht von Anfang der vergangenen Woche projizierten die LIST-Forscher einen Rekordwert von 1.700 gemeldeten Neuinfektionen an einem Tag. Ist der noch immer möglich? „Das ist auch für uns eine der Kernfragen“, sagt Cauchie. Aber man befände sich auf neuem wissenschaftlichem Terrain. „Wir wissen nicht, ob die Kurven wirklich proportional verlaufen.“ Klar sei jedoch: „Dank der Werte aus den vergangenen Monaten sind wir sicher, dass Anstiege und Rückgänge signifikant sind.“

Wohlgemerkt: In den Proben aus den Kläranlagen sind Überreste von allen Corona-Positiven. Also auch von all jenen, die asymptomatisch sind und nicht im Testregime der „Santé“ auftauchen. Auf die Frage, wie groß genau diese Dunkelziffer ist, kann jedoch auch das Coronastep-Programm noch keine Antwort liefern. „Wir liefern einen globalen Blick“, sagt Cauchie. „Wir können nicht ins Detail gehen, weil wir nicht wissen, ob die Werte von symptomatischen oder asymptomatischen Menschen kommen.“ In Zukunft könnte es aber vielleicht möglich sein, die Werte, die die Kläranlagen liefern, tatsächlichen Infektionszahlen zuzuordnen.

Bis jetzt könnten die Kläranlagen-Werte vor allem der Planung bei den Krankenhäusern dienen. „Wir wissen, dass insbesondere junge Menschen asymptomatisch sind“, sagt Cauchie. Allerdings würden die auch keine Behandlung im Krankenhaus benötigen. Das große Fragezeichen sei, wie die Daten von Coronastep Informationen über eine potenzielle zukünftige Belastung der Kliniken liefern können. Um hier bessere Antworten liefern zu können, fahren die LIST-Forscher ihre Untersuchungen jetzt hoch: Anstatt einmal entnehmen Sie jetzt mindestens zweimal pro Woche ihre Abwasserproben an Luxemburgs Kläranlagen. 

So funktioniert die Coronastep-Untersuchung

Das Forschungsinstitut entnimmt Proben an 13 Luxemburger Kläranlagen. Insgesamt wird somit ein Einzugsgebiet mit 445.302 Menschen abgedeckt. Dafür wird über 24 Stunden Wasser am Zufluss der jeweiligen Kläranlage gesammelt.

Die Virus-RNA ist in menschlichen Exkrementen nachweisbar und kann deshalb in Kläranlagen gefunden werden. Die Forschungseinrichtung LIST beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Abwässern und den Viren, die sich darin befinden. Normalerweise gehen die Forscher Viren nach, die Magen-Darm-Entzündungen oder andere Infektionen des Verdauungstrakts auslösen können. Für die Auswertung benutzen die Forscher im Grunde die gleiche PCR-Methode, wie sie auch bei Rachenabstrichen angewandt wird. Sie erlaubt es, die RNA – also den genetischen Bauplan des Virus – aufzuspüren. (sen/gr)