FußballFola-Trainer Sébastien Grandjean: „Wir werden die Krankenhäuser nicht füllen“

Fußball / Fola-Trainer Sébastien Grandjean: „Wir werden die Krankenhäuser nicht füllen“
Für den Trainer der „Doyenne“ haben sich die Voraussetzungen vor dem Duell gegen den „Meisterschaftsfavoriten“ geändert Foto: Gerry Schmit

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Fola-Trainer Sébastien Grandjean vertraut der Wissenschaft, Virologen und Experten. Wenige Tage vor der Wiederaufnahme des Meisterschaftsbetriebs in der BGL Ligue hat der Escher Physiotherapeut deutlich gemacht, warum Panik und Social-Media-Trolle ihn wenig beeinflussen. 

Tageblatt: Seit März hat sich der Alltag für Fußballtrainer stark verändert. Würden Sie bei den Abläufen auf dem Galgenberg bereits von einer Corona-Routine sprechen?

Sébastien Grandjean: Wir versuchen, uns an die Regeln anzupassen und haben uns daran gewöhnt, mit unvorhersehbaren Dingen umzugehen. Es kann immer mal wieder vorkommen, dass ein Spieler in Quarantäne muss oder beispielsweise eine dreiwöchige Zwangspause von der Regierung angeordnet wird. Man darf in diesem Moment nicht nach dem „Warum“ fragen, sondern wie man die Situation verwaltet, sowohl auf physischer Ebene, aber auch mental. Um diese lange Zeit ohne Spiele zu überbrücken, geht es nicht mehr um Taktik, sondern darum, ein rationales Programm auf die Beine zu stellen, bei dem die Mannschaft fit bleibt und der Rhythmus hoch bleibt. Dabei darf man sie nicht überbelasten, da am Wochenende die Belohnung im Spiel wegfällt.

Es ist delikat, denn man könnte in eine Routine fallen, in der das Team lockerlässt. Wir haben uns deshalb auch entschieden, die Intensität während der Woche zu steigern, um so an den Wochenenden frei zu haben. In der vergangenen Woche kamen dann noch zwei Testspiele dazu, um allen Spielpraxis zu geben. 

Sie haben das mentale Gleichgewicht angesprochen. Haben Sie bemerkt, dass einige Spieler Schwierigkeiten hatten, die spielfreie Zeit zu überbrücken?

Absolut nicht. Das Team ist stark und ausgeglichen. Wir haben viel gesprochen und die Entscheidungen gemeinsam getroffen. In den Gesprächen oder bei den Trainingseinheiten gab es nie Anzeichen von Motivationsproblemen oder Konzentrationsschwäche. Es gab einen Durchhänger während der zweiten Hälfte des Testspiels gegen die Jeunesse (0:6), da wir das System umgestellt hatten. Hinzu kam die Blessur von Bob Simon (Kreuzband). 

Wird bei der Fola regelmäßig getestet?

Die Nationalspieler der A-Mannschaft (Stefano Bensi, Silvio Ouassiero) und der Jugendnationalteams wurden in den vergangenen Tagen auf Verbandsebene getestet. Andere wurden wegen des Berufs oder nach Kontakt mit Verdachtsfällen ebenfalls untersucht. Es gab aber keinen positiven Fall innerhalb des Teams. Es gab also keinen Infektionsherd in der Mannschaft, was hervorragend ist. 

Leben Sie in ständiger Alarmbereitschaft und Sorge vor dem Virus?

Man hat Ängste. Neben der Sorge um unsere Gesundheit wären vom Virus auch Arbeitsalltag und das Kollektiv betroffen. Sollte das Team in Quarantäne müssen, hätte das weitreichende Konsequenzen. Als Trainer hat man diese Gedanken ständig im Hinterkopf. 

Je mehr man trainiert, umso öfter begegnen sich 40 Personen aus komplett unterschiedlichen Umfeldern. Man muss abwägen, wie weit man bei dem Ansteckungsrisiko gehen kann.

Sébastien Grandjean, Fola-Trainer

Sie haben erklärt, man müsse sich an mögliche Ausfälle gewöhnen. Es gibt aber keine Beispiele aus der Vergangenheit, die als Modell für das Krisenmanagement dienen könnten. Wie legt man sich an?

Man muss präzise handeln. Wenn man hört, dass man drei Wochen pausieren muss, setzt man sich mit seinem Trainerstab zusammen und sucht nach der besten Lösung. Je mehr man trainiert, umso öfter begegnen sich 40 Personen aus komplett unterschiedlichen Umfeldern. Man muss abwägen, wie weit man bei dem Ansteckungsrisiko gehen kann. Wir wollten weder überfordern noch aus der positiven Spirale, in der wir waren, rauskommen.

Beim Kindertraining galt beispielsweise die Viererregel. Wie wurde das auf dem „Gaalgebierg“ gehandhabt?

Wir haben den gesamten Kader auf fünf Kabinen aufgeteilt und uns dann auch strikt an diese Aufteilung gehalten. Jeder trug die Maske, bis er das Spielfeld betrat. Wir haben normal trainiert. 

Sind Sie überzeugt, dass Ihr Spiel gegen Hesperingen am Sonntag stattfinden wird?

Daran zweifle ich nicht, außer bei uns oder beim Gegner würde eine Infektionsflut festgestellt werden. Zudem hat die letzte Mitteilung der Regierung ja auch angedeutet, dass neue Regelungen, sollten sie denn kommen, erst in der nächsten Woche in Kraft treten werden. Ich erwarte mir, „sauf catastrophe“, dass unsere Begegnung stattfinden wird.

Muss man trotzdem davon ausgehen, dass es zwangsläufig weiterhin positive Tests in der BGL Ligue geben wird?

Das ist eine Selbstverständlichkeit. Bei 16 Mannschaften, mit ihren 25 Spielern, dem Trainer- und medizinischen Stab, hat man pro Verein rund 40 Personen. Es ist unmöglich, ich betone: unmöglich, dass es keine positiven Tests bei dieser Anzahl an Menschen gibt. Aber ich habe die Frage schon mehrmals gestellt – und niemand konnte mir eine Antwort geben: Ist es möglich, sich auf einem Fußballplatz anzustecken? Ich bezweifle es. Nach acht Monaten und den Informationen, die gesammelt wurden, gehe ich eher davon aus, dass die Ansteckungsgefahr außerhalb vom Platz liegt. 

In den sozialen Netzwerken herrschte vor drei Tagen Aufregung, als die Nationalmannschaft nach dem positiven Testergebnis von Gerson Rodrigues nicht komplett in Quarantäne gesteckt wurde. Wäre es das richtige Zeichen gewesen?

Absolut nicht. Ich verstehe nicht, warum die Menschen nicht lernen, mit dem Virus zu leben. Jeder von uns hat ohne Ausnahme bereits Corona-Fälle im Umfeld erlebt. Wenn man jetzt darüber diskutiert, alle und jeden ständig wegsperren zu wollen, gibt es nur eine Lösung: Jeder bleibt zu Hause und wir stoppen alles. Aber das ist nicht der richtige Weg. Im Umgang mit diesem Virus sind Abstand, Maske und Händewaschen die Lösung. Solange es weder nachgewiesenen Kontakt noch Symptome gibt, ist eine Quarantäne nicht angebracht. Heute gibt es in Luxemburg 600.000 Einwohner und 200.000 Grenzgänger. Ich frage mich manchmal, ob es nicht auch 800.000 Virologen und Spezialisten gibt. Bei einem Spiel vor 2.000 Zuschauern gibt es auch jedes Mal 2.000 Trainer.

In diesem Fall haben wir es allerdings mit einem sehr wissenschaftlichen Thema zu tun. Wer hat die Kompetenzen, uns zu sagen, wie wir uns verhalten sollten? Nur die Experten, Infektiologen oder Virologen, die sich tatsächlich auf wissenschaftlicher Basis mit Covid-19 beschäftigt haben. Auf diese Menschen muss man hören. Ich bin Physiotherapeut. Mir sagt man, dass ich Maske tragen soll und mir so oft es geht die Hände waschen und desinfizieren soll. Ich tue alles, was nötig ist. So einfach ist es. Ich bin diszipliniert und höre zu. So soll es sein. Die Meinung des Otto-Normalverbrauchers spielt absolut keine Rolle. Gleiches gilt für den Impfstoff. Wer sind diese Leute, die alles infrage stellen? Es wäre an der Zeit, dass jeder an seinem Platz bleibt. Alles andere sorgt nur für Panik und unüberlegte Handlungen. Das ist mein „coup de gueule“. Jeder, der nichts weiß, soll den Mund halten und zuhören.

Wird das Image des Fußballs an diesem Wochenende leiden oder ist es im Gegenteil das richtige Zeichen, etwas Normalität einkehren zu lassen?

Zwei Dinge. Auf einem großen Fußballplatz zu elf gegen elf zu spielen, macht keine Probleme. Wenn wir spielen können, werden wir es tun. Zweitens: Ist es nicht angebracht, in komplizierten Zeiten tatsächlich etwas Normalität zu finden? Die Leute, selbst wenn sie nicht live vor Ort sein können, wird es freuen, sich wieder mit anderen Themen als Covid und Donald Trump zu beschäftigen. Ein klein wenig Leichtigkeit wird guttun. Warum also eine größere Polemik hervorrufen als wirklich nötig? Wir werden am Sonntag nicht für den Niedergang Luxemburgs sorgen, wenn 16 Mannschaften Fußball spielen. Wir werden die Krankenhäuser nicht füllen. 

Wann wird endlich wieder nur über Fußball und nicht über Corona-Fußball geredet werden können?

Ich bin kein Virologe und weiß es nicht. Aufgrund der Informationen über aktuelle Studien kann man davon ausgehen, dass die drei Firmen einen wirksamen Impfstoff präsentieren. Ein paar Details müssen noch geklärt werden. Danach werden wir normal weiterleben können. Ob das jetzt im März, April oder Mai ist, davon habe ich keine Ahnung. Je schneller, desto besser. Wir müssen der Wissenschaft vertrauen, um die Situation in den Griff zu bekommen. 

Letzte Frage: Sie treffen am Sonntag auf Swift Hesperingen. Was erwartet den Covid-Meister beim Aufsteiger?

Wir wissen es nicht. Wir treffen auf den großen Favoriten der Liga. Die Bedingungen werden nicht mehr die gleichen sein wie noch vor drei Wochen. Sie hatten Zeit, sich an ihren neuen Trainer zu gewöhnen, vielleicht sind auch ein paar Verletzte in den Kader zurückgekehrt. Wir wissen zwar, gegen welche Spieler wir antreten, aber nicht gegen welche Mannschaft. Ich denke aber, dass bei allen Vereinen viele Zweifel herrschen. Wir sind Mitte November, es wird alles in die Länge gezogen. Es bleiben 22 Spiele. Wir haben noch fast gar nichts gemacht. Und dann sieht man ja auch überall auf der Welt im Profibereich, welche muskulären Konsequenzen diese Meisterschaftspausen haben …

Das Programm

9. Spieltag der BGL Ligue:
Am Sonntag um 16.00 Uhr:
Jeunesse – Wiltz
Déifferdeng 03 – RFCU Lëtzebuerg
Rodange – Strassen
Hostert – F91
Ettelbrück – RM Hamm Benfica
Mondorf – UT Petingen
Rosport – Niederkorn
Hesperingen – Fola